Dato: 9. november 1845
Fra: Carl Alexander   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

14 Carl Alexander an Andersen

Eisenach den 9 November 1845.

Ihren kurz vor Ihrer Abreise geschriebenen Brief habe ich Vorgestern erhalten, mein Bester, als ich von einer kleinen Reise mit der Erbgroßherzoginn heimkehrte deren Ziel ein herrlich gelegenes, altes, geisterhaftes Schloß war an welches die Jagd uns mit einer heitern Gesellschaft eine Zeit lang fesselte. Wären Sie dort gewesen so hätte Ihre Phantasie sicherlich die alten Gemächer mit wundersamen Gestalten angefüllt welche durch die geheimen, hinter schweren Gobelins -Tapeten verborgenen Thüren, geschlüpft wären und sich gespiegelt hätten in den halbverblichenen, mit abentheuerlichen Schnitzwerk verzierten venezianischen Gläsern. Als ich vor einem derselben stand fiel mir ein, man könne ein herrliches Mährchen über solch einen Spiegel des Alterthums schreiben. Etwa so: ein junger Reisender würde irgend / wo vor solch einen Spiegel durch Zufall treten. In mitternächtiger Stunde sey es. Da, plötzlich, würde das Glas eine geheime Kraft entfalten, nemlich die: die Gestalten, die sich vor so und so viel hundert Jahren darinnen gespiegelt, wieder zu zeigen. Unter ihnen müßte ein reizendes Frauengesicht den jungen Reisenden entzücken, der jede Nacht zu (über gestr.: vor) dem wundersamen Gegenstand seiner liebe zurückkehrend, in Schmerz und Sehnsucht sich verzehren müßte. - Was meinen Sie über die Skizze? Ich denke es könnte etwas Gutes daraus entstehen. Sie könnten noch etwas Mord und Todschlag hinein verweben, daß es recht schauerlich würde, Sie könnten ferner die Geschichte des jungen Mannes mysteriös verweben mit der jener längst gestorbenen Personen deren Bilder aus der Vorzeit noch herüberwinken - wirklich, Sie sollten mein Mährchen ausführen und es mir dann geschrieben nach Weimar bringen. / - Wie glücklich sind Sie doch Italien wieder zu sehen! doppelt glücklich denn der ist immer zu preisen dessen Individualität in der mit derselben harmonisirenden Umgebung sich befindet. Und wo paßten Sie, personificirte Phantasie, mehr hin als in das land der Phantasie, als nach Italien? Ich bin froh Sie so glücklich und besonders so zufrieden zu wissen, denn dann ist das Glück erst vollkommen wenn Zufriedenheit uns die Erkenntniß des Glückes gewährt. Möge der Himmel Ihnen Beides erhalten. - Ich sende den Brief nach Oldenburg wie Sie wünschten. Kommen Sie doch bald zu uns, wir freuen uns schon lange darauf. Wir sind ein wenig wie die Kinder denen man des Abends ein Paar Mährchen versprochen hat und die nun sitzen und des Mährchen-Erzählers zappelnd warten. Also kommen Sie nur bald und erzählen Sie und machen Sie Sich gefaßt, daß wir Sie sehr festhalten werden. - Meine Eltern, die Erbgroß/herzoginn grüßen Sie; auch Frau von Groß an der Sie eine große Verehrerinn haben. - Reisen Sie glücklich, laßen Sie Sich durch die Nachtigall Lind nicht zu fest halten und kehren Sie bald in Ihre zweite Heimath nach Weimar zurück zu Ihrem aufrichtig ergebenen Carl Alexander

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen