Dato: 6. december 1828
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Mein teurer Freund!

Unsere Briefe haben ein eigenes Schicksal; sie durchkreuzen sich immer und führen dadurch manche Unbequem- lichkeit herbey. - Während deß ich Ihren langen, gewichtigen, und Inhaltsreichen Brief vom 26 Augt . empfing, und mich in meiner Krankheit herzlich über den ermunterten Ton, über die erheiterte Verfassung dieser Zeilen freute, wird Ihnen mein rief vom 20. Sept. zugekommen sein, und Sie aus diesem meine Ansicht über Sie und Ihre nächste Zukunft entnommen haben; ich will daher diesen Punkt heute nicht weiter berühren, sondern nur wiederholen, daß Ihr Schicksal mir immer nahe liegen wird, daß ich daher jetzt mit Ungeduld Ihrer Briefe entgegensehe, um von Ihnen zu erfahren, wie sich Ihr gegenwärtiges, ich meine Ihr Examen entschied, und welche Entschlüsse von Ihrer Seite es herbeygeführt hat. Ihr Examen ist ja augenblicklich die Axe um welche sich alles dreht; aber im schlimmsten Falle, doch noch immer kein Wendepunct im Leben, sondern höchstens ein aus dem Auge gerücktes Ziel, dem mit verdoppelter Kraft nachgegestrebt / werden muß; es soll jedenfalls Grund- Satz im Leben sein, das mit klarem Geiste, mit der ruhigen Überzeugung von seiner Nothwendigkeit aufgefasste, nie aus dem Gesichtspunkte zu verlieren, sondern trotz aller Einwürfe trotz aller Hinderniße mutig darauf loszugehn, und lieber zu unterliegen, wie das Ziel aufzugeben; Ausdauer und Kraft, vorzüglich moralische Kraft werden zwar dafür erfordert, aber ohne diese, giebt es kein Besitzthum, wenigstens kein gegen die Wandelbarkeit sicheres. Bey dem gerechten Geize mit dem Sie haushalten mit Ihrer Zeit, erwirbt sich Ihr 12 Seiten langer Brief meinen herzlichen Dank, ich fühle im Innern meiner Seele, daß ich Ihnen lieb und werth seyn muß, da Sie unter Ihren Bedrängnissen sich die Zeit nahmen, sich mit mir zu unterhalten, und Ihren Studien gewaltsam einige Stunden raubten um sie mir zu schenken; das Gefühl, unter ähnlichen Umständen eben so gehandelt zu haben, läßt sich bey mir nicht unterdrücken, und möge hier ausgesprochen stehen als ein Beweis, daß ich Ihrer Anhänglichkeit werth bin, und ihr zu entsprechen mich bemühe. Bauen Sie immer auf mich, mein theurer Andersen, an meiner Brust soll Ihr Ruder immer einen zuverlässigen sicheren Grund finden. /

Ihre verschiedenen Briefe habe ich neben den Büchern nun ale richtig bekommen, auch die letzten welche Sie mir von Gyldendahls schickten, es fehlt jetzt nur, die schwedische Uebersetzung der Afzeliusschen Edda, denn nur den Band mit dem isländischen Texte habe ich empfangen. Dieser ist also entweder unterwegs verloren gegangen oder auch gar nicht abgeschickt - das Isländische kann mir aber ohne das Schwedische nicht helfen, ich bitte Sie daher mir letzteres noch einmal bey Gyldendahls zu bestellen, und diesen Herren zugleich anzuzeigen, daß ich im Anfange des nächsten Jahres an sie selbst schreiben, und meinen kleinen Schuldbetrag anweisen würde. - Auf Oehlenschlägers Schriften habe ich jetzt noch keine Lust zu subscribiren, ich kann sie ja späterhin noch kaufen. Ihre Laune ist übrigens köstlich, sie entzückt mich doppelt, denn sie giebt mir die frohe Gewißheit, daß Sie in sich voll