Dato: 28. november 1831
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

(28/11 31) - [ bleistift]

Liebau d. … … 1831

Es ist wahr, mein Andersen, ich habe lange und schmerzlich auf deinen letzten am 20t. July angefangenen, und am 10. October beendeten Brief warten müssen, aber dafür war auch die Freude gestern, als ich ihn empfing so groß, dass ich die Blätter an Herz und Lippe drückte, und mich jubelnd ausbrechen musste, wie ein zur Weihnacht reich beschenktes Kind; So sey mir denn wieder gegrüßt, in der Heimath, du theurer, theurer Freund! Bereichert mit neuen, werthvollen Lebensansichten, die das Leben selbst nur zu geben vermag; entzückt von Eindrücken und Ereignissen, an die ein fürstliches Wanderleben so reich ist; nun denk ich, wird der Dichter erst recht anfangen zu dichten, und Blüthen zu treiben zum Nutz und Frommen der Welt, nun wird dein eigentliches Leben erst recht beginnen, und sich entfalten in allen Zweigen und die Welt entzünden und die Vorübergehenden erfreuen, an der reichen Pracht der Blüthen, an dem stolzen Bau der Kronen und dem gewichtigen Wuchte des Stammes, damit es in Erfüllung gehe was Tiek aussprach über dich, und was dein Vaterland, mein Christian, von dir erwartet, - bleibe nur demüthig und fromm mein Bruder, deine Seele ist so reich, dein Gefühl so rein, lass sie es bleiben; denke an den poetischen Dichter, der verglichen wurde mit einem Baume, dessen Zweige so mit Früchtet belastet waren, dass sie sich vor jedermann neigten zur Erde, denke an ihn und sey ihm gleich. -

Ich danke dir für die gesendeten Stygge Bilder, noch heute Abend will ich mir den Genuss schaffen, sie durchzulesen, und dir in meinem nächsten Briefe meine Meinung darüber sagen, ich Thäte es gerne heute schon, aber ich darf diesen Brief nicht aufhalten. Der Schiffer, der ihn dir überbringen soll, will fort. Mit meinem nächsten / mit meinem nächsten also ausführlicher darüber, und dann auch zugleich die verlangten Proben von den Uebersetzungen, deiner Gedichte unter denen Soldaten, Martsviolerne der hoffentlich nicht aus- fallen werden, denn wenigstens habe ich versucht, allen Wohlklang, den die deutsche Sprache fähig ist, hineinzulegen, weshalb sie dann auch, wenn ich hoffe meine g??? meines 4ten Bändchens meiner Arbeiten seyn werden meine Schwedebraut liegt jetzt in Dorpat zur Censur, eine Weitläuf- ……… nicht stattfindet, hier aber das litterarische Texten sehr hindert, ich hoffe indessen, sie kommt ungeschoren zurück, und geht sie dann sogleich in die Druckerei. Die treue Aufmerksamkeit mit der du mir die Ereignisse deines Lebens berichtest, dein Hoffen und fürchten, dein Lieben und Leiden mittheilst, hat für mich etwas ungemein rührendes und erhebendes. Wie schlecht müsste ich seyn, könne ich Missbrauch treiben damit. Nein Andersen, wie in ein reues verschwiegenes Tagebuch, das nur vorhanden ist, für den, der es führte, magst du niederlegen bei mir, was dich erfreut und betrübt, und gewiß seyn, daß du alles nur darin wiederfindest, wenn du einmal blättern oder zurückschlagen willst. Das ist ja das, du theurer Mensch, was unsre Verbindung unsere Freundschaft, von dem was die Welt im gewöhnlichen Leben so trennt, sheidet, das innigste, unbedingteste Vertrauen, das mich fürchtet, und nichts scheuet; - was mir, wenn dem nicht so wäre, wenn es im Leben etwas gäbe, dass dich herausreissen könnte aus meinem trost, dass dich nur zu entfremden oder ferne zu stellen vermöchte, als wie du jetzt es bist; - enie würde ich dann werden es mir, o wehe mir. Nun fort, fort mit den gehässigen Gedanken!

Mit gespannter Aufmerksamkeit folge ich deinen Nachrichten über dein litterarisches Treiben und Wirken es sind mir in deinen Briefen immer die interessantesten Abtheilungen, die davon handeln, denn in diesen lebendigen Schilderungen / sehe ich dich ganz wie du bist und was du vermagst. Thätigkeit ist überhaupt des Mannes Element, je mehr er schafft, je mehr sein Geist produciert, je würdiger tägt er den Namen Mensch.

Wie viel mehr muss es der Dichter, dem reiner wie allen übrigen das Ideal der Menschheit im Busen liegen soll; Während des ganzen Sommers ist eine theure Freundin von mir Natalie von Wohnhaas in Dresden, und grade in den Kreisen bei Tietz, Tieago leben gewesen, in denen du bei deinem dortigen Auffenthalte lebtest; wie schade, wie unendlich schade, daß ihr beide nicht aufeinandergestossen seyd, ihr würdet euch gegenseitig sehr gefallen haben; es ist unbedacht von mir, dass ich euch nicht einander zuführte. schon im Bezug auf mich selbst, denn wie viel hätte sie mir nicht erzählen können von dir, und in ihrer geistvollen Liebenswürdigkeit, wie manchen interessanten Augen- blick dir nicht geschafft. Gestern Abend noch führte eine Gesellschaft uns zusammen, und nicht umhin konnte ich mich anzuklagen gegen sie, daß ich ihr die Freude deiner Bekanntschaft geraubt, welch eine Stunde wäre die gestrige gewesen, wenn Sie dich getroffen, und nur mir zu erzählen gehabt hätte, von den schönen Augenblicken, die ihr miteinander im Genuß alles Schönen verlebtet; so aber ist der Mensch, im vergessen das flüchtige Element aus dem die Natur ihn erschaffen, unbemerkt bleibt für ihn das Nahe, Nothwendige, weil seine Gedanken in die ferne schweifen, und Träume ihn verlocken statt Handlungen.

