Dato: 8. maj 1843
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Bremen den 8 Mai 1843

Den allerschönsten Dank für Ihre schnelle Antwort die mich dieses mal wie Sie denken können noch ganz besonders erfreute und überraschte, da sie uns Ihren nahen Besuch verkündigt; wir erwarten Sie mit Ungeduld, und hoffen nur daß Ihre Pläne in keiner Weise geändert werden. Sollten Sie mir vorher den Tag Ihrer Ankunft schreiben können würde es mir lieb sein. Aber wie wird es Ihnen nach dem großen herrlichen Paris in dem kleinen aidenburg gefallen? Ueberhaupt denke ich mir der Abschied von Paris wird Ihnen schwer werden; grade für den Dichter muß dies vielfach bewegte Leben einen eignen Reitz haben. Dazu haben Sie nun die vielen persönlichen Freunde dort. Doch kann ich mir kaum denken daß Sie in tiefster Seele mit den neueren französischen Schriftstellern harmoniren. Zu einem interessanten Austausch der Ideen gehört aber vielleicht eben eine gewiße Verschiedenheit der Ansichten. Die französische Gastfreiheit, welche Sie so sehr rühmen, trägt übrigens auch wesentlich dazu bei, einem Fremden das Leben dort angenehm zu machen. Ganz begierig bin ich wie Sie im allgemeinen die Franzosen jetzt beurtheilen, mir scheint es als wären sie in einer geistigen Crisis begriffen, woraus entweder erneute Kraft oder Erschlaffung hervorgehn muß. Sie schreiben nichts von dem Drama von Hugo, les Burggraves, wovon alle Blätter voll sind, fast mögte ich daraus schließen daß Sie das allgemeine Urtheil theilen? und daß es Ihnen nicht zusagt. /

Im höchsten Grade interessirt hat mich Ihre Beurtheilung der Rachel, durch Ihre wenigen Worte ist mir ihre ganze geistige und körperliche Erscheinung klar geworden, in mancher Beziehung hatte ich mir doch ein anderes Bild von ihr entworfen,ich dachte mir ihr Spiel machte nur den Eindruck der vollendetsten Kunst, ich hielt sie für kalt und gefühllos, dabei konnte ich mir kein lebenswarmes Spiel denken, aber es muß anders sein, nach dem was Sie mir darüber sagen, bin ich davon überzeugt. Daß Ihnen übrigens im ganzen die französische Art das Drama zu behandeln nicht zusagt, begreife ich, nach Allem was ich darüber gehört, vollkommen, doch sieht man daß es nicht immer die Art ist, welche den Eindruck bestimmt, da die Rachel in derselben Weise spricht, wie alle französischen Schauspieler, was uns bei diesen ganz unnatürlich scheint, ist bei ihr der Gipfel der Vollendung. /

Noch mehr wie die Tragödie würde mich in Paris die Oper interessiren, sie muß wunderbar schön sein. Daß Ihnen, mit dem frischen Gedanken an die Malibran, die Grisi, namentlich anfangs, nicht den Eindruck machte, welchen Sie erwarteten ist wohl natürlich. Die Malibran ist gewiß noch unerreicht. Wie schön ist Ihre kleine Betrachtung in des Dichters Bazar darüber, ihr sind viele Gedächtnißreden gehalten, aber nichts spricht so zum Herzen, wie das was Sie uns geben. Man hat so viel bedauert daß die Malibran so jung starb, und mir hat es immer ein beneidenswerthes Geschick geschienen, so auf dem Höhepunkt der Vollendung scheiden zu müssen. Wie tief ergreifend schildern Sie uns im Improvisator Anunziatas' Geschick, sollte man ihr nicht auch einen frühen Tod wünschen?

Ganz anders ist's aber mit dem Schriftsteller, da kann bis zum späten Alter ein Fortschreiten stattfinden. Kennen Sie etwas von dem deutschen Dichter Immermann, in frappantener Weise habe ich fast mir das geistige Fortschreiten eines Dichters verfolgen können, und er starb im 40sten Jahr - - da finde ich den Tod unbeschreiblich zu beklagen.

Daß Sie in Paris wenig gearbeitet ist schade, aber doch begreiflich; ich denke mir zu solch größeren dramatischen Werk, wie sie es vorhaben, bedarf es ganz besonders der inneren Ruhe und Sammlung, die ist aber wohl bei diesen bunt bewegten Leben mit seinen tausendfach verschiedenen Eindrücken unmöglich. Doch haben Sie gewiß recht daß bei solch momentanen Ferien die geistigen Kräfte wachsen; wenn Sie wieder in der ruhigen Heimath sind, und das bunte Reisegewirr hinter Ihnen liegt, wird Ihnen die Arbeit doppelt lieb sein. -

Seit einigen Tagen sind wir hier, um die Gemälde-Ausstellung, welche manches Schöne enthält, zu sehn. Man hofft hier zuversichtlich daß Sie über hier reisen werden, namentlich freut sich meine Mutter Sie hier zu sehn. In Bremen haben Sie viele warme Freunde! Es ist mir ganz traumhaft, daß ich Sie nun wirklich sehen werde, ich glaube nicht eher daran, bis Sie wirklich bei uns sind. Wenn es Ihnen nun aber bei uns nicht gefällt? ich bin wahrhaftig zuweilen etwas bange, doch nach Ihren Briefen sind Sie grade so wie ich mir gedacht, und dann wird Ihnen auch unsere Häuslichkeit zusagen. Mein Mann so wohl wie ich freuen uns unbeschreiblich daß Sie kommen, in 8 - 1 4 Tagen sind Sie bei uns, nicht wahr?

Eine große Freude haben Sie mir auch durch Ihr kleines Gedicht gemacht, es ist wunderbar lieblich und ergreifend, wie bedaure ich daß ich es nicht in der Ursprache lesen kann. Dies eigenthümlich poetische welches Sie in jede Zeile zu legen wissen, kann doch nur aus der innersten begabten Natur kommen.

Die allerherzlichsten Grüße soll ich Ihnen von meinem Mann sagen, auch meine Mutter läßt schönstens grüßen. Heut schicke ich meinen Brief nur ungern fort, er ist so entsetzlich confus, aber hier läßt sich gar kein ruhiges Schreibstündchen finden; Sie müssen es schon entschuldigen. Unsre Freude über Ihr Kommen müssen Sie doch jedenfalls daraus erkennen. Adieu lieber Freund! Den besten Gruß!

Lina von Eisendecher

Hofrath von Eisendecher, Gartenstraße N. 12. Oldenburg

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