Dato: 1. marts 1848
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Oldenburg den 1 März 1848

Gewiß werden Sie, lieber Andersen, sich mein langes Verstummen garnicht erklären können, seit Wochen will ich täglich schreiben, und immer kommt irgend eine unvermeidliche Störung. So ging es mir auch als Herr von Eg[l]offstein zur Condulenznach Koppenhagen reiste, ich wollte ihm Briefe und ein päckchen Grüße mitgeben, und plötzlich war er einen Tag früher abgereist wie anfänglich bestimmt war, so daß weder Wilhelm noch ich ihn vorher sprachen. Doch nun weiter keine Vorreden mehr, sondern zuerst den herzlichsten Dank für Ihren Brief, und dann meinen besten Glückwunsch zu dem Weimarsehen Falken, dessen Flug zu Ihnen uns die Zeitungen verkündeten; ich weiß daß Sie große Freude daran haben werden, und deshalb freut es mich auch. /

Die traurigen Besorgnisse die Sie in Ihrem Brief über die Gesundheit des Königs ausdrückten haben sich ja leider erfüllt, die Trauer über den Tod Christian des VIII. ist glaube ich allgemein, und Sie haben nun ganz speziell an ihm verloren.

Wie wird es mit den Herzogthümern? überall erheben sich drohende Wolken am politischen Horizont, das furchtbare Beispiel Frankreichs mag nur zu leicht eine Nachahmung in den aufgeregten deutschen Gemüthern finden. Meine größte Sympathie zieht mit der, französischen vertriebenen Königsfamilie. Und wie kann eine solche auf Blut und Leichen erbaute Republik sich halten! es kommt am Ende doch noch zu einer Regentschafft. /

Aber wie komme ich zum politisiren, man ist jetz freilig so damit umgeben daß man kaum etwas anderes denken kann, doch bleibt für uns zur Unterhaltung noch Manches andere Interessante, und da komme ich zuerst zu Ihren vollständigen Werken, die jetz zu meiner größten Freude meinen Bücherschrank schmücken und wofür ich Ihnen nun noch einmal so recht von Herzen meinen Dank ausspreche, sie sind mir ein unendlich lieber Besitz. Von den Gedichten kannte ich schon manche, doch habe ich noch außerdem viel sehr Hübsches darin gefunden, die U ebersetzung scheint mir recht gut. Der Ahasver ist ganz eigenthümlic}l aufgefaßt, die Gedanken und Bilder sind höchst poetisch. Doch merkt man, daß er übersetzt ist, weshalb man ihn eigentlich nie vollkommen beurtheilen kann, wenn man ihn nur deutsch liest. Wie sehr freut es mich daß er Ihnen so große Anerkennung in Dänemark verschaffte, in Deutschland ist es indeßen nicht minder der Fall, wie Ihnen auch schon der Falke vertraut haben wird. /

In letzterer Zeit las ich einige sehr hübsche Kritiken über Sie und Ihre Werke, die Ihnen sicherlich auch Freude gemacht haben würden wenn sie nicht so gar lang wären, würde ich sie Ihnen abschreiben. Den Mulatten habe ich dem Grafen Bucholz gegeben, doch noch keine entscheidende Anwort darauf bekommen, ein Hinderniß für die Aufführung könnte leicht sein, daß ein diesen Winter hier gegebenes aus dem französischen übersetztes Stück sehr viel Ähnlichkeit mit dem Mulatten hat, der Gegenstand ist fast derselbe, und nur die Bearbeitung natürlich ganz verschieden. Ich dächte nun, daß »Vöglein im Birnbaum« gefallen müßte, und habe das deshalb auch dem Grafen Bucholz gegeben. Mit unserem Theater hier sieht es ziemlich kläglich aus, Mosen ist noch immer abwe- send, auf seine Genesung scheint nicht zu rechnen, und krank wird er für die Bühne wenig thun können.

Seit mehreren Monaten ist denn auch Fanny Lewald hier, sie scheint die allgemeine Theilnahme nicht für sich zu haben, ich habe sie nur einigemal gesehn, fühlte mich indeßen wenig zu ihr hingezogen, sie hat nichts Ehrliches und dabei jüdisch aufdringlich. Stahr war natürlich sehr beglückt. Von hier wollte sie ihre Schritte nach Paris lenken, was indeßen unter diesen Umständen leicht unterbleiben dürfte. /

Von allen Beaulieus soll ich Ihnen die herzlichsten Grüße sagen, Edmund freut sich der wahrscheinlichen Kriegs Aussicht, von Alexander sind Gottlob die besten Nachrichten, er schreibt ganz ausgezeichnet hübsche Briefe, wer weiß ob nicht noch einmal ein Schriftsteller aus ihm wird, zu dem gewöhnlichen Geschäftsleben scheint er mir doch nicht zu passen. Von Carl aus Weimar werden Sie direkt gehört haben. Mayers lassen herzliehst grüßen. Die arme J erndorf zieht mit den Kindern im Frühjahr wieder nach Koppenhagen. Die Kinderchen erinnern sich Ihrer noch stets, täglich muß ich aus Ihren Märchen vorlesen, wovon ich Einige buchstäblich auswendig weiß. Noch ein herzliches Lebewohl, für Sie lieber Freund, lassen Sie uns nicht zu lang ohne Nachricht!

Mit immer herzlichster Freundschaft

Lina v. Eisendecher.

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