Dato: September 1846
Fra: H.C. Andersen   Til: Mary Howitt
Sprog: tysk.

Liebe, gnädige Frau!

mit wahrer Sehnsucht habe ich einen Brief von Ihnen erwartet, aber keiner kam und ich glaubte dann [overstr: zuletzt], das [overstr: das meinige] mein letzter Brief, so wie das Buch vorher, [ganz und gar] verloren gegangen war; endlich, vor ein Paar Tagen, [overstr: da ich Weimar] auf die Rückreise nach Dänemark, [overstr: da ich] empfang ich in Leipzig ihren liebevollen Brief, der war nach Weimar gegangen und von dort ab mir zugeschicht; meinen innigsten Dank für al die Freundlichkeit, al das Interesse für mich [overstr: da spricht sich] , welche sich durch jede Zeile ausspricht. wie viel Freude und Sonnenschein kann man doch in ein Papier hineinlegen! Leider komme ich dieses Mal nicht nach London, ich bin durch die gräßliche Sommerhitze im Süden [overstr: geistig] zu nerveus und leiden geworden um [overstr: meine Reise] dieses Mal ein Besuch in London recht zu geniessen; ich gehe direct nach Copenhagen. Gleich beim Anfang Ihres Briefes ging ich in eine Buchhandlung und nahm da die deutsche Ueberzetzung des »Bazars«, ein Buch das Sie nicht erwähnt habe und welches, wie ich glaube, noch nicht in England bekannt ist; ich hatte eben bei der Componist Mendelsohn Bekanntschaft gemacht mit die Klavierspielerin Frau von Dulcen, welche gewöhnlich lebt in London und bald [overstr: auch kehrt] aus Deutschland kehrt wieder zurück; der Bazar habe ich die Frau von Dulcen übergeben für Sie, aber ich muss meine Entschuldigung machen, daß das Buch kommt unangezogen, aber dazu war keine Zeit, da ich eben von Leipzig abreisen wollte. Ich bin jetzt ein Jahr vom Hause, die Reise bis Neapel war schön, ein Märchen voll von Sonnenschein. Die Menchen sind mir so gut gewesen, Anerkennung, Ruhm und Freude folgten mir, aber von Neapel bis Schweitz war alles Qval und Leiden, doch allein nur der Sonne wegen; ich habe gelitten wie ein Tantalus, die Sonne saugte mir Mark und Kraft aus den [overstr: Beinen] Gliedern. Eine garstigerer Vampyr als des Sydens Sommersonne kenne ich nicht. Oktober voriges Jahres ging ich von Copenhagen, verweilte einige Tage auf das schöne Gravenstein in Schleswig beim Herzog von Augustenborg, sass ganz heimisch zu Hause in eine befreundete Familie in Oldenburg [overstr: auch vonm Großherzog bewahre ich noch als chöne Eerinnerung von dieser Aufenthalt /eine kostbare Ring]. In Berlin verweilte ich beinahe einen Monath; der König war mir ausserordentlich gnadig; ich war ein Paar Mal eingeladen; auch die Märchen las ich ihm vor in Potzdam, es war ein kleiner Kreis, der König, die Königin und Alexander Humbold [overstr: er war für mich]. Milde Augen blickten mig an, [overstr: alles war so schön] und dann fühle ich mich immer zu Hause. Der König ist ein höchst interessanter, geistreicher Herr, ich habe ihm persöhnlich so lieb gewonnen. Bey den Brüdern Grimm, bei Rauch, bei Bettina, „Savigny" - ja, in allen Straßen sprangen die Thüren auf und ich trat nicht herein wie ein Fremder; ich bin ein Glückskind, ich fühle es! - am längsten verweilte ich doch im lieben Weimar. Der Erbgroßherzog ist mir so innig und gut, er ist edler Mensch, voll des besten Strebens, ich liebe ihm so wie ein Herz lieben kann. Mehrere lieben Freunde habe ich in dieser alten Dichter Stadt; mit Heimwee denke ich immer an Weimar! Auch am Hofe in Dresden, so wie in Wien war ich ausserordentlich gnadig empfangen, in alle Städte fand ich bei Künstlern und Gelehrten einen herzlichen Empfang. Deutschland ist mir wie ein zweite Heimath, ich liebe das schöne Land und das Gemüth in die Menschen da; so viel Sonnenschein ist von da ab in mein Leben hineingeströmt. Eigen ist es auch, dass in diesem Lande, und nicht in meinem Vaterlande, die erste Gesamt Ausgabe meiner Schriften herauskommt; sie wird 25 Bände; die zwei ersten enthalten meine Biographie, die ich selbst diese Mal in Italien geschrieben habe, es ist so geschrieben, dass ich hoffen darf, dass man das Buch selbst ohne Interesse für mich lesen kann. Ich schicke Ihnen dieses, und wenn Sie es übersetzen wollen, da können Sie es auch in einzelne Bogen voraus bekommen. Ueber Triest and Ankona kam ich nach Rom, das dritte Mal im Leben nach Rom! Warum soll auch ich so viel Freude haben [overstr: selsbst] vor anderen Menschen? Ein Monat nur verweilte ich in der herrlichen Weltstadt, die Sonne und die Luft verjagte mich nach Neapel, wo ich in Sorrent und auf die Inseln verlebte schöne Tagen. Mein Ziel aber war Spanien, man sagte mir dorthin zu reisen ginge nicht im / Sommer und am Wenigsten in diesen grasslichen Sommer, aber ich glaubte der Wille seyd stärker als die Sonnenstrahlen; leider verweilte ich gar zu lange in Neapel; die Sonne brannte, die Scirrocco wehte, und zu letzt war ich so angegriffen davon, dass ich nicht mehr ausgehen konnte, nerveus durch und durch, ging der Larm in die Straßen wie ein brausende Struddel durch alle Gliedern, diese Ruffen von die Leute, das ewige Glockengeläuten, mein Nachbar gegenüber, der immer spielte Scala bis in die Nacht hinein, es war um wansinnig zu werden. - Mit dem Dampschiff Castor ging ich Ende Juni nach Marseille; von hier ab wollte ich über Süd-Frankreich und die Pyrenäen nach Spanien; ich wollte, aber es ging nicht! [overstr: da ich] ganz elend kam ich nach Perpignan, [overstr: gabe ich für die] ich mußte die weitere Reise aufgeben, und nur mit Anstrengung erreichte ich die Pyrenäen, wo ich in den kleinen Badeort Vernet, nahe der spanischen Gränze, vierzehn Tage verweilte, nur allein um Luft zu athmen und Kraft zu erhalten, daß es mir moglich werden könnte [overstr: zurück] nach der Schweiz zurückzureisen. - In der Schweitz bin ich ein Paar Wochen und nachher kurze Zeit, bei der Erbgroßherzog von Weimar auf seinen schonen Jagdschloße »Ettersburg«. [overstr: er ging kurzlich mmit seinem Schweiegerfater, nach Schwedens König]

