Dato: 1. november 1832
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Libau d. 1. Nov. 1832

Mein Andersen!

Ich fürchtete schon das Jahr würde zu Ende gehen ohne einen ferneren Brief von dir, und da ich in Folge dessen auf diese Freude nicht mehr wartete, und sie nun unverhofft eintreffen sah, war sie doppelt groß. Doppelter Dank also auch diesmal von mir für alle die lieben Versicherungen treuer Anhänglichkeit und brüderlicher Freundschaft die aus jeder Zeile mir entgegenathmen, und die ich, ich versichere es dir auf mein Wort würdig zu schätzen weiß; ich weile überhaupt gern mit meinen Gedanken bei dem schönen Verhältnisse das unsre Herzen verbindet, und dass sich immer fester und inniger schließt, je länger es fortbesteht. Unlängst ist es, daß ein eigner poetischer Geist darauf ruht, ja daß es selbst recht eigentlich poetisch ist und bleibt. Berührten wir uns doch kaum im Leben selbst, die flüchtigen Momente in denen wir uns in Elseneur begegneten, können unmöglich uns so nahe gebracht haben, es wäre denn, daß die geheimnisvolle Sympathie, welche Seelen unwiderstehlich zu befreundeten Seelen zieht die unsrigen, welche sich gleich erkannten damals schon verbunden / verbunden hätte, das will mir aber nicht ganz einleuchten denn wir standen in Jahren und Ansichten zu ferne und von der liebe will ich annehmen, daß die Individualité unserer Briefe, in denen wir unverholen und ohne Rückhalt Herz, Seele und Gemüth aussprechen konnten, in denen wir uns an dem gegenseitigen Feuer für das Große und Schöne wärmen konnten, das Bündniß stiftete, in dem wir beide uns so wohl befinden. Lass uns verharren auf dieser Meinung, wir können dabei nur gewinnen, und …. auch nicht, wenn wir beim dermaleinstigen Zusammentreffen unsre Persönlichkeiten vielleicht nicht ganz mit den Bildern übereinstimmend finden die wir, nach dem ersten Eindrucke die wie auf einan- der machten gegenseiutig bewahren. Eine solche Reihe von Jahren, wie sie, welche uns trennt, geht nicht ein- mal spurenlos über die Erde, wie viel weniger über ihrem gebrechlichsten Kinde, dem Menschen. Wundern wir uns daher nicht, wenn wir einst, statt des jugendlich heiteren Scherzes, den wir bei einander gewohnt waren ??? Trübsinnsstunden finden, und da wo früher Grübchen der Schalkheit saßen, Furchen des Ernstes sehen, welche die Zeit auch der einst hellen Stimme schickt. Eins theurer, herzgeliebter Andersen, eins wird doch unverändert / unverändert geblieben seyn, unverändert und treu, und jungendlich frisch, - und daran wollen wir uns halten Mein armes Herz laboriert noch immer an dem Schmerze, den die schöne vereitelte Reise in die liebe Heimath zu den werthen Verwandten, zu den theuren Freunden, ihm schlug; es giebt Stunden, in denen ich ein unendlich wehmüthiges Gefühl nicht bezwingen kann, und dann meine ganze Kraft zusammen nehmen muß, nur um mich zu fassen; für den Augenblick sind übrigens alle Aussichten auf eine neue Ausflucht verloren, ich müsste denn mein ganzes hiesiges Verhältnis aufgeben und das verbietet mir jetzt noch meine pecuniäre Stellung. - Du wirst also wahrscheinlich allein durch die Schweiz nach Italien wandern müssen, denn nur zu Hause, unter den Meinigen hätte ich mich dazu einrichten können, indessen werden wir wohl noch häufig in unsern Briefen auf diesen Gegenstand zurückkommen, und ihn fernerhin noch näher Besprechen. Seit dem Sommer, wo ich mir im Seebade eine sehr starke Erkältung holte bin ich wenig gesund geworden; ich litt vorzüglich an einem heftigen Krampf im Gesichte zu / dem sich bald so heftige Schmerzen in den Zähnen gesellten, daß ich oft fürchtete den Verstand zu verlieren endlich ließ ich mir einen Backenzahn heben aber von dem, der es that mit so vielem Ungeschicke, daß er mir neben dem Zahne uch ein Stück von der Kinnlade fortnahm, und ich späterhin eine geraume Zeit unter den Messern meines Arztes zubringen musste. Wochenlang verließ ich das Haus nicht, benutzte indessen die Muße manches liegengebliebene im Geschäfte nachzuholen, und kam einmal eine ganz schmerzens- freie Stunde so verwendete ich sie, um die Dichterrischen Arbeiten zu ordnen, die ich für den 2ten Band meiner Poesie bestimmt habe. Dieser sollte eigentlich jetzt schon erschienen seyn, er wird sich aber wohl noch einige Woche verzögern, unter allen Um- ständen aber noch in diesem Jahre erscheinen, er soll dir darin sogleich zugestellt werden. -