guter Hoffnungen sind, und der Zukunft ruhig entgegen sehen; - Ihr Commentar zu meinem Hochzeitsgedichte amüsierte mich überaus, auch Ihre Parodie über meine Redephrasen ist Gold werth und nicht zu bezahlen, spannen aber doppelt mein Erwarten, auch da(s) Erscheinen Ihrer Fußreise durch Amagar; ich bedinge es mir, daß Sie sogleich nach deren / Erscheinen mir ein Exemplar davon senden, und mir so Gelegenheit geben, mich Ihres schönen humoristischen Talents zu erfreuen. Die Erscheinung des rezensirenden Ungeheuers am Ende des Stücks ist höchst genial, und krönt Ihre Arbeit auf eine entsprechende Weise. Warten Sie ja nicht zu lange mit dem hervortreten. Ich glaube das Erscheinen dieser Arbeit, wird nicht ohne Einfluß auf Ihre Zukunft seyn. die beyden Grundbedingungen jedes poetischen Gefühls, - Freyheit, und Wärme sprechen sich klar darin aus; Sie leuchten nicht allein mit Ihrem Lichte, Sie erwärmen auch, und erfüllen dadurch jede an Sie gerichtete Forderung doppelt. Wenn ich die einzelnen Episoden Ihres Briefes durchlese, so ist es mir als sähe ich mich selbst in dem Spiegel der Vergangenheit. Auch ich habe einmal so geschwärmt, so gefühlt so getrauert wie Sie, ich habe aber männlich gerungen, und darnach gerungen emporzustreben, und klar zu werden mit mir selbst. - Ich fing damit an meine Poesie hinüberzuführen in meine Verhältnisse, ich lebte mehr poetisch, als ich dichtete - und gelang so dahin mein Äußeres mit dem Innern harmonisch zu verschmelzen, und mehr, wie gesagt als Dichter zu / zu leben, denn als Dichter zu phantasiren, ich floh vorzüglich allem Dunklen, Geheimnissvollen, und suchte ein weichliches Gefühl der Schwermuth zu unterdrücken, dem sich der Jugendsinn des Dichters so gerne hingiebt; wir gauben, daß jeder kleinste Kampf mit dem Schicksale, oder die geringste Entbehrung eines unwesentlichen Gutes uns berechtige auszubrechen in Klagen Weil wir vor vielen anderen auf den Mitteln begabt sind sie in ein romantisches Gewand zu kleiden; Aber solche Empfindungen sind die gefährlichsten Irrlichter auf dem Wege der Poeten, sie „Die in ihren Schmerzen uns erweichen, statt der Wahrheit frischer Phantasie; führen uns durch ihrer Ladung Zeichen, Nur zu des Gefühles Nebelreichen; Zu dem Sonnenland der Thaten nie! und lassen uns nichts zurück, als Reue und Leere; Und doch ist der Drang zum Geheimnißvollen, so natürlich bey dem Menschen, er selbst ist das geheimnißvollste Räthsel, das umhergeht in der Natur, wie sollte er sich nicht hinüber neigen zu dem, was ihm am verwandtsten ist? Da aber liegt der Knoten; nur die Welt des Körpers ist räthselhaft, - die des Geistes ist klar wie das ewige Licht / der Sonne, und nichts dunkles ist in ihr, und nichts räthselhaftes, obleich wir in der Körperwelt, das wohl oft vermeinen. Darum ist etwas dunkel gesagtes, auch immer dunkel gedacht und gefühlt - Mit dem klaren Gedanken (sagt Vater Tegnér) wird das klare Wort ihn auszusprechen geboren, das Eine ist ohne das Andre nicht denkbar; - und wie wahr, wie sehr wahr hat er in dieser Behauptung! Und wenn Sie darzugeben, also den Grund des Uebels kennen lernen, wäre denn nicht das Mittel leicht zu finden, wodurch ein Uebel gehoben würde, das eben so tief bey Ihnen wie bey allen Ihnen ähnlichen