Dato: 20. januar 1845
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

Kopenhagen 20 Jan 1845.

Mein edler Erbgroßherzog! Ein neues Jahr ist aufgerollt und ich habe meinen Glückwunsch noch nicht gebracht, welcher doch gewiß zu einer der wärmsten und treuesten gehört, der gebracht werden können. Ich habe noch nicht für den lieben, beglückenden Brief aus Wartburg gedanckt, und doch erfüllte er mich ganz, doch lebte ich mehrere Tage nur in demselben und noch leuchtet es in mein Gedanke zurüch. Ich habe nicht geschrieben! - eine Reihe Mährchen strömte in meine Seele hinein, ich war wie leidend, bis ich sie auf Papier hatte; der Buchhändler trieb mich vorwärts, damit sie Weinachten erscheinen konnte, und ich mußte sie selbst abschreiben, denn dadurch gewinnt meine Dichtung am meisten. Das mekanische Schreiben nahm meine ganze Zeit auf, aber in derselben war mein Gedanke - ich darf es sagen - täglich einige Minutten bei Eeur Hoheit. Wäre ich ein Prinz, sagte ich, daß ich Sie, mit der ganzen Seele eines Bruders liebe, jetzt darf ich nur sagen: mein ganzes Herz hängt an den jungen liebenswerdigen Fürsten in Weimar! Sie sind so edel, offen, liebenswürdig! Ich hätte Eur Hoheit so gern meine letzten dänischen Mährchen dedicirt, ich konnte es ja aber nicht thun; ich weiß, um einem Fürsten ein Buch zu dediciren muß man seine Erlaubniß haben und die hatte ich nicht. Würde es Ihnen unlieb sein, einst ein Buch von mir an Sie, Eeur Hoheit, dedicirt zu sehen. Alles liegt darin daß ich so gern recht auszusprechen / wünschte wie sehr ich Sie verehre, wie innig ich Ihre fürstliche Gnade verstanden habe. Wenn einst ein neue Buch von mir, kommt im Deutsch heraus, darf ich das Buch an Eur Hoheit dediciren laßen?

Meine zwei neuesten Mährchen sind: der Tannenbaum, und die Schneeköniginn, das letzte gilt für eins meiner besten und führt die Idee durch, wie das Gemüth über die kalte Vernunft siegt.

Erste Kapitel bildet ein Geschichte für sich, und klingt ungefehr so, nach meiner schlechten Uebersetzung:

