Dato: August 1841
Fra: H.C. Andersen   Til: Eduard Vieweg

Copenhagen, 22 August 1841.

Lieber Hrr: Vieweg!

Nicht nur erst hier in Meiner Heimat, sondern auch erst in diesen Tagen, nach einer kleinen Ausflucht, finde ich Ihr freundliches Schreiben; wenn ich, wie Ihre Bestimmung war, dieses in Leipzig erhalten hätte, würde ich, Ihrer guten Einladung zufolge, ein Paar Tage bey Ihnen haben verweilen können. Allein der Himmel hat es nicht gewollt, und wir müssen die Feder als Sprachrohr brauchen; doch das geht ja auch. Vor Allem grüssen Sie die liebenswürdigen Schwestern und Schwäger, ich hätte Ihnen Allen vieles erzählen können. Mein Aufenthalt in Italien im letzten Winter war gar nicht angenehm; der Winter war ungewöhnlich streng, in Rom herrschten viele Krankheiten, und mich plagten ewige Zahnschmerzen. Nach dem Carneval ging ich nach Neapel; von einem heftigen Fieber überfallen wurd eich vielleich nur dadurch gerettet, dass mir Zu rechte Zeit in die Ader geschlagen wurde. Schon im Februar war ich auf dem Wege nach Sicilien, wo Alles mit Schnee bedeckt war; aber auf Malta war es Sommer wie in Africa; von hier ging ich über das Meer nach den Inseln in Archipelagus. Einen Monat in Griechenland verweilend, reiste ich über Smyrna, die Trojanschen Ebenen, die Dardanellen und das mare di marmora nach Constantinopel. Ungeachtet der schon eingetretenen Unruhe in der Bulgaria wagte ich doch - und es ging gut - von dem schwarzen Meer über Land nach Donau zu reisen; die Donaufahrt führte mich nach der Militair-Gränze, von wo ich nach beendigter Quarantaine die Reise nach der Heimath über Ungarn, Oesterreich u.s.w. antrat. Ich in hier jetzt mit der Ordnung meiner Tagebuchnotizen beschäftigt; eine Reisebschreibung im gewöhnlichen Sinne wird doch nicht daraus hervorgehen; meiner grösste Kraft als Dichter, sagt man gewöhnlich, ist die Natur aufzufassen udn darzustellen; ich will nun mittheilen, was ich gesehen und was mir zugesprochen hat; doch zur Abwechseln für mich und für den Leser wird es in der Form von Bildern, Novellen, Märchen, Arabesken und allgemeine Reiseberichtung hervortreten; wenn diese in der von mir gefolgten Ordnung gelesen werden, glaube ich ein treues und beschauliches Bild von Deutschland, Tyrol, Italien, Griechenland & & dem Leser gegeben zu haben; diese Schrift wird für Deutschland wie für Dänemark gleiches Interesse haben; Sie lieber Freund, besorgen wohl die Deutsche Ausgabe. Ich glaube doch rathen zu müssen, dass dieses Werk erst für sich erscheinen, und nich so gleich als eine Abtheilung der gesammten Schriften. Professor Abrahams hat mir seine Uebersetzung meines Dramas "Maurerpigen" vorgelesen, ich finde die Behandlung sehr gut, und kann sie nur bestens empfehlen. Doch ist dieses Drama von geringerem Werth, wenn es nur gelesen wird; das andere für die Sammlung bestimmte Stück ist ein Operntext, und ein solcher, wissen Sie gehört auch nicht zu den besten Arbeiten eines Dichters; ich bin daher überzeugt, dass dieser Band, in der ganzen Gesammtausgabe der schlechteste werden wird, so wie er der kleinste ist. Es würde daher sehr passend erscheinen, wenn wir in diesem Band meine Biographie anbrachten, ob wir nun dazu die bekannte Jenssensche (in: nur ein Geiger) brauchen sollten, oder eine Neue von Abrahams dazu sollten verfassen lassen; im ersten Falle müssten allerdings noch einige Blätter hinzugefügt werden. Ferner möchte ich gern diese Ausgabe mit einem recht guten Portrait von mir versehen wissen; die früheren alle sind Caricaturen - mit Ausnahme eines von Professor Jensen - ; das beste ist aber jetzt unzweifelhaft in Dresden, wo ich nach Aufforderung von Professor Vogel für die Sammlung da, portraitirt wurde; es ist ausgezeichnet gut gelungen, und eben dieses möchte ich gern als Portrait für die Sammlung gestochen sehen; das Portrait, die Biographie, die 2 genannten dramatischen Arbeiten würden dann einen ganz erträglichen Band abgeben; in den zweiten Band können dann der Improvisator (geben Sie dem Roman den dänischen Tittel); in den dritetn O.T. bis diese fertig waren; könte dann Abrahams seine Uebersetzung von dem "Mulatte" und "Agnete und der Meermann" beschlossen haben; 5te die Kindermärchen u.s.w.

Als wir letzt zusammen sprachen, waren wir darüber einig, dass Jessens Uebersetzungen von: "nur ein Geiger" gut war; da hingegen schulg ich vor, dass alles lyrische und dramatische von Professor Abrahams übergeben werden möchte; bei keinem von diesen habe ich Antheil an dem Honorar; für mich habe ich also nur, was allerdings das wichtigste ist, dass meine Schriften bekannt werden; welche Uebereinkunft Sie, geehrter Freund mit den Uebersetzern getroffen haben, weiss ich nicht, nur so viel kann ich Ihnen sagen, dass ich vor einigen Tagen als es in der Zeitung geestanden hatte, dass eine Gesammtausgabe Meiner Schriften in Deutschland erscheinen würdee, von dem Major Jessen ein Brief erhielt, zwar höflich aber doch übellaunig geschrieben, worin er mich bat, sie davon zu benachrichtigen, dass er nothwendig seine Uebersetzung Wieder durchsehen müsse, und dass Kruses Uebertragung von dem Improvisator mit Danismen überladen sei; sagen Sie mir nur ob ich mich in dieser Sache nur an Abrahams oder Jessen zu halten habe, oder was Sie anders bestimmt haben, damit Alles zu gegenseitigem Vergnügen abgemacht werden kann. "O.T." muss ich selbst durchsehen, denn dieser Roman scheint mir der Nachhülfe des Verfassers am meisten zu bedürfen. Da ich aber kein Exemplar, ins Deutsch, davon habe, so bitte ich Sie mir eines Zu schicken und mich bald mit einigen freundlichen Zeilen Zu versehen.

Ihr freundschaftligst ergebener.

H.C. Andersen.

Meine Wohnung ist: Hotel du Nord in Copenhagen.

Tekst fra: Vieweg-Archive der Universitätsbibliothek Braunschweig