Dato: 21. januar 1855
Fra: H.C. Andersen   Til: Salomon Hermann Mosenthal
Sprog: tysk.

Kopenhagen, 21. Januar 1855

Hochgeehrter, lieber Herr Mosenthal!

Im October erhielt ich Ihren freundschaftlichen brief mit einem Exemplar vom "Sonnwendhof", welches Sie mir so vertrauensvoll zur "freiesten Benutzung" übergeben. Ich hätte Ihnen vielleicht augenblicklich schreiben und meinen Dank aussprechen müssen, aber ich war so interessirt für Ihre dichterische Arbeit, ich hatte eine solche Lust, dieselbe sofort in Angriff zu nehmen, daß ich mich der Überzeugung ganz hingab, dieses wirksame Interesse würde mehr sagen, als ein Brief. Mit wahrer Freude hatte ich dieses Ihr Geisteskind aufgenommen und ich darf glauben, was auch hier im Lande anerkannt wird, daß ich dasselbe in dänischer Sprache so wiedergegeben habe, wie Sie es selbst in dieser Sprache gedacht haben würden. Fast nichts ist ausgelassen, dagegen habe ich - nach meiner und der allgemeinen Meinung - zum Nutzen des Stückes bei uns und auch mit Rücksicht auf die Volksbühne einzelnen Stellen eine Art Erklärung durch eingelegte Chöre und Gesänge gegeben, zu welchen ich besonders Volksmelodien benutzt habe. Sobald ich mit Ihrer Dichtung fertig war, las ich sie selbst dem Director und den Schauspielern vor, und ich kann Ihnen versichern, daß sie mit einem Interesse, einer Liebe aufgenommen wurde, die sich während aller Proben und der Vorstellung als echt erwiesen. Da das Stück nun die erste Novität sein sollte, womit man die diesjährige Saison zu eröffnen gedachte, so wollte ich nicht, da ja bereits mehrere Wochen verflossen waren, Ihnen schreiben, bevor ich Ihnen Nachricht über die Aufnahme beim Publicum bringen konnte. Eine neue Dekoration, die gemalt werden mußte, dann das Musikarrangement und einige Krankheitfälle veranlaßten, daß die erste Aufführung etwas verschoben wurde; aber am letzten Mittwoch gab man "Den Sonnwendhof" der unter dem dänischen Titel "Eine Dorfgeschichte ("En Landsbyhistorie"), der für die Menge hier verständlicher ist, zum ersten Male. Das Casinotheater faßt gegen 2500 Personen und alle Plätze waren besetzt. Die Königlichen Prinzen, wie der Landgraf Wilhelm von Hessen, der Prinz Friedrich Wilhelm und der Erbprinz Ferdinand hatten sich zur ersten Vorstellung Logen einrichten lassen. Das Stück wurde von Allen mit besonderem Interesse verfolgt und wurde durchgehends und besonders am Schluß mit ungewöhnlich großem Beifall aufgenommen. Eine junge vortreffliche Künstlerin debütirte hier als "Monica" und trug durch ihr durchdachtes und gutes Spiel sehr viel zu dem guten Resultat bei. Zwei der ersten Talente hier, Herr und Madame Rosenkilde, waren ganz vorzüglich und unbedingt spielten alle die Anderen ihre Rolle gut. Und auf gleiche Weise wurde das Stück in allen Zeitungen, die ich gelesen habe, beurtheilt; es wird als eins der allbedeutendsten und besten, die in Deutschland währen der letzten Zeit entstanden sind, hervorgehoben. Der Name Mosenthal hat daher einen guten Klang hier in Kopenhagen erhalten, und ich darf hoffen, daß das Stück bald auch nach Norwegen und Schweden gelangen wird. Sobald es auf dänisch nach meiner Wiedergabe gedruckt ist, werde ich Ihnen ein Exemplar senden; es wird Sie doch interessiren zu sehen, wie viel Sie von der dänischen Sprache werden verstehen können, jetzt, wo Sie den Inhalt und die Worte im Original kennen. Daß man es hier lesen kann, wird Ihrem Wert bei uns noch mehr Anerkennung verschaffen, was Sie in so hohem Grade verdienen, und ich fühle mich ganz besonders belohnt, indem ich eine Arbeit bekannt und geschätzt sehe, so wie ich selbst sie bei meiner ersten und einzigen Bekanntschaft draußen umfaßte.

In der Schlußscene habe ich Anna ein brennendes Holzstück vom Herde ergreifen und Matthias damit beleuchten lassen, wodurch die Erinnerung an die Feuergesangs-Schmiede für beide noch klarer wird, und diese Neuerung hat sich bei der Aufführung als schön und ergreifend erwiesen.

Den Anschlagszettel zur ersten Vorstellung sende ich unter Kreuzband, den Sie sicher gleichzeitig mit diesem Brief erhalten.

Das Urtheil des Publicums und die Beurtheilung der Zeitungen sind für Sie nach Verdienst besonders ehrenvoll und anerkennend, und ich bin erfreut, meinen Landsleuten ein so hoch interessantes und dichterisches Werk wie "Der Sonnwendhof" gezeigt haben zu können. Durch meinen Buchhändler erlaube ich mir, Ihnen einige von meinen Schriften in der deutschen Ausgabe zu übersenden.

Ihr Freund

H. C. Andersen

Tekst fra: Solveig Brunholm