Dato: 4. maj 1827
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Mein lieber Freund!

Erst in der Mitte des vorigen Monats empfing ich Ihren mir überaus willkommenen Brief vom 5te Januar; der lange Winter, durch dem die Schiffahrt in diesem Jahre so spät anfing, war die Ursache der Verzögerung, da ich in Elseneur den Auftrag zurück ließ, mir alle dort für mich eingesandten Briefe per mare zuzusenden, man befolgte diesen buchstäblich, und entzog mir dadurch die Freude Ihren lieben Brief früher zu empfangen. Nein, mußte ich lange warten so war der Genuß um so größer, und ein Genuß im eigentlichsten Sinne des Wortes!

Mit der innigsten Theilnahme las ich den kurzen Abriß Ihrer kleineren aber nichts destowenigher sehr intressanten Lebensgeschichte, sie ergriff mich doppelt, da sich mich in ein Ereigniß meiner früheren Zeit mahnte, und alte sehr theure Erinnerungen in mir lebendig machte. Einer meiner liebsten Freunde in Schweden Anders Hallström, den Ihre Neigungen und Ihre Anlagen der väterlichen Heerde in den Lehrsaal der Wissenschaft trieben, hat dasselbe Schicksal gehabt; vor 7 Jahren fand ich Ihn als Disciple auf dem Gymnasium in Wexio(Vexjö), und in diesem Augenblick, da ist er Lector der griechischen Sprache in Lund, und sein Nahme gefeiert und geführt unter den schwedischen Litteratoren. Diese Bahn, mit allen ihren glänzenden Ansichten, mit allen ihren nahmhaften Ansprüchen für Ruhm und Nachwelt, liegt denn nun auch offen da vor ihnen, mit mächtigem Fluge treibt der Götterfunke, Genie, Sie vorwärts. Warum legen Sie ihm Fesseln an, durch eine Trauer, die Ihnen fremde seyn und auch fremde bleiben muß. Ich frage sie auf Männerwort, haben Sie schon je der Ursache dieses Trübsinnes nachgeforscht, schon je gesucht, den Grund der Trauer zu ermitteln, die Sie verstört? Nur wenn der Arzt weiß, wo der Sitz eines Uebels liegt, kann er sein Verbreiten hemmen, hier können Sie nur Ihr eigener seyn, nur selbst helfen, nur selbst vorbeugen. Mein theurer Andersen, denken Sie doch nur daran, wie die Dankbarkeit Sie schon eigentlich froh machen müsste wie ihr religiöses Gefühl Sie allein erfreuen und erheben, ja, lassen sie mich das Wort gebrauchen, - wie es Sie begeistern sollte für alles schöne und Gute, denn wunderbar hat Gott sie geführt, und er durch gute Menschen, die den Suchenden aufnehmen, und ihn dahin führten, wo sie zur Freude aller derjenigen, die sich für Sie interessieren jetzt stehen, wo Sie aber nicht stehen bleiben dürfen, ohne Ihre Pflich- ten
gegen jene, und gegen Sich selbst zu verletzen. Aber die melancholische Stimmung, die sich aus jeder Zeile Ihres Briefes ausspricht, ist schon an sich selbst eine Pflichtver- letzung, denn sie muß störend eigreifen in den Cyclus Ihrer Studien, und das ist nicht allein, etwas sehr nachtheiliges, sondern auch etwas sehr unrechtes, denn in dem selben Augenblicke, in dem Sie Ihrem Trübsinne nachhängen, thun Sie Ihrem Fleiße, Ihren Anstrengungen Abbruch, und diese sind es zunächst, welche Ihre Gönner von Ihnen fordern und sehr von Ihnen zu fordern berechtigt sind. Mit welchem Auge treten sie am Schlusse des Semesters vor die Ihnen so sehr gewogene Kronprinzessin, wenn Ihr Bewußtseyn Ihnen sagt, Ihr fleiß sey nicht gleich der königlichen Gnade gewesen, Ihr Fortschreiten in der Wissenschaft habe nicht Stand gehalten, mit den Beweisen der Auszeichnung und der Liebe, mit denen man Sie überschüttete?

