Dato: 1. maj 1831
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Liebau 1/13. May 1831

Warum, mein lieber Andersen, warum sind wir nicht früher darauf gekommen, das kalte herzlose Sie unter uns fortzuwerfen, und an dessen Statt, ein brüderliches du zu setzen, in dem die Rede sich ungebundener ausspricht, und das Herz fröhlicher und verbtraulicher seine Gefühle und Empfindungen mittheilt. Es sind nun 5 Jahre, ja bald 6 - als ich eines Mittags eine baumlange Figur bei mir in´s Zimmer treten und sich mir an meinem einsamen Mittagstische gegenüber setzen sah, es war mein Andersen, den ich lange erwartet hatte, und den ich beim ersten Zusammentreffen so lieb gewann, als wäre es mein Bruder, oder jahrelanger Freund; ich wollte ihm damals schon mit einem herzlichen du entgegen kommen, und weiß fürwahr nicht was die Veranlassung ward, warum es nicht geschah, und nun erst heute erfolgt. Also jetzt auf du und du, Andersen auf Stallbruderschaft und Liebe für dies Leben, und die welche hinter demselben liegen - Auf du und du für das diesseits und die Unendlichkeit des Jenseits des Grabes; - für ein festes, treues, unverbrüchliches Band, für ein Gefühl, das dem Freunde gegenüber keine Furcht kennt, und kein Vertrauen verbirgt. Sind Sie einver- standen damit so schlagen Sie ein, hier ist meine Hand, mein Herz halten Sie schon längst, und werden immer es behalten. Da ich meinem letzten Briefe an Sie vom 27. Februar mit der Post directe an Sie abgehen lies, werden Sie ihn gewiß gleich nach dem Abgange Ihres letzten Briefes bekommen haben; ich verhandelte damals ausführlich den Zustand Ihrer Seele, und habe seitdem keinen dringenderen Wunsch gehabt, als den, daß ein Strahl des ewigen Lichtes hineingefallen seyn, und die Nacht und die Zweifel in denen sie gefangen lag, zerstreut haben möchte. Der starke Geist, der kräftige Mensch, der auf / auf den Höhen des Lebens wandelnde Sänger, darf verirrenden Gefühlen nicht zum Raube verfällen. Klar und sich selbst bewusst soll er die Schattenwelt, das ist, das was ihn abzieht vom höchsten und himmlischen hinter sich lassen, und nur eins wollen, das Wahre; - genug damit über diesen Punct, und nur noch eine Schlussbemerkung. ich habe so hohe Ansichten von der Liebe, dass ich nur dann eine unglückliche statu??? bin??? wenn der Gegenstand unsrer Liebe, ihrer unwerth und für uns erniedrigend ist, sonst macht wahre Liebe (gewährt oder hoffnungslos) immer glücklich, immer den Menschen edler, besser, vollkommen. Zum Glück der Liebe bedarf es nichts, als des heiligen schuldlosen Gefühls derselben. Ich möchte in deiner Nähe seyn, um, wenn du kein Schüler dieses Glaubens bist, dich zum Prosyliten zu machen, schwer würde es mir wahrlich nicht werden, seine Grundbedingungen stimmen zu sehr mit den Bestimmungen des Lebens überein, als daß du lange würdest widerstehen können; zwar ist die Liebe eigenwilliger Natur, und Sophismen verdrängen sie nicht; aber das beabsichtige ich auch nicht, ich will Sie bei dir nur zurückführen zu ihrem Centralpuncte, von dem sie bei dir wie bei allen andern Wesen ausgeht. - Glaube aber dabei nicht, dass ich mit diesen Ansichten den Kampf nicht natürlich, den Schmerz nicht gerecht finde, der durch Dazwischenkunft irdischer Verhältnisse in liebenden Herzen geweckt wird. - Kampf und Schmerz gehören der menschlichen Natur an, aber sie sind nichts, und sollen nichts anders seyn, als Saat des Friedens und der Freude, die für den Singer und dulder am Tage die Garben reichen sollen, nichts als Gewitter, die von den Höhen auf die dumpfigen Thäler herabsinken, und in ihren furchterweckenden Ausbrüchen, die Athmosphäre reinigen, und die lechzenden Blumen, und die dürstenden Bäume erquicken. In der Natur ausser uns giebt es kein Engniß, daß nicht seins Gleichen fände, in der / in uns. Über beide aber wacht ein liebender Vater, dessen starke Hand in jeder Schilderung uns aufrecht hält, und der keinem seiner Kinder mehr auflegt, als wie es zu tragen vermag. Die letzte Zeit ist hier ungemein reich an Ereignissen gewesen die Insurrection der uns so sehr nahe liegenden Litthauischen Provinzen, und die Gefahr die daraus für unsern Ort erwuchs hat eine allgemeine Bewaffnung der hiesigen Einwohner zur Folge gehabt, und manche Wachtdienste und andre Excerzitien veranlaßt; ich habe lebhaft an diesen Theil genommen. und da ich selbst eine Officierscharge in der hiesigen Alexandergarde bekleide, manche 24 Stunden auf der Wache zubringen müssen. Angenehm ist das nicht gewesen, indes reicht jeder in der Noth dem andern die Hand, und sucht einen Rückhalt in der verstärkten Kraft des Ganzen. Jetzt kommen die Gemüther allmählich von der grossen Anstrengung zurück und die alte Ordnung der Tage kehrt wieder ein, da werden sich denn auch hoffentlich Mußestunden wieder finden, die bis jetzt sehr karg mir zugemessen waren. In die ersten will ich für die nichtpolitische Zeitung der Ostseeprovinzen einen Cyclus deiner Gedichte bearbeiten, den ich dann nicht ermangeln werde dir vorzulegen. In dem mir zuletzt gesendeten Hefte deiner Gedichte, für das ich dir herzlichen Dank sage, sind manche, die mich ungemein interessieren, ausführlich um sie werde ich dir schreiben in meinem nächsten Brief. Mit Captan Munk, der mir dein letztes Paket brachte, - sende mir doch deine Amagerreise, er nimmt gern sie mit. - Aus Lund kommt vielleicht bald mein Busenfreund Anders Hallström nach Copenhagen, der mich besuchen, und sich mit Munk einschiffen will. Nimm ihn auf, als den Freund deines Freundes Schley

Herr H. C. Andersen

Copenhagen

Thore Kongensgade N 33

3dje Sal

Helsingor & Wallar 1831

Befordert ad

L Lindberg

29-4 [mærkeligt, brevet er jo af Schley selv dateret 1/13. Mai]

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5799-5801)