Dato: 3. juni 1843
Fra: Wilhelm von Eisendecher   Til: Neue Blätter für Stadt und Land
Sprog: tysk.

Oldenburg. - Die vorige Woche weilte der rühmlichst bekannte dänische Dichter H. C. Andersen auf seiner Rückreise von Paris nach Copenhagen bei uns und erfreute Alle, die bei dieser Gelegenheit seine Bekanntschaft machten oder erneuerten, durch seine ausgezeichnete und liebenswürdige Persönlichkeit. Andersen scheint zu den seltenen Menschen und besonders zu den seltenen Dichtern zu gehören, die, vollkommen mit sich einig, in heiterer Unbefangheit sich die reine Kindlichkeit des herzens bewahrt haben, und dabei doch von einem ernsten, großartigen und rastlosen Stgreben nach dem öchsten und besten getrieben werden. Bei wenigen Schriftstellern trifft auch die innerlichste Persönlichkeit so ganz mit dem Bilde zusammen, welches man sich davonnach ihren Schriften zu entwerfen geneigt ist, als dies bei Andersen wirklich der Fall ist. In seinen Werken sowohl als in seiner Individualität ist Alles ein ungestörtes Ganze und nichts Gemachtes; daher mag denn auch der eigenthümliche Zauber kommen, den beides ausübt. Seine Werke finden auch in Deutschland immer allgemeinere Anerkennung, und es kommt gegenwärtig eine deutsche Gesammt-Ausgabe derselben bei Vieweg in Braunschweig heruas, wovon bereits die ersten drei Bändchen (Eines Dichters Bazar) erschienen sind, und die etwa aus 16 bis 18 Bändchen bestehen wird. Seit mehreren Jahren schon ist Andersen mit den Vorstudien zu einem Größeren episch-dramatischen Gedichte Ahasverus beschäftigt, von dem, so viel sich aus dem großartigen Plane und einigen bereits ausgeführten Parthien schließen läßt, etwas Bedeutendes erwartet werden darf. - Die freundliche Aufnahme, welche dem Dichter hier von vielen ausgezeichneten Männern zu Theil gewordenist, muß ihm ein erfreulicher Beweis sein, daß er auch bei uns in hohem Grade gewürdigt und anerkannt wird.

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