Dato: 27. april 1844
Fra: Ida Freiligrath   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

St Goar am 27. April 1844.

Sehr lieber Herr und Freund!

Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen an der Stelle meines Mannes zu schreiben, weil ich fürchte, daß dieser in den ersten Wochen noch nicht dazu kommen dürfte, und weil mich der Gedanke quält, daß Sie sich über Ferdinands Schweigen betrüben und demselben falsche Ursachen beimessen möchten. Sie selbst haben mich bei Ihrem leider so kurzen Besuch freundlich gebeten, "zu sorgen, daß mein Mann das Gedicht an Sie doch vollenden möge", und nun habe ich nicht einmal bewerstelligen können, daß er Ihren lieben Brief vom 24. August früher beantwortete. Darum halte ich es beinahe für Pflicht, Ihnen einstweilen Nachricht von Freiligrath zu geben, bis er es selbst zu tun im Stande ist. Glauben Sie doch ja nicht, daß Sie in St. Goear vergessen wären. Ein Dichter wie Sie hat überhaupt nie dies traurige Schicksal zu befürchten. Ihre herrlichen Schöpfungen, die wir immer von Neuem mit Entzücken in uns aufnehmen, sorgen dafür daß man Sie nicht vergißt, und nun hat auch noch ihre persönliche Erscheinung sich unauslöschlich in unser Gedächtnis gegraben. "Aber, wenn es wahr ist, warum höe ich nichts von Ihnen?" werden Sie fragen. Wenn ich meinen Mann bat, Ihnen, wenn auch nur wenige Zeilen, zu schreiben, so antwortete er immer: "Andersen ist selsbst Dichter, er weiß, daß man Stimmungen haben kann, in denen man auch seinen besten Freunden nicht schreiben kann.".

Glauben Sie, lieber Herr Andersen, daß Freiligrath Ihr warmer, aufrichtiger Freund ist. Er war es schon, ehe er Sie kannte, und ist es seitdem noch weit mehr. Ach, wenn Sie es nur hören könnten auf Ihrer grünen nordischen Insel, wie oft und wie begeistert der Dichter am Rhein vonIhnen spricht, und wie liebevoll er Ihrer gedenkt. Wenn er Ihnen nicht schrieb, so halten Sie das doch ja nicht für ein Zeichen von Gleichgültigkeit. Sie darum zu bitten, ist der einzige Zweck dieses Breifes. Ich weiß, daß Ferdinand Ihnen jetzt bald schreiben wird, aeer es könnte doch noch einige Wochen dauern, und Sie sollen uns keinen Augenblick länger für kalte und undankbare Menschen halten. Eine andere Ursache seines Schweigens hat Ferdinand nicht, als daß er in diesem Winter in fortwährend produktiver Stimung war, aus welcher er sich nicht heruasreißen konnte. In einigen Monaten werden Sie ein Bändschen neuer Gedichte von ihm erhalten. Dann werden Sie ihn gewiß entschuldigen und ihm vergeben. In wenigen Tagen werden wir St. Goar – wahrscheinlich für immer – verlassen. Wir werden vor der Hand ein Bad aufsuchen, aber da wir nicht ganz gewiß sind welches, so bitte ich Sie, Ihren nächsten Brief noch nach St. Goar zu adressieren. Meine Schwester bleibt hier und wird ihn an uns gelangen lassen.

Ich glaube gewiß, daß Sie schreiben werden. Ich täusche mich nicht im Glauben an Ihre Großmut. Und wenn Sie wüßten, welche Freude Ihr erster Brief bei uns angereichtet hat! NOch jetzt wird er lieben Bekannten vorgelesen. Aber ich bitte Sie, nicht mir, sondern meinem Manne zu antworten. Ich habe diesen Brief einzig in seinem Interesse geschrieben und will dadurch keine Störung in Ihrem Briefwechsel mit ihm bringen. -

Ich muß Ihnen noch erzählen, daß ihre Wirtin hier im Gasthaus zur Lilie so froh gewesen ist, Sie zu sehen. Sie hat Sie immer im Stillen betracten und allen Leuten erzählt, was Sie für schöne Augen hätten. Sie kannte nämlich alle Ihre Romane und interessierte sich deshalb so für Ihre Augen. In Weimar hat man Sie auch erwartet und Festivitäten zu Ihrem Empfang veranstaltet. Sie wissen gar nicht wie bekannt und beliebt Sie in Deutschland sind! Eine geistreiche Dame unserer Bekanntschaft hat angefangen, Ihr "Bilderbuch ohne Bilder" ins Franzözische zu übersetzen. Sie klagt, daß es schwer sei, den kindlich naiven und einfachen Ton im Französischen wiederzugeben, aber sie ist so entzückt davon, daß sie gewiß diese Schwierigkeit überwinden wird.

Meine Schwester dankt sehr für Ihre Karte und Ihre Grüße. Sie ist ganz glücklich darüber. Nun ist es fast ein Jahr, daß Sie hier aussteigen. Werden Sie wohl bald einmal wieder in Deutschland gesehen?

Leben Sie recht wohl und versprechen Sie mir, daß Sie meinen guten Ferdinand nicht böse ein wollen. Seien Sie nur überzeugt, daß er Sie sehr lieb hat, wie wir alle.

Ida Freiligrath geb. Melos.

Guter teurer Andersen! Ich liebe Sie, den Menschen und den Dichter, wie gewiß wenige. Vergeben Sie mir darum und geben Sie mir noch eine kurze Frist. Ich werde Ihnen noch beweisen, wie lieb sSie meinem Herzen sind. Ohne Wandel

Ihr Freiligrath

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