Naturen liegt. Ihre Stellung zu Bagger wundert und überrascht mich nicht; ich habe schon ähnliche gekannt; - Schwerer ist die Antwort auf die Frage zu finden, wie jene abzuändern seyen. Jedenfalls kann eine Veränderung Ihrer gegenseitigen Lage nur aus ihrer eigenen Eigenthümlichkeit hervorgehen; ich habe auch die Ueberzeugung, daß es so geschieht. Wie Sie mir Ihren Freund schildern, edel, männlich, hörig, wird er ja einsehen, wie schön und rein das Gefühl ist, das Sie zu ihm führt, und selbst mitten in den Zerstreuungen der Welt, den großen Werth desselben erkennen, und wenn / er diese Empfindung verdient, sie erwiedern. Aber auch nur in solchem Falle, mein lieber Andersen; Freundschaft ist eine Zwillingsblüthe, die sich nur im Strahle eines erwärmenden Gefühles entfaltet; die entweder geschenckt, oder durch Verdienst erworben seyn will; Vergessen Sie aber nicht, mein theurer Andersen, daß jedes Gut, wäre es auch noch so theuer, das uns aufgedrungen wird, seinen Werth verliert, - und in unsern Augen geringer wird. - Führt daher ein freies wahres, gegenseitig gleich warmes, gleich aufrichtiges Gefühl sie nicht zusammen; - so geben Sie den Gedanken lieber auf in Bagge denjenigen Gefunden zu haben, der als Ihr Freund mit Ihnen durch das Leben gehen, und jede Wandlung des Geschickes mit Ihnen ertragen soll. - Bezahlen Sie eine kurze Täuschung lieber jetzt mit dem leiseren Schmerze des Mißgriffes, als später den verletzten Glauben, mit einer Härte gegen die Menschen; - - doch ich gehe vielleicht zu weit, und sehe Gespenster wo keine sind; - mir ist überhaupt Ihr Verhältnis zu dem Oftgenannten, dunkel und unklar, ein Mißgriff also verzeihlich; - Jedenfalls risquiren Sie nichts wenn Bagge, ein edler und guter Mensch ist, einem solchen ist leicht Vertrauen! / Sehr erfreulich ist mir der Umstand, daß Sie in der alten Demoiselle Wulf eine Richterin Ihrer Arbeiten fanden, und dem Einflusse den das Urtheil dieser jungen Dame auf Sie übt, folgen leisten. In allem Practischen hat das weibliche Geschlecht einen überaus feinen und richtigen Tact - Madem. Wulf bekundet den ihren, durch die Sicherheit mit der sie sich für Ihr humoristisches Talent entschied; Frauen pflegen einem solchen gewöhnlich nur widerstrebend zu huldigen, wie richtig und treffend muß daher die Einsicht dieser jungen Dame seyn; sagen Sie ihr doch unbekannterweise, daß ich hier aus dem Stegreife einen Vers für sie schreiben und ihr damit meine Huldigung bringen will. „des Liedes Heimath ist der Frauen Brust; dort nähren sie mit ungetrübter Lust, Mit zarter Sorge seine heilige Flamme; Sie haben seinen tiefsten Sinn durchschaut Nur ihnen hat der Genius vertraut: daß er des Himmels reinstem Licht entstamme“ Nun, der Vers ist so übel nicht, Sie können ihn also getrost das nächstemal vorlesen, und auch für mich um ein Urtheil nachsuchen, ich versichre daß ich mit aller Ergebenheit mich ihm unterwerfen will. —

