Dato: 12. august 1842
Fra: Anton Prokesch von Osten   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Athen 12. Aug. 1842

Wenn die Erinnerung Sie manchmal, verehrter Herr, auf die Grabstätte der alten Minervenstadt führt, so mag sie auch das Bild einer Familie in Ihnen erneuen, die Sie eines Abends durch ein Gericht der süssesten Mährchen erfreuten u. die Ihnen zu wohl will, um ganz in Ihrem Gedächtnisse erloschen zu seyn. Diese Familie sizt unter dem Schatten der Bäume von Kephissia, am Abhange des Pentelikons, der Gluth u. dem Staube der Stadt entflohen, u. in ihren Mussestunden lieset sie, was die Sänger jenseits der Alpen singen. So las sie auch Ihren Improvisator. Nehmen Sie Dank u. Glückwunsch für diese lebenswarme, edle u. schöne Dichtung, die mit leichthingeworfener aber sicherer Zeichnung Bilder der Wahrheit aus Welt u. Herz gibt u. sie mit dem Anhauche der reinsten Farben u. mit dem Schmelze eines wunderbaren Lichtes bekleidet. Der immer sich erneuernde Verband an sich unvereinbarer Naturen, des Weltmenschen u. des Dichters, u. in grösserer Ausdehnung, der Welt u. des Herzens, - der Kampf, der daraus folgt, u. das Feld des Lebens mit Leichen u. zerrissenen Kränzen bedeckt, - der Triumph endlich, so schön vorbereitet u. so mühsam u. würdig errungen, wie weich u. doch bestimmt haben Sie alles dies zu geben gewusst! - Dabei ist keine Verschwendung der Mittel, kein Aufgebot von Schatten u. grellen Lichtern; das ganze Arsenal des Lasters ist unberührt gelassen; Unschuld u. Tugend u. frommer Sinn sind Ihre Führer. Welchen Triumph feiern Sie, nach meiner Ansicht, eben dadurch iiber die neuere Schule. Gegen sie in die Schranken zu treten erfordert Muth. Sie aber kamen wie David, nur mit Unschuld u. Spielwaffen gerüstet u. erlegten den hochgepanzerten, mit Spiess u. Schwert u. Kolben versehenen Goliath. Annunziata ist allerdings Herz u. Seele ergreifend, aber sie hat den Giftbecher des Weltlobs getrunken; was kann sie andres als sterben? Lara hat auch uns am meisten angesprochen, u. das wollten Sie ja, da Sie ihr den Kranz reichten. Flaminia hat ihren Wahn; wer aber einen solchen hat, ist nicht arm. Leicht ist Genaro weggeworfen; Bernardo geht fast ohne Schuld u. Reue die leichte Bahn der Gewöhnlichkeit; Fabiano u. Franziska sitzen mit wohlwollenden Augen u. Händen im bequemen Wagen angeborener Güte u. anerzogener Vorurtheile; Santa gewinnt Theilnahme, tief aber rührt Paggio - u. Antonio? - ach, jedes fromme dichterische Gemüth, jeder gehobene Geist ist oder wird ein Stück Antonio; nicht jeder aber findet die Versöhnung zwischen Wunsch u. Wirklichkeit am Ende seiner Bahn! - Ich wollte Ihnen eigentlich nur danken u. Ihnen dadurch eine kleine Freude machen - es ist der Pfenning der Wittwe! Meine Frau grüsset Sie; meine Kinder gedeihen. Ihr

v Prokesch Osten

Wir gehen jezt an den Geiger.

Tekst fra: H. C. Andersens Album