Wie, oder wäre es vielleicht selbst das Materielle der Wissenschaft, das Ihrem poetischenm Geiste nicht zusagte, oder vielleicht gar wider? Ist es Ekel gegen die Form der Systeme, die einem gedigenerem Wissen zum Grunde gelegt werden muß, oder Haß gegen die Fessel des Schulwesens, der sich keiner entziehen kann, ohne die keine sicheren Schritte in das Gebiet der Wahrheit vorwärts zu machen sind? Ich kanns nicht glauben, nein, nein, ich kanns nicht glauben, denn ich würde irre werden an Ihrer edleren Natur, und eine der schönsten Meinungen von dem edelsten Menschen aufgeben müssen, und wie viele mit mir! Wenn das möglich seyn könnte. Wohl fühle ich es in der tiefsten Seele, wie einem so rein poetischen Gemüthe, wie dem Ihrigen, die trockenen Elemente der Wissenschaft unmöglich zusagen können, dass die kalten Grundbedingungen jeder Lehre den Erwartungen nicht zu entsprechen vermögen die Sie im jugendichen Sinne von ihnen sagen, aber darf das abschrecken, zurückwerfen, mit Schmerz oder Trauer erfüllen? Wie Andersen, oder kann es einen Sieg geben ohne Kampf, ohne Ringen, Ohne Opfer? ohne Entsagung? Unsere Neigungen wie lockend wie unschuldig sie auch immer scheinen mögen, unsere Neigungen, sind zu öfter unsre gefährlichsten Feinde, suchen wir darum, sie zu Begrenzen???, suchen wir den abschweifen wollenden Geist zurückzuführen, in die ihm angewiesene Schranke, erfüllen wir vor allem unsere Pflicht im weitesten Sinnen des Wortes, suchen wir ganz das zu seyn, was wir seyn sollen, und seyn müßen, dann Andersen, werden wir froh seyn können, und wach werden, wir werden uns glücklich fühlen, und mit leichterem Sinnen die kleinen Üebel die uns das Leben in den Weg wirft, hinwegräumen oder ertragen Ohne Entsagung für den Augenblick giebt es kein Glück in der Zukunft, wenigstens [5683] kein dauerndes, haltbares; jene ist die bedingung von diesem. Sie schauen klar genug um dies einzustehen, seyn Sie Mann genug um darnach zu handeln, ich wiederhole es, ein ruhmreiches, beneidenswerthes Leben liegt vor Ihnen, Sie treten mit gesunden Ansprüchen in die Welt, aber eben so großes macht dieses aus Ihnen, werden sie ohne den äußersten Fleiß, ohne die größten Anstrengungen diese erfüllen können? Geben Sie sich die Antwort selbst, und das Beyspiel der Helden des Alterthums und der Geschichte erhebe Sie! Ohne die Arbeit des Heracles, gab es für ihn keine Verklärung, ohne den Kampf des Theseus für ihn keine Altäre! Mit freudigem Hoffen erwarten Ihre Freunde das Ende Ihrer Studien um Sie einführen zu können in das bürgerliche Leben. Der Nutzen, den Sie dort stiften, das Gute so Sie dort Fördern, das Große, das Sie dort vollführen sollten, ist eine Erndte Ihrer jetzigen Saat. Ein jeder wird besteuert nach Vermögen, sagte schon Wilhelm Tell, von dem, der viel leisten kann, wird viel gefordert; Sagen Sie sich nun selbst, ob die Hoffnungen zu denen Sie so frühe berechtigten, es zulassen werden, dass man wenig von Ihnen fordert. Sagen Sie sich das täglich und handeln Sie darnach. Nicht in das Idyllenleben Ihrer Jugend, oder in die Erwartungen der Zukunft verkläre sich Ihr Geist, mein Andersen, er halte fest den Augenblick der Gegenwart, fest mit geiziger Gier als sey ihr Himmel auf seinen Schwingen die jetzigen Augenblicke sind die theuersten Ihres Leben, nichts darf in ihnen Sie irre machen an sich selbst, keine übermäßige Zerstörung, keine wegführende Quelle, keine unmännliche Trauer; Um Ihrer selbst willen bitte ich Sie darum, und fordre es von Ihnen mit allem Ernste, für den mein Gefühl und meine Freundschaft für Sie mir das Recht giebt.