Irrten Sie nicht, - mein theurer Andersen, als Sie nur in der Absicht eine Laune zu finden / so tief sahen in ein paar blaue Augen, die, als sie sich schlossen für Sie, Wasser brachten in die Ihrigen; um etwas vergängliches weint ein Sängerjüngling nicht, auch nicht um etwas geringes denn alles was dahin schlägt, bleibt ferne von ihm und seinem Gefühl nur was er aber einmal umfaßt hat mit reger Wärme, das wächst zusammen mit seinem Herzen, und nur mit ihm, oder wenigstens mit einem Stücke davon läßt es es sich wieder herausreißen. Armer Freund, also so frühe schon statt einer Rose, einen Dorn der Liebe! Nun getrost, auch dieser Stich wird narben, wie alles Andre, auch die Narbe spurenlos vergehn, aber das süße Gefühl des ersten Hinüberneigens, des zarten Anschließens wird bleiben, und Ihnen in späteren Tagen noch oft den Zauber des ersten Erwachens vor die inneren Augen gauckeln! Die Beschreibung Ihrer einfachen Lebensart Ihrer Umgenung und Ihrer Phantasie in dem kleinen, beengenden Raume Ihrer Behausung zu dem bisweilen ein banger Ton von der Straße hinaufklingt, zu dem hinab aber immer die Augen des Himmels schauen, und Ihre Gedanken und Empfindungen zu sich ziehen, hat etwas überaus reizendes; ich habe die Stelle so oft gelesen, daß ich mit Ihnen in Ihrem Stübchen heimisch geworden bin, und / mit Ihnen schwärme und Dichte; ich weiß aus Erfahrung wie lieb und theuer ein kleiner Raum werden kann, und wie leicht unser Herz sich gewöhnt an die beschränkte Wohnung die in den jugendlichen Jahren unsere ersten Freuden sah, und unsern ersten Thränenstrom. Wie oft sehnt sich in späterer Zeit, wenn das Leben den Menschen aufgenommen, seine Brust sich zurück nach dem kleinen Asyle, und träumt sich in den Palästen der Welt, noch einmal hinüber in jene kleine Behausung der Ruhe und des Friedens; Lassen Sie es sich darum nicht Leid thun, daß der Raum klein ist, und beschränkt, sondern sorgen Sie nur dafür, daß Ihr Herz groß bleibt und weit, um alles Schöne zu empfangen, was von oben hineinströmt, und offen zugleich, um es wieder auszugießen, zwischen denen, die fühlen und meinen, wie Sie. Mit meinem körperlichen Befinden geht es sehr langsam vorwärts, doch verspricht der Arzt, daß ich nun binnen wenigen Tagen ganz hergestellt seyn soll. Gott geb es; - bey einem so langen Unwohlseyn, wodurch der Körper geschwächt wird, leidet der Geist immer mit, den(n) beyde liegen in der menschlichen Natur so enge vereint, daß man den einen Theil nicht berühren kann, ohne den andern zu verletzten. ich fühle es deutlich, an einer sonst mir durchaus / fremden Unlust für alles, was nur im entferntesten ein Geschäft heißt, und noch deutlicher an meiner großen Reizbarkeit des Gemüthes, an ein hinüberneigen zu Leid und Trauer das mir sonst verhaßt ist in der tiefsten Seele Aber, was hilft der Ärger darüber, die Natur fordert ihre Rechte, und dann, muß man einem Körper, der von einem fast viermonatlichen Unwohlsein heimgesucht ist, doch auch etwas zu Gute halten, und seine Schwächen mit Geduld ertragen. Ich strebe daher vor allem, mich bey guter Laune zu erhalten, ich scherze und lache so viel ich kann, und scherze oder philosophiere mitunter richtig die üble fort. Immer geht es zwar nicht und mancher lange Tag wird von mir auf dem Sopha liegend im göttlichen far niente zugebracht aber zuweilen gelingts, ein freier wohlthuender Zug fliegt durch meinen Körper (mein Arzt nannte ihn Frühlingsboten der Genesung) es drängt mich zum Schreibtisch, und in Tönen und Liedern sträue ich aus, was mich erhebt und bewegt - So ist in der letzten Zeit, (in der ich mich wohl hütete eine Zeile bey der Gudruna zu schreiben) manche Kleinigkeit fertig geworden; alles aber trägt den Stempel des Kränkelnden selbst eine größere Romanze, Ondine, die ich Ihnen hier abschreiben will, laboriert an diesem Fehler. Nehmen Sie dies kleine Produkt daher nur recht scharf durch; es hat eine scharfe Critik wohl verdient. Hier ist es: / Feiernd wie um eine Tempelweihe hing der Friede um die Abendhöhe, Sterne zogen durch des Himmels Bläue Schwäne zogen singend auf den Seen. Seiner Knospen eben erst entsprossen, Eben erst mit jedem Reiz erwacht, Zog von Luft und Mondenlicht umschlossen Blüthgekränzt der Frühling durch die Nacht. Wiste??? spielten, Flötentöne klangen leis verhallend im Tyrannenhain Und berauschte Abendlüfte sangen In den Schlaf die müden Blumen ein. Alles ruhte, suchend seine Heerde Stand am Elfenborn ein Jüngling nur, Schöner wie der Blüthenlenz der Erde, Schöner wie ein Brautgewand, die Flur. Seine Trauer rührte die Najade, die sein Bild im Quellenspiegel sah, und zu ihm gezogen aus Gestade, Tra(t)t als Schäferin sie töstend nah. Half ihm freundlich such(en) die Verirrten Suchen, unter manchem süßen Scherz, Und als sie die Lämmer fand dem Hirten hatt verloren sie an ihn ihr Herz. Einen Himmel unbekannter Freude, sog sie durstig ein aus seinem Blick; Er aus ihrem, und vergaß zu scheiden, Ihrer Anmuth reiz hielt ihn zurück. / Schön wie nimmer auf der Heimath fluren, Nie am See er ein Jung(f)rau sah, stand im Zauber göttlicher Naturen, wunderbar die Holde vor ihm da. Liebe flehend, liebe bietend strahlte Ihm entgegen ihrer Augen Licht. Und die Sehnsucht stiller Wünsche malte Jungfräuliche Scham auf ihr Gesicht. Und der Jüngling, vor ihr hingesunken drückte stürmisch sie an seine Brust; Busen schlug an Busen freudetrunken, und die Lippen folgten unbewußt. Seele schmolz in Seel, Herz an Herzen, Kuß in Kuß goß ungebundner sich. Bis verdrängt von ihrem freien Scherzen Liebe, schüchtern dem Verlangen wich. Duft und Schatten schwammen um die Erde, dichter sank ihr Schleier um sie her, und der Jüngling dachte nicht der Heerde, Ihrer Gottheit nicht die Göttin mehr. Aber noch im Rausch der süßen Stunde, wurden vom Geschicke sie erreicht; Eine Natter zischt iim Waldesgrunde, Trifft den Freund zum Tode, und entweicht Zuckend sinkt er aus der Liebe Armen, Sucht noch einmal lächelnd ihren Blick, Zuckt, / und fällt, - o himmlisches Erbarmen! Fällt erbleichend in den Staub zurück. Wie ein Blatt, das frisch und grün vom Baume Abgestreift im Sturme niederweht. Wie ein Sternbild, das am Himmelsraume leuchtend stand, und plötzlich untergeht. Und gefaßt von ungeheuren Schrecken, die betäubend ihren Geist umziehn, Hoffend noch durch Küsse ihn zu wecken, stürzt die Göttin lautlos über ihn. Schlingt um den erstarrten Leib die Arme Netzt die Brust mit heißer Thränen Fluth, daß sie einmal noch an der erwarme, Wo so freudig eben sie geruht. Aber nein, kein Kuß erwärmt die Leiche. Und vergebens sehnt sie sich in das Grab, Menschen finden Ruh im Schattenreiche, Götter weist der dunkle Fährmann ab. Und verzweifelnd, von der Welt verlasen, Ach! von sich, mit gramzerrißnem Sinn, Trost erflehend, ohne Trost zu fassen, Sinkt sie neben dem Geliebten hin. Wie mit ihm