Jetzt ziehen die Herbst Wolken zusammen, die Störke sind fort, der Winter [overstr: fingt an seinen Lied] kommt vielleicht früher als wir erwarten, und darum eile ich gegen Norden, da hoffe ich wieder gestärkt zu werden. [overstr: Nach] In acht Tagen bin ich schon in Copenhagen, da bekomme ich Brief aus London, nicht wahr! Selbst fliege ich kaum dahin früher als in einem Jahre, aber mein geistiges ich, meine Schriften kommen früher, von meinen Gedichten erhalten Sie in Deutschem zwei Bände, ich schicke Ihnen auch hier im Briefe zwei, in einer Abschrift sehr gelungenen im Deutschen, vielleich ziehen Sie meinen Kindern an in englischen Kleidungen, und da weiß ich die kleinen kommen weit herum, so gar über das Weltmehr. - Aus Copenhagen, wenn ich bekomme Brief von Ihnen, schicke ich [overstr: Ihnen] mit Freude, etliche neue Beiträge für Ihrer Herr Gemahls Zeitung, grüssen Sie ihm und wer mir freundlich und gut ist, meinen Gruß Freiligraths Adresse wünsche ich gern zu wissen, grüssen Sie ihn, Frau und Kind auf das herzlichste!

Ihr innig ergebener Freund

H.

Tekst fra: Solveig Brunholm (microfilmscan 13, 1016-18)