"Still! nun fangen wir an! sind wir am Ende der Geschichte, wissen wir mehr als wir jetz wissen, denn es war ein böser Kobolt, es war einer der aller ärgsten, es war der Teufel selbst! eines Tages war er recht guter Laune, denn er hatte einen Spiegel gemacht, welcher die Eigenschaft hatte, daß alles Gute und Schöne, was sich darinn spiegelte, daselbst zu beinahe Garnichts abnahm, was aber nicht tauchte und sich schlecht ausnahm, dies trat recht hervor und wurde noch ärger. Die schönsten Landschaften sahen darinn als gekochter Spinat aus, und die besten Menschen wurden unausstehlich, oder standen auf dem Kopf ohne Magen [soll heißen: Bauch]; die Gesichter wurden so verdreht, daß sie nicht zu erkennen waren, und hatte man eine Sommersproße, so konnte man gewiß sein, daß sie über Mund und Nase hinauslief. Dies wär ausgezeignet amüsant, sagte der Teufel. Ging nun ein guter frommer Gedanke durch einen Menschen, dann kamm ein Gelächter von dem Spiegel, so daß der Kobolt-Teufel über seine künstliche Erfindung lachen mußte. Alle die welche in die Kobolt-Schule gingen - denn er hielt eine Kobolt-Schule, - die erzählte ringsum, daß ein Mirakel geschehen wäre, nun konnte man erst sehen / meinten sie, wie die Welt und die Menschen wirklich aussahen. Sie liefen mit dem Spiegel umher, und zuletzt war kein Land und kein Mensch, die nicht darinn verdreht waren. Jetzt wollten sie auch genn Himmel selbst hinauffliegen um die Engel und den Herrn zu spotten. Je höher sie mit dem Spiegel flogen, um desto slimmer lachte er, sie konnten ihm kaum festhalten; sie flogen höher und höher, Gott und die Engel näher, da zitterte der Spiegel so fürchterlich in seinem Gelächter, daß er ihnen aus dem Händen flog, und auf die Erde hinunterstürzte wo er in hundert Millionen und noch mehrere Stücken ging, und eben deswegen machte er weit mehr Unglück als früher; denn einige Stücken waren kaum so groß wie ein Sandkorn, und diese flogen rings in die [gestr.: Augen] weite Welt herum, und wo sie die Leute in die Augen kamen, da blieben sie sitzen, und dann sahen diese Menschen Alles verkehrt, oder hatten nur Augen für was an einer Sache übel war, den[n] jedes Spiegelstückchen hatte die selben Kräften behalten die der ganze Spiegel besaß; es ware[n] Menschen die sogar einen Spiegelstummelchen ins Herz bekamen und so war’s ganz entsetzlich, denn dies Herz wurde wie ein Eisklumpen. Einige Spiegelstücke waren so groß daß sie zu Fensterscheiben gebraucht wurden, durch diese Scheiben aber, war es nicht gut seinen Freunden zu beobachten; andere Stücke kamen in Brillen, und es ging [gestr. daß nur schlecht wenn die Leute diese Brillen aufsetzten um recht zu sehen und gerecht zu sein. Der Böse lachte bis sein Magen aufplatzte und dies kitzelte ihm so schön. Daraußen aber flogen noch kleinen Glaßscheiben in die Luft umher. Nun sollen Ihr hören!!!" - - -

Da fängt zweite Kapitel an. Das Mährchen macht 4 Bogen.

Ich weiß nicht ob E. Hoheit, drei von meinen in Deutsch übertragenen Büchern erhalten haben. Zwei sind in Berlin von Reutscher [soll heißen: Reuscher], enthalten die erste Samlung von der gesammt Aus/gabe meiner Mährchen, der zweite, seine Uebersetzung von vier abgesonderten (:Der Engel, die Brautleute, die Nachtigal, die häsliche junge Ente); ich hatte ihm aufgetragen die zu besorgen an E. Hoheit und er schreibt mir, daß sie durch die Gesantschaft in Berlin besorgt sind; das dritte Buch enthielt auch Mährchen, eine größere Ausgabe von Petit, leider uebertragen so wie Horatio, frei und ohne Duft, welche der Buchhandler Kittler in Hamburg, in meinem Name besorgen sollte. Ich hoffe daß E. Hoheit durch gnädiger Güte für mich, etwas darinn gelesen haben.

Außerdem habe ich einen neuen Operntex: Der Nöcken (d.h. Nixe) geschrieben, die schwedische Königinn Christine spielt ein[e] doppelt Rolle, Koniginn und Nixe. Mein neuer Roman bescheftiget mich sehr, allein die Mährchen stecken alle Augenblic[ke] die Köpfchen zur Thüre hinein und dann muß ich mich mit den Kleinen herumtumlen.

Und nun leben Sie wohl und glücklich, mein edler Erbgroßherzog! die volle Liebe und Ergebenheit eines treuen Herzens! Gottes Sonnenschein in Herzen [angefügt: -en] und Stube auf Ettersburg. Ich dichte einst ein Mährchen ganz und gar für den kleinen Prinz da, der, zu meinem Trost noch nicht besser Deutsch als ich spricht. Sie, Ihre liebenswerdige Gemahlin, die gnädigen Eltern stehen in meine[m] Herzen. Bringen Sie mir in Aller Erinnerung Euer Hoheit treu ergebener

H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen