Dato: 26. januar 1861
Fra: H.C. Andersen   Til: Emma Brenner, f. Kron
Sprog: tysk.

Kopenhagen 26 Jan 1861.

Liebe, vortreffliche Frau Doctorin!

Wie schön, wie herzensgütig, ganz und gar wie ich, nach meiner Auffaßung von Ihnen, erwarten konte, daß Sie mich mit einem Brief erfreuen und den lieben guten Amberger mitschleppen wollten; ich dachte wohl daran, daß er kein fleißiger Briefschreiber wäre, aber ich kenne schonn [!] sein Herz, ich glaubte und glaubt fest und gewiß auf seine Liebe und Treue. Weinachten sollte ich die beiden Briefe, die Ihrigen und Ambergers haben, aber durch den Eistransport diesen strengen Winter, sind sie sehr später als sonst, eingetroffen; erst vor 10 Tagen habe ich sie erhalten, und eben erst heute habe ich Zeit Ihnen zu danken und beantworten.

Mit größter Theilnahme laß ich / daß unser lieber Amberger sein Geld aus Russland erhalten hat, 3000 fr! wie schön und recht! Sein Streben und Schaffen in der Kunst gelingt, wird verstanden und belohnt. Sagen Sie ihm recht meine Freude, meine Theilnahme, aber eben so lebhaft füllt mich was Sie, liebe Frau Dochtorinn, über sein hausliche Zukunft schreiben. Er hat in sein Schreiben an mich, kein Wort davon erwähnt, sonst hätte ich an ihn selbst darüber geschrieben. Ich kenne diese Angst, daß der Verlobungs Ring [overstr.: kein] ein Glied einer Kette werden kann; auch der Gedanke kann unser Führer sein: "vermag ich sie glücklich zu machen? Sind wir ins Leben, in Freuden und Leiden für einander geschaffen?" Aber es ist gewiß auch ein Unglück, wenn man älter wird, allein in der Welt zu stehen, man hat kein rechte/ Heimath in der Heimath. Ich bin schon 55 Jahren, aber im Geiste und Gefühlen, bisweilen wie ein Mann gegen die dreiziger, ich habe Erkennung genug im Vaterlande, im Auslande, ich habe so viel daß ich ohne Sorgen leben kann, werde beinahe ubergeschützt und verehrt, und doch - doch bin ich gar nicht glücklich, ich leide, ich sehne mich, ich fühle mich einsam, und wenn ich verheiratet wäre, glücklich verheirathet, so wie ich denke und wünsche daß mein lieber Gustav es sein sollte, wäre ich vielleich glücklich! Sagen Sie ihm wie schwer, wie einsam das Leben des Hagestolzes ist, - aber doch, - nie darf man heirathen ohne Liebe, damit man sich selbst in der Einzige vergißt. Leider kann ich mich nicht so recht in / einer mir fremden Sprache ausdrücken, aber lesen Sie mit dem Herz und Sie finden den Sinn heraus. So oft denke ich noch an die schönen Stunden in Basel, lebhaft stehen alle Erinnerungen mir vor: die heiteren Augenblicke am Mittagstische wo der Hr Gemahl bei uns war, und so lieb und theilnehmend auf mich hörte, die Kinder, ja mein kleiner Freund Karl der Große, ich höre sie, ich sehe sie! grüßen Sie herzlich und innig, wie auch den lieben Nachbarn; Ich habe das Paquet mit "Lekerli" nach Kopenhagen für die hiesigen Freunde gebracht, die haben die nordschweizer Kucken gekostet und wir haben dabei, über diese und über noch schönere und liebere Sachen im Alpenlande gesprochen. /

Sie wissen ich ging aus Basel nach Stuttgart und verlebte dort im Hause bei Buchhandler Hoffmann und Familie, wo unser theure Amberger mich ein- geführt hatte, und mit ihm, schöne Tage; In München, wo ich von dort hin kam, wurde ich krank und erkaltet und febril resite ich gegen Norden; sehr leidend kam i[ch] nach Dresden, bei Freunde, die mich wie einen Verwandten lieb haben; wurde von der Familie Major Serres gepflegt und gefeirt und erst nach vier Wochen ging es über Hamburg, durch die Herzogthümer nach ein Herrnhof oder Rittergut, 14 Meilen von Kopenhagen; dort am Ufer der Ostsee bin ich auch Weinachten geblieben und erst jetzt in Januar habe ich in der Hauptstadt, auf unserem schönsten Promenaden-Platz, wo die Dampfschiffe anlegen, eine freundliche Wohnung erhalten, aber seit ich kam auf vaterlandschen Boden, / habe ich sechs neue Märchen geschrieben. Weynachten bekam ich aus München einen schönen Kupferstick der "den Engel" vorstellt nach einem meiner Märchen, von Kaulbach. Er liebt die Märchen und ich hoffe durch ihn, einmal einige Bilder für des Schlammkönigs Tochter zu erhalten. In Genf und Paris sind auch einige von meiner neuster Märchen: Fantasies danoises" herausgekommen. Der Winter bei uns ist streng, Alles liegt mit Schnee und Eis, darum habe ich auch das Märchen "Der Schneemann" geschrieben; nur mit Eiskahne kommt man über den Belt, eine sehr beschwerliche Fahrt darum gehen die Briefe nicht so schnell wie sonst. Grüssen Sie Ihren vortrefflichen Gemahl, die lieben Kinder, die Nachbarn, wo ich sehr schöne Stunden verbrachte. Viele Grüße nochmals, von vollstem Herze meinem sehr geschätzten, theueren Freund Amberger.

Ihr Dankbar ergebener

H.C. Andersen /

[udskrift:] Wohlgebohrene Frau Doctorinn Brenner in Basel

Tekst fra: Solveig Brunholm