Dato: September 1854
Fra: H.C. Andersen   Til: Clara Heinke
Sprog: tysk.

Mein edles Fräulein, meine liebe Freundin!

Sie werden mir erlauben, Ihnen diesen Namen zu geben, denn in Wahrheit, so sind Sie mir entgegen gekommen, und ich schätze und ehre Sie auf das Innigste für Ihre freundliche Gesinnung und für die Zeichnungen, die Sie mir gesandt haben, ich wurde freudig überrascht, als ich sie sah, und während ich dieses schreibe, hängt sie in Glas und Rahmen an der Wand zwischen anderen lieben Bildern. Die Zeichnung ist so künstlerisch, so wohl geordnet, und was mich am meisten freut, ich sehe daraus, wie schön meine Dichtungen sich in Ihren Gedanken abspiegeln. Sie haben mich sehr dadurch gefreut, allein um so lebhafter muß ich fühlen, wie sehr ich rücksichtlich des Briefschreibens in Iher Schuld bin, allein ich weiß daß ich mich offen vor Ihnen aussprechen darf, weil Sie mich mit schwesterlichem Sinn verstehen werden. Ich führe, da ich auswärts so viele Freunde habe, einen umfassenden Briefwechsel - ich muß in verschiedenen Sprachen Briefe nach verschiedenen Ländern schicken - in den letzten Jahren habe ich mich weniger dazu aufgelegt gefühlt, obwohl mein Herz gewiß nicht minder warm ist; wenn ich aber einmal das Briefschreiben aufgeschoben habe, dann vergehen Tage und Wochen. Dennoch weilen meine Gedanken bei meinen Freunden, ja in so lebhafter Weise, daß es mir so oft vorkömmt, als habe ich bereits geschrieben, und dann kommt oft gar kein Brief weg. Damit können aber die Freunde nicht zufrieden sein, und nach Jahr und Tag kömmt dann ein förmlicher Bußtag, an welchen ich schreibe und um Vergebung bitte, welche mir diejenigen, die mir recht herzlich wohlwollen, auch sogleich erteilen, und so, wie ich Sie mir jetzt vorstelle, liebes Fräulein, werden auch Sie mir dieselbe nicht vorenthalten.

Erst vor wenigen Wochen bin ich hier zur Ruhe gekommen, ich bin im Auslande gewesen - Anfang März gich ich nach Dresden, verweilte eine Woche dort bei lieben Freunden auf dem Lande, ging dann über Wien, Triest und Venedig nach Tirol und verließ München glücklicherweise ehe die Cholera ausbrach. Der schlimme Gast fängt nun an hier im Norden zu hausen, in Stockholm greift er um sich, und wie frisch auch der Wind über das alte Kopenhagen hinweht, dennoch muß man sich auf seinen Besuch gefaßt machen, doch wenn Gott es will, so verschont er uns vielleicht - ich fürchte mich nicht zu sterben, allein ich möchte doch gerne noch mehr von der schönen Welt kennen lernen.

Ich beschäftige mich gegenwärtig mit der deutschen Ausgabe meiner gesammelten Schriften, welche 22 Bände umfaßt und mit meiner Lebensbeschreibung schließt. So wie Sie dieselbe haben im "Mährchen meiens Lebens" kennen Sie sie nur als Skizze, sie wurde in Briefen von Neapel und den Pyrenäen an meinen deutschen Verleger gesandt, schnell niedergeschrieben und wiedergegeben - und in der Heimat, wo ich Briefe und viele Aufzeichnungen haben, und endlich ein Jahr angewendet habe, um zu ordnen und zu schreiben, wird die dänische Biographie reicher, lebendiger und sicher dadurch, wenn ich dieses sagen darf, interessanter werden.

Ich darf vielleicht annehmen, daß sie auch in deutscher Übersetzung herauskommt, und dann, liebes Fräulein, sollen Sie eine der Ersten sein, welche sie bekömmt. Ende Mai nächsten Jahres wird die dänische gesammelte Ausgabe vollendet sein und wills Gott, daß ich dann lebe und gesund bin, so fliege ich wieder uas und lege dann meinen Weg über Breslau, um Ihnen persönlich meinen Dank für die Teilnahme, welch Sie für mich als Dichter an den Tag legen, zu bringen.

Zu Weihnachten wird bei Lorck eine illustrierte Ausgabe von den Historien erscheinen, obgleich Sie dieselben bereits kennen und selbst so schön wie irgend Einer sie in Bildern lebendig zu machen verstehen werden Sie mir doch erlauben, daß ich Ihnen, sobald das Buch die Presse verlassen hat, ein Exemplar sende.Brev - -

Da ich Freunde in Ihrer Umgebung habe, so bitte ich, Selbigen meinen freundlichen Gruß zu bringen. Sie selbst bitte ich, wenn Sie eines Tages in der Stimmung sind, mir ein Briefchen wieder zu geben, ich werde dann früher als dieses Mal Dank und Gruß senden.

Und nun segne und erfreue Sie Gott! Möchte der Winter Ihnen frohe Tage bringen.

Ihr herzlich ergebener H. C. Andersen

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