Dato: 28. oktober 1844
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Oldenburg den 28 October 1844 Abends 10 Uhr

Endlich, endlich, liebster bester Andersen kann ich Ihnen für Ihren Brief danken, das thue ich denn auch so recht aus der Fülle der Seele! Ihr lieber herrlicher Brief! Sie glauben garnicht wie sehr Sie mich dadurch erfreut. Aber denken Sie daßer erst vor 5 Wochen zu mir gelangte, mit dem Postzeichen Lüneburg, Sie hatten ihn 5 Wochen früher geschrieben: wie ist denn das möglich? An Seebäder denkt man den I October nicht mehr, und von unserm so schön projektirten rendez vous konnte also keine Rede mehr sein, das war nun recht traurig, wie prächtig, wenn wir unS auf dem romantischen Felsen Helgoland gesehn. Es ist aber doch -schön daß Sie an ein wiedersehn dachten, ich sehne mich so sehr darnach, die zwei Tage in Bremen waren für gar nichts, sie haben eigentlich nur den Wunsch eines ordentlichen Sehens noch dringender gemacht. Meine Hoffnung ist auf den künftigen Sommer gesetz da muß und will ich Sie ordentlich sehen, und da Sie nun so viele Freunde in Deutschland haben, kommen Sie so viel leichter zu uns herüber, Deutschland ist nun einmal Ihre zweite Heimath, man versteht und liebt Sie bei uns beßer wie in Dänemark. /

Ganz herrlich ist es aber daß Sie mit dem König und der Königinn in Föhr waren, die Anerkennung die Ihnen dort ward, kann Sie über manches andre trösten. Mit welcher Freude ich Ihre Triumpfe in Deutschland vernommen, kann ich Ihnen nicht sagen, Sie wissen schon daß ich mir einbilde ein besonderes Anrecht an Sie zu haben, deshalb freue ich mich auch mehr wie andere mit Ihnen. /

Sehr interessirt haben mich Ihre verschiedenen Bekanntschaften, namentlich die Gräfinn Hahn. Sie ist jedenfalls eine höchst ausgezeichnete, bedeutende Erscheinung, und innig gefreut hat es mich daß Sie sie auch weiblich nennen, denn das konnte man nach ihren Schriften wohl dann und wann bezweifeln. Das neueste Werk der Gräfin Hahn, die Briefe aus dem Orient haben Sie wohl noch nicht gelesen. Es ist viel Schönes darin, das beste was sie geschrieben sind aber jedenfalls die Briefe aus Spanien, dort war sie begeistert, und begeistert darum auch wieder andere. Von den Romanen halte ich den Sigismund Forster für den besten, die Hahn hat eine große Kenntniß des menschlichen Herzens, sie schildert es mit allen seinen Schwächen, seinen Launen, und doch auch wieder mit seiner ganzen Allgewalt der Liebe. /

Es muß doch ein herrliches Gefühl sein, andere durch seine Gedanken so zU beglücken. Fühlen Sie &auch recht den unendlichen Vorzug, der Ihnen vor Millionen verliehen? Die Dichter sind die bevorzugten Kinder Gottes, was wir andern armen Sterblichen nur ahnen das gab er Ihnen in Fülle. Und doch sind Dichter so selten glücklich, ich glaube es kommt weil ihre innere Welt und die äußere so oft sich schmerzlich berühren, das läßt doch immer Wunden zurück, wenn auch nur kleine, und später da werden es Narben, die doch stets an die Wunden erinnern. Wie wenig stimmt schon zu unsern Idealen die Welt, und nun gar sie mit Ihren tausend Feen gestalten und Elfengebilden! Unberührt kommt Niemand durch die Welt, und am Ende ist auch wohl Schmerz und Lust ganz gut vertheilt, wenn wir mit unser Kurzsichtigkeit es gleich nicht immer einsehn, mir scheint es zuweilen als sei doch gar zu viel Trübes in der Welt!

