Dato: 6. april 1845
Fra: Heinrich Zeise   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Altona d. 6.3. [d.h.4?] 45.

Lieber Herr Andersen!

Vielen Dank für Ihren lieben freundlichen Brief, und die Beilagen, welche Sie mir gesandt haben. "Lykkens Blomst" habe ich mit dem größten Interesse gelesen, es ist in dieser Dichtung eine so schöne lyrische Sprache, die ihres Gleichen suchte, ob diese Dichtung sich aber zur Übersetzung eignet, das ist eine Frage, die ich näher erörtern will, und ich bin fest überzeugt, daB Sie es mir nicht übel nehmen. Ewald, den Sie so schön schildern, für den ein jeder Däne sich lebhaft interessiren wird, ist in Deutschland wenig, ich möchte sagen beinahe gar nicht bekannt; schon deBhalb würde Lykkens Blomst auf der deutschen Bühne wohl schwerlich besonderes Interesse erwecken; Ewald ist ein Hauptträger der Dichtung für den der Zuschauer sich lebhaft interessiren muß, wenn dieser nun aber nicht einmal weiß, daß ein Ewald wirklich gelebt, und mit dem Schicksale bitter gekämpft und gerungen hat, so wird er ihn für einen erdichteten Charakter halten, und diesem mit weniger Interesse folgen. Ferner ist es bei einer lyrischen Dichtung von der größten Wichtigkeit, daß die Übersetzung ebenso fließend wie das Original sei, und ich traue mir wirklih nicht die Kraft zu Ihnen in Ihrem lyrisehen Sehwunge folgen zu können, und eine mittelmäßige Übersetzung möchte ich nicht liefern. Doch hierüber lassen Sie uns noch weiter sprechen, wenn ich von Ihnen auf diesen Brief eine Antwort werde empfangen haben.

Die Vorrede zu der Novelle habe ich durehgesehen, und einige Kleinigkeiten daran geändert; in dem einen Satze haben Sie geschrieben "und die eigenthümliehe Waldung mit ihrem langs des Kanals, alles trägt ein neues Gepräge", zwischen ihrem und langs fehlte jedenfalls ein Wort; in einem vorhergehenden Sätze, den Sie ausgestrichen hatten, stand "Garten", ich habe dies Wort dazwischen gefügt, bin aber in Zweifel ob es recht ist, und bitte Sie, falls es unrichtig ist, an mich zu schreiben. Der Artikel über Ernst Boas in "Dansk Album" ist recht gut geschrieben, nur hat es mir nicht gefallen, daß der Verfasser desselben auch den Theodor Mügge angegriffen hat; wohl weiß ich, daB Mügge über Dänemark manches unrichtige Urtheil fallte, aber trotz dieser Fehler sind dennoeh seine Skizzen aus dem Norden höchst interessant und belehrend. Mügge ist ein tüchtiger Sehriftsteller über den man kein flüchtiges Urtheil abgeben darf. - Ich werde Einiges aus diesem Aufsatze benutzen, und danke Ihnen für die Mittheilung desselben.

Ich übersende Ihnen, lieber Herr Andersen, einige Ihrer Gedichte, die ich übersetzt habe; die eine Nummer der krit. Blätter, in denen "Was ieh liebe" und "Das kranke Herz" stand, habe ieh leider nicht mehr erhalten können, und ixh theile Ihnen deßhalb diese Gedichte schriftlich mit. Aus dem ästhetisehen Jahrbuche "Gaea" welches ich gleich, nachdem es erschienen war, kaufte, habe ieh "Seelenwanderung" von Poul Møller und "Großvaters Weihnachtsabend" von A. C. Jessen, übertragen, ich sende Ihnen diese Übersetzungen; wenn Sie selbige fur gelungen halten, dann möchte ieh Sie bitten, sie an die Redaktion des "Dansk Album" zur Mittheilung zu sehicken, ich habe sie hier noch nicht drücken lassen. Einige meiner eigenen Gedichte habe ich auch beigelegt, und Sie würden mir einen großen Gefallen erzeigen, wenn sie dieselben dem Herrn Konferenzrath Ørsted gelegentlich einmal mittheilen wollten.

Mit der Übersetzung Ihrer Mährchen habe ich schon angefangen, und ich möchte Sie bitten, mir die andern drei welche Sie noch in Manuscript haben, recht bald zu senden, doch zweifle ich, daß Herr Kittler die Mährchen nach drei Monaten gedruckt wird liefern können, ich meinerseits werde mich soviel wie möglich beeilen.

Lassen Sie sich das, lieber Herr Andersen, was Boas über Sie geschrieben hat nicht nahe gehen; er mag im Schlamme seiner eigenen Jammerlichkeit ersticken; Sie stehen zu hoch, als daß er sie begeifern könnte, Deutschland interessirt sich für Sie, beachtet aber die Schreibereien des Probenreuters Boas nicht. -

Von Dr. Wienbarg, Kittler und meinem Vater soll ich Sie herzlich grüßen; und einem baldigen Briefe von Ihnen entgegensehend schließt Ihr

Ihnen aufrichtig ergebener H. Zeise.

N.B. Der Violinist Boje, welcher vor 2 Jahren in Kopenhagen war, hat das von Chamisso übersetzte Gedicht: "Die Mutter steht an der Wiege und schaut" componirt, es ist schon gedruckt und Boje wollte es mir für Sie zusenden, ich habe es aber noch nicht erhalten, werde es Ihnen jedoch bei meinem nachsten Briefe mitschicken. -

Sie haben wohl die Güte das einliegende Packet dem Herrn Konferenzrath Ørsted zukommen zu lassen.

H.Z.

Aufschrift:

H. H. C. Andersen Wgbr.

Addr. Hotel du Nord paa Kongens

i Kjøbenhavn

Nytorv

franco

hierbey ein Packet gezeichnet (enthalt Manuscript)

Addr. Hotel du Nord paa Kongens Nytorv

Kjøbenhavn

Tekst fra: H.C. Andersens Hus