Dato: August 1845
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Olivier von Beaulieu-Marconnay
Sprog: tysk.

Lieber Hr von Beaullieu!

Wie Sie wissen, fällt es mir so schwer, deutsche Briefe zu schreiben, und darum wird es immer aufgeschoben mit den Schreiben, aber die lieben Freunde in Deutschland sind immer so lebendig in meiner Erinnerung, ich fühle bisweilen mehr Sehnsucht nach dem Land und den Geliebten da. Jetzt ist bald ein Jahr vergangen, seit ich in Weimar war, seit ich so viel Gute und Freundschaft von Ihnen empfing; o ich habe immer lebhaft und innig an [overstr.: Ihnen] Sie gedacht, und ich denke daran, und ich freue mich daran, Sie wiederzusehen, Ihnen die Hand zu reichen und zu sagen, wie Lebhaft ich Ihre Freundschaft für mich fühle, ich freue mich daran, [overstr.: daß ich] Ihnen eine neue Samlung Mährchen, in eine guten Uebersetzung bringen zu können und viel aus meinem eigenen Lebens-Mährchen erzählen zu können. Der letzte Winter in Dänemark war so schön, so echt nordisch, der Sund, vier deutsche Meilen, war wie ein großer Eisfeld und Schweden und Dänen, zu Fuß und auf Schlitten machten einander Wesitten; ich fühle mich so lebensfroh, meine Muse war verschwenderisch mit Mährchen, Lieder und dramatische Sachen; mein Mährchen-Komedie "Die Glücks Blume" ging gut über die Bühne und mit alle meine Arbeiten hatte ich Anerkennung und Freude wie nie früher. Mit den neuen Mährchen "Tannenbaum" und 2die Schneeköniginn", habe ich Heibrg gewonnen; ein Glücksstern steht über mich und meine Schriften, der Improvisator ist jetzt in Russisch, Hollandisch und Englisch übertragen, und macht Glück; ich habe mehrere englischen Journäle durchgelesen, und fühle mich überrascht und froh bei den ungewöhnlichen guten Aufnahme die meine Schriften in England finden. Der König ist mir sehr gnädig und gut, ich / hatte früher, so wie Øehlenschager und Heiberg etwas bestimmtes von den Finanzen, der König hat aus eigenem Treibe die Summe vergröß, bis 400 preusischer Thaler jährlich [ = 25.4., Brev ] . - Ohne Amt und Stellung, selbst wenn ich auch nicht mehr arbeiten kann, steht die Zukunft doch nicht länger düster, des Gelds wegen. Das Leben ist ein wunderfoll, schönes Mährchen, mit Sonnenschein, Liedern und Freunden und die Freunde sind nächst nur in Dänemark, aber in Deutschland, in Schweden, weit weit herum. In Kopenhagen ist Alles Fest und Freude, der König von Preußen ist da und in der künftigen Woche kommen die Studenen aus Norwegen und Schweden; es muß sehr lustig da sein, ich konnte es doch nicht abwarten, die Buchenwälder blühten, der Sommer war mit Storch und Schwalbe auf dem Lande, und so fuhr ich erst nach Nÿsø, wo ich früher schöne Tage mit Thorwaldsen verlebte, und jetzt nach Bregentved bei den Finantsminister Moltke, den schönsten Eigenthum im Lande, die ganze Anlage ist sehr verwandt mit Belvedere bei Weimar, Alles ist großartig und schön, und bei der liebenswürdigen Familie so heimishc und gut; von hier gehe ich über die Inseln nach Jütland, & 31 Juli wurde in Skanderburg das Monument der verstorbenen König Fred: VI enthüllt, ich habe die Kantate geschrieben und bin eingeladen; im September feiern der Herzog und die Herzogin von Augustenburg Ihre silberne Hochzeit, ich gehe dahin und wandere zurück nach Kopenhagen so ist der Sommer, will's Gott, frisch und schön in einem Vaterlande dahingeflogen und ich denke daran, daß ich in November nach Deutschland komme, einen Monath verweile ich in Oldenburg bei Eisendecker, gehe dann über Berlin und Dresden, und wie ich hoffe, im Anfang 1846 / sehen wir uns in Weimar. Grüßen Sie doch innig und herzlich den lieben alten Kanzler Müller, die Frau von Groß und alle edlen, geliebten Freunde. Durch die Zeitungen habe ich erfahren, daß Eckermann ist nach Hannover gegangen und als Vorleser bei dem Kronprinz angestellt; sagen Sie mir doch, gelegenlich, die Adresse Ihres Bruders, ich weiß er ist in Berlin, aber seine Adresse ist mir verloren gegangen, sonst wollte ich schreiben. Bringen Sie mir in freundliche Erinnerung bei der Grafinn Egloffstein. Die Baroninn von Decken hat mir eine lange, mutterlichen Brief zugeschrieben, und ich liebe [oversr: sehr] die alte, gute Dame sehr. Erfreuen Sie mich mit einigen Zeilen, meine Adresse ist immer an Konferenzrath Collin in Kopenhagen.

Leben Sie froh und Glücklich

ewig und immer Ihr

treu ergebener

H. C. Andersen.

N. Sch.

Hier ist noch Platz für ein Lied, und ich gebe eins als Morgengruß

Die Rose (übersetzt von H. Zeise)

Du lächelst an der Hecke grünen Pfaden,

Wie Engel lächelten dem ersten Paar;

Im Morgenthau sich rings die Blumen baden,

In deinen Kelch glänzt ein Tropfen klar.

#

Ist's ein Zähre, die ein Elf vergossen,

Weil Du so schön, und dennoch sterben mußt?

In Jugendfülle die Blätter halbgeschlossen,

So träumst Du an der Erde warmer Brust

#

[langs kanten:] Der Erbgroßherzog ist noch immer in Frankreich?

Was träumet dir? Dein Traum kennt keine Schmerzen

Lieb' ist dein Leben, deine Seele Duft

Dein Ganzes gleicht dem sel'gen Dichter Herzen,

Den Himmel siehts, wo Andere sehen Luft

H. C. Andersen

[Udskrift:] Hochwohlgeb. Herrn Beaulliu de Marconnay

Kammerherre und Referendar

bei S. H. d. Großherzog

zu Sachsen Weimar Eisenn[ach]

[med anden skrift:] ug, Orthografi: gx

Tekst fra: Solveig Brunholm (microfilmscan 13, 83-86)