Aber wie komme ich denn da auf so ernsthafte Gedanken, die passen für Sie garnicht, mit Ihnen llfögte ich immer fröh lich sein, nur mit dem wahrhaft edlen Menschen kann man das, aber die Freundschaft theilt ja Leid wie Freud miteinander, und wenn man Sie in Dänemark ärgert so schreiben Sie es mir nur, dann will ich mich mit für Sie ärgern. Ihr Leben in Dresden muß wunderhübsch gewesen sein; haben Sie auch den Freund der Gräfin Hahn, den Herrn von Bystrem kennen gelernt? bitte schreiben Sie mir dann einmal wie Ihnen das Verhältniß erschienen, man urtheilt so verschieden darüber, und mich würde es unendlich interessiren ein ganz unbefangenes Urtheil darüber zu hören. /

Daß Sie auch Prutz kennen gelernt hat mich sehr erfreut, sein neuestes Drama »Moritz von Sachsen« ist ausgezeichnet, und wohl das beste was in der letzten Zeit in Deutschland erschienen. Ganz originell ist Ihre Beschreibung der Bettine, aber es ist doch prächtig daß Sie sie gesehn, und daß sie Sie so verstanden hat, ich sollte auch denken, es hätte nicht anders sein können, denn Ihre ganze eigenthümliche Innerlichkeit, muß jeden echten Menschen interes.siren. Aber wissen Sie daß ich ganz eifersüchtig auf alle die schönen klugen Menschen bin? Vergeßen Sie nur die ferne Freundinn am einsamen Nordseestrand nicht über die vielen glänzenden neuen Erscheinungen. Doch ich thue Ihnen Unrecht. Ihr schöner langer herzlicher Brief sagt mir ja am besten daß, und wie Sie unserer gedenken. Und eigentlich freut es mich doch auch ganz unendlich wenn man Sie lieb hat, grade weil Sie es so sehr verdienen. Der Dichter ist ja nun auch einmal ein Schatz der jedem der ihn versteht gehört, da darf ich mich denn wohl nicht beklagen. Der Bettine gönne ich Sie mehr wie jeder anderen, weil ich eben die Bettine so hoch stelle. Wie schön ist das neueste Buch von ihr: »Brentanos Jugendkranz«, diese sprudelnde himmlische Genialität, sie ist nur ihr möglich.

Interessant ist es die Hahn und die Bettine zusammen zu stellen. Bei jener ist alles durch den Gedanken errungen, bei dieser alles ursprüngliche Offenbarung, ich mögte fast sagen, sie versteht selbst kaum wie unendlich schön ihre Gedanken sind. Aber die Hahn weiß eben daß sie eine geistreiche Frau ist, sie hat die Leiden und Freuden der geistigen Bedeutsamkeit erfahren. Haben Sie denn auch die Brüder Grimm kennen gelernt, die deutschen Märchen Erzähler? Ich kann mir kaum denken daß Sie zusammen passen. Die Grimms sind echte deutsche Gelehrte, und das ist eine durchaus aparte Secte von Menschen, in sich abgeschloßen, viel Verstand, aber doch gei. stig beschränkt.

Ihre Märchen ins Deutsche übersetzt ist noch nicht hier, aber ich habe Auftrag gegeben, und freue mich so sehr dazu. Hätte ich nur oIe luk oi (ich schreibe wie ich spreche) ich denke so viel daran, es war aber auch so wunderlieblich. Wird denn das garnicht übersetzt? Nun muß ich Ihnen aber auch sagen daß wir den Mulatten bekommen haben. Das Drama ist sehr schön, und ich habe es wie Alles von Ihnen, mit dem allergrößten Interesse gelesen, aber die Uebersetzung ist sehr schlecht, ich fürchte es wird in dieser so sehr mangelhaften Uebersetzung hier nicht gegeben werden; ich mag auch garnicht zureden denn es ist schade Ihre schönen Gedanken, in so schlechten Versen zu hören. Die tiefe herrliche Poesie geht ganz dabei verloren. Ich kann mir aber denken daß der Mulatte auf der Bühne von großer W_rkung ist, es sind wunderbar schöne Gedanken darin. Da ich nie etwas Dramatisches von Ihnen gelesen, war es mir anfangs ganz unbekannt, ich fand Ihre Persönlichkeit garnicht darin, aber hernach wurde es beßer, und jetz können nur Sie es geschrieben haben. /