von einem Blitz zerschmettert Eine Rebe sinkt dem Ulmbaume nach, Wie im Sturm die Rose sinkt entblättert Auf die Feder, welche mit ihr brach. Grauenvoller / Grauenvoller Wandel des Geschickes! Eben selig an des Jünglings Brust, Ueberströmt von jeder Gunst des Glückes, Nun an seinem Grabe, schuldbewußt. Schuldbewußt! Da fällt ein Strahl des Lichtes Offenbahrend ihr verwaistes Herz; Nun, so trag die Schwere des Gerichtes, und versöhne es durch sanften Schmerz. Könntest ein Gelübde du verletzen, dessen Allmacht jeder Geist erkennt, das nach heiligen Naturgesetzen Ewig von den Sterblichen ihn trennt. Nun so wandle büßend durch das Leben, Klag und Jammere, wie der Mensch es thut, Friede ist dem Geist erst dann gegeben, Wenn er jeder Schwäche sich entlud. Dir, wie allen ist das Wort verkündigt Wer gefehlt, soll tragen in Geduld, Hast als Göttin menschlich du gesündigt. Sühne als Göttin menschlich deine Schuld. Bring der Geist in niedre Erdenfülle, Wohn als Trauernde an seiner Gruft, Bis dich einst versöhnt der Allmacht Wille Wieder heim zu deinen Fluthen ruft. Deinem Schmerze kannst du nicht entfliehen, Doch dein Schicksal ist nicht hoffnungslos. Einst, wenn die Unsterblichkeit verziehen, / Findest du den Feund in ihrem Schoß. Und gefaßter grub sie nun am Weiher Unter duftgen Blumen ihm ein Grab Ihren Ring und ihren Elfenschleier, legte weinend sie mit ihm hinab. Baute eine Hütte sich daneben, Schmucklos, wie der Niedre sie besitzt, Zog nach Kläusnerweise???, Frucht und Reben, Und was sonst dem armen Menschen nützt. Stieg damit hinab zum Hirtenthale Brachte freundlich ihre Gaben hin. Lud den müden Wanderer zum Mahle, Trocknete das Netz der Fischerin. Wußte Streit und Hader abzuwenden, Schrimte Hirt und Heerde vor Gefahr. Half dem Kranken, gabe der Armuth spenden, Trost dem Herzen, das verwundet war. Lieb und Glück gedieh auf ihren Fluren, fromme Eintracht wohnte häuslich dort. Alles um sie trug des Friedens spuren, Nur aus ihrem Herzen war er fort. Breitend um sich jede Lebensfreude, Ohne, daß es selbst davon empfand, Glich ihr einsam Herz der Thränenweide, Die am Grabe unter Blumen stand. / Monde schwanden so im Lauf der Sonnen Jahre wechselten im Flug der Zeit, Neue Lenze brachten neue Wonnen, Und den Trost auch endlich ihrem Leid Stiller war´s in ihrer Selle, milder; Sanfter floßen ihre Thränen hin, Selbst der Gramesentflohnen Lebensbilder, Wirkten lindernd auf die Duldnerin! Denn geläutert in der Liebe Schmerzen Unter Dornen der Erinnerung, die sie täglich zog in ihrem Herzen, Rang ihr Geist aus der Erniedrigung. Bis es klar die Büßende empfunden, Eine Schuld versöhne Leiden nur, Nur in Thränen könne der gefunden der gehandelt wider die Natur. Bis entnommen jeder Edentrauer Still verklärt an seiner Gruft sie stand, Und durchbebt von froher Ahnung Schauer, Zum Gebete Worte fand. „Allerbarmer“ zu dir aus dem Staube, Flüchte ich in deinen Vaterschooß, Auch in seine Heimath ringt mein Glaube, Herz von Sünden, doch nicht schwächelos, Strafbar war ich, weil ich fühlen wollte. Weil der Hauch, der die Natur umweht, / der zum Schöpferstrahl mir dienen sollte, Nur begehrend meine Brust durchbebt. Strafbar, weil dem Jüngling ich gewährte, Liebend meinem Herzen sich zu nahn, Als ein Wahn die