Ein Schiffer Olsson, der unserm Hause angehört und der bei seiner gestrigen Ankunft mir deine Skyggebillader / und deinen Brief brachte; ist bei seinem Auffent- halte in Copenhagen nicht weniger wie 5 mal in deiner Wohnung gewesen, um dich zu fragen, ob du nicht an mich zu bestellen habest. Leider traf er dich niemals, und mußte unverrichteter Sache zurückkehren, sonst würdest du ihm gewiss die übrigen deiner Arbeiten für mich mitgegeben haben denn noch immer habe ich nichts, wie deine beiden Hefte Gedichte, dein Nicolai Tharn, und deine Reisebilder. Alles übrige fehlt. Ist mit dem Eintritte in die Gesellschaft für nordisches Alterthum nur eine Geldabgabe verbunden, so versehe ich mich gerne dazu; besorge daher das Nöthige mich aufnehmen zu lassen, und sage mir nur, wieviel du als Abgabe für mich ausgelegt hast; ich werde dir sogleich die Summe für 5 oder 10 Jahre auf einmal übermachen. Deine Aufnahme in die Curländische Gesellschaft für Litteratur und Kunst besorge ich in der Plenarversammlung nächsten Johannis vor der findet keine Aufnahme statt. Ich habe in diesen Tagen ein Gedicht, Religionsfriede, geschrieben, daß ich zu den besseren meiner Geistes- producte zähle, da ich es dir bald gedruckt in 2 Hefte meiner Arbeiten sende, unterlasse ich jetzt, es abzuschreiben Ich hoffe es wird dir gefallen. Ueberhaupt wird die Muße, welche der Winter jetzt mir bringt, eifrig von mir zu poetischen Arbeiten benutzt; ich dichte jetzt viel. Daß neue Jahr ist vor der Thüre, und nach altem Brauche bringen sich denn Freunde und Verwandte gegenseitig Ihre Wünsche. Soll ich den Meinigen dir gegenüber noch Worte leihen? Nein Christian! Worte verweht der Wind, und die Wahrheit, daß du mir theuer & lieb bist über alles, bedarf ihrer nicht. Gott segne dich und mich.

Ludolf

Der Schiffer ist durch widrigen Wind ein paar Tage aufge- halten worden, ich will also, du theurer Freund nachschriftlich einige Zeilen hinzufügen, und dir sagen, daß ich mit einem bei einer Lectüre selten empfundenen Vergnügen deine Reisebilder nicht durchlesen, sondern durchgenossen habe, sie haben mich unendlich angesprochen, und wenn der Zug des Schmerzes, der durch sie hin geht wie der rothe Faden in dem Thauwerke der englischen Marine, mich zu meiner tiefen Betrübnis gelehrt hat, dein Geist sey noch immer nicht ganz frei von der Beengung, in die dein Gefühl für Frejas Syster ihm brachte, so ist es doch aber gerade er, der einen ganz eigenen Zauber über das ganze Gemählde ausbreitet, und den dero Schaden mit Sehnsucht und Wehmuth erfüllt. Die hineingeschlossenen Wanderlieder haben mich nicht weniger angesprochen wie die Reisebeschreibung selbst, einige, z.B. gleich das Erste, vom Vogel und der Blume, werden lange nachtönen in meiner Seele - Zur Vermehrung deines litterarischen Ruhmes wird diese Arbeit unbedingt viel begetragen haben, ich wünsche dir Glück dazu, es ist wohl verdient und redlich erworben!

Ich schreibe dir diese Zeilen in der Wache, denn leider müßen wir wieder die Posten in der Stadt besetzen, da alles Militair uns verlassen hat. - Mir fällt dabei ein, daß du nach unsrer Uniform gefragt hast; die freihlich sehr reich und geschmackvoll, aber für den Officiercorps auch sehr kostbar ist. Unsre große Uniform (wir sind Garde- cavallerie) besteht aus ein paar hohen bis über das Knie gehende Stiefel, weiße eng anliegende Beinkleider, blauen Frak mit rothen Abotten, letztere alle reich mit Gold gestickt, - goldene Achselbänder, goldenes Bandelier mit roter??? Patrontasche, und endlich goldnem Byculette mit einem weißen A. darin. (der verstorbene Kaiser Alexander gab dem Officiercorps diese Auszeichnung und sogleich seinen Namen) Das Ganze macht sich sehr hübsch geschmackvoller finde ich aber unsere kleine Uniform, die aus langen blauen Beinkleidern mit einer Goldstreife, einem kurzen blauen Oberrocke, mit rothem Kragen und weißem Futter und weißen Rabatt mit weißer Mütze besteht, und sich zu Pferde vorzüglich gut ausnimmt. Bei der großen Uniform haben wir einen dreieckigen Hut, und lang hereinhängende weiße und gelbe federn.

Dein Ludolf

/ studerender

Herr H. C. Andersen

Høivelbaaren

Conferentsraadet

Herr Collin

Kjöbenhavn.

Liebau d. 28. Nober.

10. Decber. 1831

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5808-13)