Sollten Sie mir nicht: Vöglein im Birnbaum einmal im Dänischen schicken können, die Frau von Gall (eine geborene Dänin) will es übersetzen, und das soll hier jedenfalls gegeben werden. Ihre anderen kleinen Lustspiele sind wohl mehr speziell für Kopenhagen berechnet. Ihrem neuesten dramatischen Märchen» Die Glücksblume« wünsche ich von ganzem Herzen einen glänzenden Erfolg. Und wissen Sie warum? Dann bekomme ich einen Roman, unddarnach habe ich eine gar große Sehnsucht. Denken Sie nur an den Geiger wenn Sie schreiben. Dann muß es ausgezeichnet werden. /

Jetz habe ich wieder eine neue Verehrerin von Ihnen kennen gelernt, und denken Sie, die Dame hat nur den Geiger gelesen, Sie mag nichts andres lesen, aus Furcht es nicht so schön zu finden, sie hat mir aufgetragen Ihnen alles nur Erdenkliche Schöne und Liebe von ihr zu sagen, aber ich werde es gar nicht thun, sonst sagt die Frau Drewsen wieder, ich verderbe Sie. Die Dame ist aus Darmstadt, und wenn Sie einmal dorthin kommen, wird sie Sie mit großer Freude empfangen, und Ihnen dort eine sehr angenehme Zeit bereiten. Ich habe ihr Ihren letzten Brief mitgetheilt, Sie glauben nicht wie er sie freute. /

Sie haben aber auch große Fortschritte im Deutschen gemacht, die letzte Reise ist dafür recht nützlich gewesen, schreiben Sie nur der Gräfinn Hahn, Sie können es recht gut, und grade so wie mir ohne zu korigiren. Herr von Beaulieu hat mir auch noch viel von Ihnen geschrieben, es freut mich daß Sie an ihm einen so warmen Freund haben. Schreiben Sie mir doch auch einmal wie Ihnen der jüngere Beaulieu gefallen, ehe ich Sie kannte, dachte ich immer, Sie müßten gut zusammen harmoniren. Er ist ein liebenswürdiger bedeutender Mensch, der leider aber durch eine unglückliche Liebe in seiner Entwicklung gehemmt ist; jetzt hat er es glaube ich überwunden, aber vor einigen Jahren sah es schlimm mit ihm aus. Er macht recht. hübsche Verse, vielleicht haben Sie etwas davon gesehn. /

Ihr Bekannter Freiligrath macht jetz viel von sich reden, sein neuestes Buch »mein Glaubensbekenntniß« erfährt viel Tadel und Lob, mir gefällt es nicht. Freiligrath ist ein Poet, in des Wortes schönster Bedeutung, die Politik liegt eigentlich seinen inneren Herzen fern, in Deutschland ist es nun aber einmal Mode daß die Dichter die Kämpfer für Freiheit und Wahrheit sind, da will er nun mit in die Schranken treten, aber es ist ihm nicht natürlich, und deshalb geht es auch nicht.

Eine Pension die ihm der König von Preussen gab hat er zurückgewiesen, und zwar ohne Grund, da sie ihm vor zwei Jahren bewilligt wurde, war er sehr dankbar. Sein ganzes Benehmen ist ohne Halt, und das verzeiht man einem bedeutenden Menschen am schwersten. Haben Sie schon Heines neuste Lieder? Es ist manches Herrliche darin, der alte Heine ist unverkennbar, aber alle alten Fehler sind auch darin, und haben wohl gar zugenommen. Wie schade daß immer die Mephistopheles Natur durchblickt. - Aber es ist Mitternacht, da ist es wahrhaftig Zeit zum schließen. Mein Mann läßt Sie von gan zem Herzen grüßen, er sehnt mit mir den Augenblick des Wiedersehns herbei. Schreiben Sie mir auch bald wieder, sonst glaube ich Sie haben mich über alle neue Freunde vergeßen, und schicken Sie den Brief direkt, daß er nicht wieder 6 Wochen unterwegs bleibt.

Leben Sie wohl lieber Freund! Ihre Sie aufrichtig liebende

Lina v. Eisendecher.

Tekst fra: Se tilknyttet bibliografipost