Dato: 11. oktober 1843
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Oldenburg den 11 October 1843

Wahrscheinlich, lieber Andersen, sind Sie recht recht böse auf mich daß ich so lange Ihren lieben interessanten Brief unbe[ant]wortet lassen konnte, aber ich denke wenn ich Ihnen erzähle wie es kam werden Sie wieder gut, nicht wahr? Es ist sonderbar, aber recht im Sommer schreibe ich nicht gerne, so ließ ich denn zwei Monate verstreichen ohne Ihnen zu schreiben, und nun war ich seit 6 Wochen so krank, daß ich nicht daran denken konnte mich mit Ihnen zu unterhalten, dies ist mein erster Brief seit ich wieder außer Bett bin, ich hatte aber eine große Ungeduld, Ihnen endlich Nachricht zu geben; was mögen Sie alles gedacht haben? wir hätten Sie vergeßen, meine Begeisterung für Sie sei nicht mehr wie sonst, alle diese Gedanken haben mich recht gequält, es giebt nichts beunruhigenderes als Jemand den man so aufrichtig lieb hat wie wir Sie, wehe zu thun, und namentlich mit Ihren weichen tiefen Gemüth ist das noch weit schlimmer. Hätte ich Ihnen meine Gedanken schicken können, oder hätten Sie hören können wie oft mein Mann und ich von Ihnen sprachen! dann würden Sie sehen wie groß unsre Liebe und Theilnahme für Sie ist, und wie wir mit gleicher Wärme und Innigkeit stets an Sie gedacht haben.

Doch nun zu Ihren lieben Brief auf dem ich so manches zu antworten hätte, aber meine Zeit ist mir leider sehr kurz zugemessen, da ich noch recht angegriffen bin, und wenig vertragen kann. Der letzte Brief ist mir so lieb wie noch keiner, da Sie so ganz sich selbst darin geben, es ist mir wenn ich ihn lese als hörte ich Sie sprechen, ich könnte mir denken Sie wären noch bei uns, und erzählten so schön so anmuthig! auch die Schrift ist grade wie ich sie wünschte, da ich deutlich sehe daß Sie ganz schreiben wie es Ihnen bequem, ich sehe darin einen Beweiß Ihrer Freundschaft für mich.!

Da Sie mir eine so genaue Beschreibung Ihrer Sommerpläne geben, bin ich nun auch den ganzen Sommer mit Ihnen gewesen in Gedanken, auf den hübschen dänischen Edelhöfen, wo gewiß manches reizende Märchen entstanden, könnte ich Sie nur erst wieder erzählen hören, das ist noch ein ganz eigner Zauber. Jetzt sind Sie wieder in Koppenhagen, und machen Reisepläne für den fernen Sommer, und ein Plan führt auch nach der Gartenstraße nicht wahr? Sie müssen wieder kommen, die kurzen 5 Tage sind uns jetzt wie ein schöner Traum, den wir gar zu gerne bald wieder träumen mögten. Die erste Heimath haben Sie bei Collins gefunden, aber Sie müssen auch in Deutschland eine Heimath haben, da wir Deutschen Sie so gut verstehen, und die ist in dem kleinen Oldenburg, bei uns, nicht wahr?

Es ist sonderbar daß Sie grade im Vaterlande so manches unfreundliche Urtheil erfahren, während in Deutschland nur eine Stimme der Anerkennung ist. Heiberg begreife ich nicht, wie kann er Sie beurtheilen wenn er nicht einmal Alles von Ihnen kennt, sollte er kleinlich genug sein sein Urtheil durch Neid leiten zu lassen, oder sollte gar die Frau Einfluß darauf haben? Wie Sie über dies Alles schreiben ist ganz bezeichnend für Ihren Karakter, der wahrhaft edle Mensch kann nur so urtheilen. Was würde Heiberg sagen, könnte er lesen was Sie über ihn schreiben, müßte er sich nicht ganz schlecht vorkommen?

Heute schreibe ich gewiß recht dumm und langweilig, aber wenn man krank gewesen, will es mit dem Denken selbst nicht recht, und im Feder führen wird man ganz ungeschickt, wenn ich nun wieder ein Briefehen von Ihnen habe, bin ich hoffentlich ganz wieder beßer, dann antworte ich gleich, und recht ausführlich, da ich Jhnen manches zu sagen habe, was heute nicht mehr geht.

Nun noch einiges von uns und Ihren hiesigen Freunden, hier im Hause ist Alles wie Sie es kennen, in meines Mannes Herzen haben Sie ein festes Plätzchen, er hat wahre aufrichtige Freundschaft für Sie, und läßt die aller herzlichsten Grüße sagen. Er beschäftigt sich viel mit dem Ahasverus, und mögte genau wissen wie weit Sie damit sind. Der kleine Herr hat Sie auch noch in guten Andenken, wenn er in mein Kabinet kommt zeigt er gleich auf Ihr Bild und sagt: Das ist der liebe Herr von Andersen der das Pferdchen mit den zwei Flügeln hat. Sehn Sie sogar die Kinder wissen in Deutschland das Sie ein Dichter sind. / Von Wedderkopp habe ich wegen meines Krankseins nichts gesehn, vorlesen soll er mir auch Ihre neuen Märchen nicht, denn das macht mir Niemand gut genug, da lese ich sie lieber alleine, dann kann ich mich so recht hinein denken. Wie Sie schon wissen bin ich ganz eifersüchtig auf Ihre Werke, ich mag den Genuß mit Niemand theilen, weil ich doch gewiß weiß das Niemand Sie so versteht wie ich. Jerndod läßt herzlich grüßen, er ist für Ihr Album beschäftigt, ich werde ihn nächstens wieder antreiben. Allen übrigen Bekannten geht es gut, doch habe ich sie alle natürlich lange nicht gesehn, sonst hätte ich schon ein päckchen Grüße für Sie.

Noch immer ist keine Ankündigung von der neuen Ausgabe Ihrer Werke erschienen, ich begreife das nicht.

Doch Kopf und Feder wollen nicht mehr, ich muß aufhören, da ich ganz angegriffen bin. Wie sehr würde ich mich über baldige Nachricht freuen!

Leben Sie recht wohl lieber lieber Freund! Und glauben Sie nur stets an meine wahrhaft schwesterlichen Gesinnungen für Sie!

Lina von Eisendecher.

Tekst fra: Se tilknyttet bibliografipost