Götterbrust bethörte Süß und schmeichelnd, aber doch ein Wahn. Strafbar weil im Rausch verbotner Triebe Heiß mein Busen an dem seinen schlug, Und die Flammen einer irdschen Liebe, Mehr wie deinen Himmel in sich trug. Nur was die Unsterbliche verschuldet, Hast gerichtet du mit sanftem Spruch; Was du auferlegt hab ich geduldet Ohne Murren, sprich es sey genug. Zweyfellos, von jeder Schuld enthladen, Frey entringt der Geist dem Staube sich. Öffne ihm die Pforten deiner Gnaden, Vater, Gott, Erbarmer, höre mich. - Und er hört, und sandte seinen Bothen, Seinen stillen Friedensbothen aus, Und vom Grabe des geliebten Todten Rief sie der zurück ins Vaterhaus. Leuchtend stand er auf dem Wasserspiegel, hell umstrahlt von Abendsonnengluth, Da warf sie noch einen Blick zum Hügel und verschwand in ihres Weihers Fluth, / durch die Flur klang eine Geisterweise, wie geweckt von ferner Harfen Schlag, Und die Blumen flüsterten ihr leise Mahnungsvolle Abschiedsgrüße nach. - Sie sehen, lieber Andersen, es ist eigentlich wenig daran, und der Stoff höchst beschränkt und einfach; dennoch bleibt es immer ein romantischer, und wenn er in der Ferne nicht ganz verunglückt ist, oder die Ausarbeitung nicht ganz mißlang, auch ein dankbarer; denn der Kampf geistiger Naturen mit der Körperwelt, ist ein herrlicher Gegenstand für die Poesie, und selbst im unterliegen immer noch der Darstellung werth. Tadelns- wether ist vielleicht die üppige Fülle der in diesem Gedichte angewendete Bilder; deren Menge ich auch nur durch den Umstand zu entschuldigen hoffe, daß nothwendig etwas orientalische Phantasie verwendet werden mußte, wenn das Herabsinken einer Göttin zur gebrechlichen Menschenwelt, ihr wandeln dort, und ihr verklärtes Emporsteigen, würdig ausgestattet werden sollte. Ich denke diese Romanze übrigens in Deutschland drucken zu lassen. - - Schiffer Munk, von dem ich Ihnen in meinen früheren Briefen sprach, ist vor einigen Tagen von dort hier angekommen, ohne mir eine Zeile / Zeile von Ihnen zu bringen, daß überrascht und beunruhigt mich zugleich, denn ich hatte mit Sicherheit darauf gerechnet durch ihn Briefe von Ihnen zu empfangen, Briefe, die mich belehrten wie der October für Sie ausgefallen sey. Ich werde nun lange, lange Ihre Briefe entbehren, schwerlich kommt in diesem Jahre noch eine Gelegenheit vom Sunde oder von Copenhagen, und die, mit welcher ich diese Zeilen befördre ist vermuthlich ebenfalls die letzte, die in diesem Winter von hier geht. Ohne fernere Nachrichten von Ihnen, werde ich also die langen traurigen Tage bis zum nächsten Frühjahre hinbringen müssen; das thut mir leid, sehr sehr leid! - - - Dieser Brief ist fast zum Buche angewachsen, es wird Zeit seyn, daß ich ende um Ihre Geduld nicht zu ermüden. - So leben Sie denn wohl mein theurer, lieber Freund. Treten Sie froh aus dem alten in das neue Jahr, und gedenken Sie meiner in der Neujahrsnacht, wie ich Ihrer gewiß gedenke. - Bauen Sie auf Gott, daß ist der einzige Wunsch, den ich für Sie habe, er läßt keinen zu Schanden werden, sondern hilft aus aller Noth und Bedrängnis - sein Name werde gepriesen!

Mit den ersten Frühlingslüften mehr!

Ihr trauriger

Ludolph

Liebau 6. Dec. 1828

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5743-62)