Von deinen Arbeiten lieber Andersen habe ich ausser dem Nicolai Thaarn, den beiden Bänden deiner Poesien, Amagar Reise, und deine Reise durch Deutschland nichts; - bin aber sehr begierig auf die neusten Ergebnisse deiner Muse, und bitte dich inständigst nur sie bald möglichst zu senden. Seitdem Wedersoe sich / sich deiner Bekanntschaft erfreut, hast du durch ihn einen sichern und prompten Weg, zugleich den kürzesten, denn er weiß immer von allen Schiffen die von dort hierher und zurück gehen, aus diesem Grunde ließ ich denn auch diesen Brief wieder an seine Adresse gehen, überzeugt daß er so am sichersten in deine Hände gelangt. Ich freue mich sehr deiner litterarischen Thätigkeit, und würde mich gern bestreben dir nachzueifern, gäbe mir mein Berufsgeschäft nur einige Gelegenheit dazu; ich bin aber leider durch dieses vom Morgen bis zum Abend so aufgenommen, dass oft Wochenlang keine Stunde mir für poetische Arbeiten übrig bleibt; und ich während dieser gewaltsam den Schöpfungskreis unterdrücken und niederhalten muß, der meine Brust füllt. - Wäre es mir so wohl geworden, wie dir du theurer Freund, daß ich meinen Beruf mit meiner Neigung verbinden könnte; ich würde fleißiger mit dem Auftreten meiner poetischen Erzeugnisse seyn, so aber führen Pflicht und Neigung täglich bei mir einen schweren gewaltsamen Kampf, und das / das Resultat desselben ist leider nicht fördernder Natur; daher auch wohl dieser Geist des Ernstes, der in meinen Arbeiten vorwaltend ist, und sich mehr oder weniger immer um das dreht, was ich entbehre, wie um das, was ich besitze. Gieb zu, das dies obgleich bei den Dichtern unsrer Zeit etwas sehr gewöhnliches, doch zugleich etwas sehr unnatürliches ist, und die Bestimmung der Muse ganz verfehlt - Hoffen wir inzwischen auf bessere ihr mehr zusagende Zeiten, die vielleicht nie kommen werden die aber doch ein armes menschliches Herz indem es sie erwartet von einem Tage zum andern hinhalten können, bis es dessen nicht mehr bedarf, und alles zur Reise geht, hoffen und streben, Wünschen und Verlangen. Mit inniger Zufriedenstellung lehren mich deine letzten Briefe mehr und mehr, daß nach dem Sturme der Leidenschaften es ruhiger in deiner Brust wird, und frühere Harmonie und Stille wieder zurückgekehrt ist; Gott erhalte dich dabei, es giebt keinen Segen ohne diese Ruhe des Gemüthes deine Heiterkeit ohne diese Harmonie der innern mit der äußeren Welt, erhalte dir diese, und du bist der Gott in beiden, den nichts erschüttern, nichts herabziehen kann / kann. Zwar liegt es begründet in der menschlichen Natur, dass über die äusseren Verhältnisse nicht im- mer ein gleicher Frühling, nie ununterbrochener Sonnenschein ruhen kann, wechselt doch selbst in den Jahreszeiten der Maj mit dem Norden, und Gewitter mit dem lichtblauen Himmel. Jeder Mensch trägt auch in dieser Beziehung seinen Antheil an der Sorge und den Kümmernissen des Lebens mit sich und hat von Glück zu sagen, wenn dieses nicht zuweilen allzuschwer wird, aber bis in die innere Welt erstrecken sie sich nicht, und wenn der Mensch da blutet, so ist es aus Wunden, die er sich selbst schlug und niemanden hat er dann anzuklagen wie sich selbst, Zugeben will ich dir indes, dass selbst bei den rein gestimmtesten Saiten unsrer Brust ein Gefühl des Alleinseyns wohl trüber Wehmuth uns beschleichen, und einen Wermuthstropfen in der Lebensbahne rufen kann; ich weiß aus Erfahrung leider, dass dem so ist; auch ich habe Augenblicke, in denen ich voll unendlicher Sehnsucht die Arme über das Meer breite, und die Wolken des Himmels herabziehen möchte an meine Brust, damit doch nur etwas daran läge, Augenblicke, in denen ich alles womit das Leben reich beschenkt / hat hingeben könnte für etwas, das ich in Worte nicht zu kleiden vermag; - aber dem Himmel sey dank diese bittersüßen Augenblicke gehen vorüber, und lassen nichts als eine Erinnerung die nicht ohne Reiz ist. Indem ich dir ohne Vorbehalt diese Geständnisse mache wirst du einsehen, dass ich dein Sehnen und dein Hoffen, dein Ringen und Streben verstehe und fühle, als empfände ich es selbst, und kann überzeugt seyn, dass du ein Leben, wie es sich auch für dich, oder für mich gestalte immer eines Platzes sicher seyn wirst, dar an meiner Brust. Halte fest an diesem Glauben, es wird nicht allen so gut, mag denn der Neid schmerzsüchtiger Menschen auch sein Gift ausschütten über dich, oder dich mit seinen Bitterkeiten verfolgen, was will er, was vermag er, wenn du dir selbst treu bleibst. Sey nur sanft und milde Christian und räche dich nicht, räche dich nie, du würdest heraustreten aus deiner Würde und das darfst du nicht!

Grüsse unbekannter Weise deine Freunde Moller und Botlin, sie sind mir lieb, der treuen Anhänglichkeit wegen, mit der Sie an dir hängen. Willst du mir eine Uebersicht der dänischen Litteratur senden, damit ich sie bearbeiten kann werde ich dir danken!

dein treuer Freund Ludolpf

Füge deinen Briefen die Adresse schwedischen Consulats…??? nicht mehr bei, sondern schreibe einfach Ludolf Schley. Libau

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5822-29)