Es hat so manchen im Leben gegeben [mein theurer Freund der ausgerüstet??? ……….textverlust durch Knick] mit dem herrlichsten Geschenke der Natur, mit dem Himmelslichte des Genies, ihre Bahn begangen und die Welt glauben machten, eine neue Sonne ginge in ihnen der Erde auf; Aber wie wenige haben dann entsprochen, wie viele von ihnen schwankten wie ??? zwischen Himmel und Erde, bis sie auf Abwegen geriethen zu den Schlangen, und untergingen für immer; Sie könnten sich nicht fügen in die Schranke der Nothwendigkeit, in die Fessel des Lebens, sie durchbrechen sie und fordern den Lohn für ihr Thun. Sind Sie nicht auch ein Phantom, mein theurer Andersen? Nicht auch ein Sohn des Musaget? Fürchten Sie des älteren Bruders Beispiel! Wie viel schöner ist es, eine erwärmende belebende Sonne zu seyn, denn ein vorüberschießender Meteor, wie viel herrlicher, ein leuchtendes erhelldendes beständiges Nordlicht, als ein die Nacht durch- zuckender, im Entstehen verschwindender Blitz? Und doch wie viele sind das letztere gewesen das es doch nur an ihnen selbst lag, die Erstere zu sein. Werden Sie keine solcher Andersen; bey allem was dem Menschen heilig, was Ihnen selbst theuer und würdig ist, beschwöre ich Sie, werden Sie kein solcher; Bauen Sie sich ein bleibendes Denkmal in die Geschichte der Poesie, Ihres Vaterlandes, Ihr dermaleinstiges Wirken sey der Dank für die Güte, mit der man Sie jetzt überschüttet, und die Freude über das Gelingen ihrer Hoffnungen der schönste Lohn derer die sich für Sie sich für Sie interessierten! Halten Sie dem älteren Freunde die Ausführlichkeit zu Gute, mit der er diesen Punct verhandelte. In der tiefsten Seele schmerzte mir der Ton Ihres letzten Briefes. Ich erwartete einen Freude durchathmeten , wie es sich ziemt für die alles entgegenlächelnde Jugend, und empfing einen, der deuthliche Spuren eines mit sich zerfallenen Gemüthes bringt. Das kann mir Täuschung seyn mit der Sie sich selbst betrügen. Nur die Sünde, nur die Reue fordert und zerfällt mit sich selbst und vor diesen bewahre Sie die Liebe dessen, durch den wir sind und Ihr kindlicher Glaube an ihn. Er der Sie so wunderbar bis zu diesem Wunder führte, der gute Menschen Ihnen zugesellte, Menschen, die für Sie sorgen, und für Sie beten. Er wird Sie auch schützen gegen die Anfechtungen Ihres Mißmuthes die um so gefährlicher sind, je reizender Sie den tragischen Empfindungen eines poetischen Lebens zusagen!

Nicht unbekannt ist auch meinem Leben das Gefühl geblieben, das Sie mit so vieler Wehmuth aber zugleich auch mit so vieler Wahrheit zu be- schreiben wissen, dass, unsere Empfindungen nicht so aussprechen zu können, wie Sie uns erfüllen und beleben. Aber, haben Sie Sich auch nicht gefragt, was dem zum Grunde seyn möge? So wie ich [textverlust verblasst……..???] ins Lund sagte der große Tegner Hvad du ej købe kan lägge ret du ej, und in diesem wie wir Jene??? lösen??? liegt die ganze Antwort auf meine Fragen.Was wir nicht klar aussprechen können, das wissen wir nicht, oder ist noch unerreicht, was ungediehen, was wären denn die höchsten Momente der Liebe, der Freundschaft, oder des aufopfernden Handelns, darin die That steht immer über dem Worte, und die Meynung des Tegnerschen bezieht sich wie es dasteht auch nur zunächst, auf das Wissen. Aber das schrecke Sie nicht ab, die Zeit wird auch kommen, wo Ihnen alles klar wird, was noch jetzt dunkel oder schimmernd in Ihnen liegt. Das Erwarten jeder Kenntniß seiner selbst, jeder Schritt vorwärts in diese Gebiete des Wissens, ist ein Schritt näher dem Ziele, jedes Zutrauen??? Abweichende ein Schritt entfernter. Die Zeiten sind im Fabellande in denen Minerva mit Helm und Schild aus dem Haupte des Vaters sprang; Was erreicht werden will, muß ertragen werden. Errungenschaft festem Willen, mit endlosem …??? dann aber wird es auch erreicht, wie schwer, wie entfernt, wie unerreichbar es im ersten Augenblicke auch immer mag geschienen haben. Mit inniger Freude las ich die Beschreibung Ihres letzten Auffenthaltes in Copenhagen, ich fühle es ganz wie wohlthuend die Liebe so guter Menschen, wie Sie sie dort fanden, Ihnen werden würde. Gott segne den redlichen Wulf; ich bedaure es jetzt doppelt, daß mein kurzer Auffenthalt in Copenhagen es mir unmöglich machte, ihn aufzusuchen, ich hatte manche Veranlagung dazu! Die Skizze, die Sie mir von Oelenschlägers Varingaerne i Myklegaard entwarfen, reizt meine Neugier außerordentlich, so wie das Buch herausgekommen, senden Sie mir es doch durch Lindberg, der Ihre Auslagen gerne berichtigt.

Herzlichen dank für das liebe, herzliche Gedicht, mit meinem Nächsten sollen Sie eine schwedische und eine deutsche Uebersetzung davon erhalten. Meine Zeit, von überhäuften Berufsgeschäften in Anspruch genommen, hat mir in der letzten Zeit keine Uebertragung vergönnt. Meine Verhältnisse hier sind wie sie waren, sie halten mich indessen noch hier, und es war wohl etwas übereilter, wenn man Ihnen sagte, ich würde sogleich zurückkehren. Zwar können Ereignisse eintreffen, die dieses sofort nöthig machen, doch scheinen mir diese noch entfernt, Sie thun also wohl, Ihre Briefe bis weiter auf dem alten Wege durch Lindberg zu befördern. Bey Ihnen blickt nun die herrliche Natur in ihrer schönen fülle, wie gerne gerne genöße ich sie mit Ihnen, und erhöbe Herz und Seele an dem wunderbaren Panorama auf der Höhe von Marbach. Ich bin dort täglich früher gewesen, und jene Stelle ist mir lieb und werth. Grüßen Sie mir daher alle mit jedem Liebesnamen, den ihr poetischer Geist nur aufzufinden vermag. Hier umgiebt eine unabsehbare Sandwüste die traurige Stadt, und das Auge irrt müde auf der Steppe umher, ohne einen Punct der Erholung zu finden! Das ist sehr traurig, denn für das tägliche Leben giebt es keine schönere Erheiterung als die, welche eine freundliche Naturumgebung bietet! Und nun für diesmal genug, der ernste Ton meines Briefes täusche sie nicht über meine Freundschaft. Die bleibt Ihnen unter allen Lagen unter allen Veränderungen. Erfreuen Sie mich bald wieder mit einem Briefe. Er wird mir der beste Beweis seyn, daß Sie den Gegenwärtigen nahmen, wie ich ihn gab. Grüßen Sie die Familie Bagge. Gott sey mit Ihnen

Libau 4/16. May 1827

Ludolph Schley

Herr Hans Christian Andersen

p. t. Herr Doctor Meisling

Elseneur

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5681-86)