Dato: 17. maj 1846
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

Neapel 17 Mai 1846.

Mein lieber, edler Erbgroßherzog!

Der erste Brief in Neapel war wieder der Ihrige! mehrere Tage habe ich immer auf dem Posthaus gefragt, und endlich ein Brief! ich kannte schon Form und Schriftzüge, und habe es gleich auf offener Straße in den bisschen Schatten ich da finden konnte, verschlungen, und nachher, zu Hause, noch einmal gelesen! - Ich habe nichts was ich Eurer Konigliche Hoheit schencken kann, ohne meiner Liebe, meine Treue! Sie sind mir so fest ins Herzen gewachsen, daß ich fühle ich mußte tief leiden, wenn Sie einmal mir kalt und fremd in die Welt werden, aber daß kan nicht werden; der Fürst und der Dichter bleiben einander treuen. O Gott segne Sie in alle Ihren edlen Streben, Sie, Frau Gemahlinn und das Herz, welches aufwachst im Hause, (Carl August).

In Rom habe ich Brief aus Wien bekommen, da wurde die Lind

noch erwartet, und denken Sie, E. K. Hoheit, man schrieb: in höheren Circlen wird gesprochen, Die Lind soll eine gute Sängerinn sein, aber ohne Gefühle, ohne Spiel, und man glaubte daran. Nun, dachte ich, wenn sie kommt, müssen die Leute anders sprechen, und es ist geschehen; ich höre jetzt, aus Briefe und Zeitungen, die Wiener, alle Stände, sind auser sich vor Entzückung, sie hat Alle bezaubert, sie hat die Tadolini, und alle Sängerinnen ueberwunden; ich wußte es! der wahre Genius mit einem Herzen im Busen, siegt ueberall! - Das letzte Brief von die Lind war voll von Liebe und Anhänglichkeit an Weimar und die hohen, edlen Freunden da. Ich sehe sie nicht ein Jahr, vieleich nie - ! es kommt mir so vor! -

In Rom bin ich ein Monath geblieben; da wächst man selbst in die Ruinen hinein, und lebt mit die versteinerte Göttern, und immer blühen die Rosen, und immer läuten die Kirkeklokken, aber Rom ist doch nicht Rom, wie noch vor 13 Jahren; Alles ist modernisirt, selbst die Ruinen; das Graß und die Büsche sind abgepflückt, Alles ist so sauber gemacht, und selbst nach die Campagne ist der Verstand, auf unsichtbaren Eisenbahnen hineingefahren; der Bauer glaubt nicht so wie früher. Ostern standen die Leute von der Campagne, mehrere Massen standen vor der Kirche, so wie die protestantischen Fremden, da der Pabst den Seegen gab; es war meinen Gefühle zuwieder, ich, ich fühlte Drang vor den unsichtbar Heiligen zu knien. Da ich war in Rom erste Mal, knieten sie Alle; der Verstand hat selbst die Glaube ueberwunden. Nun, das Beste kommt immer aus Allem heraus! - Nach 10 Jahren, wenn die Eisenbahnen die Städte , Nordens und Südens, näher bringen, ist Rom noch mehr verändert, und doch muß man Rom lieben! Rom / ist wie ein Mährchenbuch, man endeckt immer neue Wunder und lebt in der Phantasie und der Wirklichkeit.

Die herlichsten Gemählden, glaube ich, sind in Rom, und doch stelle ich die Statuen noch höher! Da ich erste Mal war in Paris, hatte ich kein Auge, keinen Gedanken für Sculptur, erst in Florenz vor die medicæische Wenus ging es mir so, daß ich sagen mußte, wie Thor[v]aldsen: "der Schnee zersmolz mir vor den Augen," da ging eine neue Kunstwellt für mich auf, und jetz liebe ich die Statuen weit mehr, als die Bilder; in Rom und Neapel trit auch diese Kunst so großartig ins Leben hinein, daß man wie mitgerißen wird. - Von diese neuen Sachen in Rom stelle ich am höchsten Jerichau s "Jäger"; diese Statue, bin ich ueberzeugt, muß noch höher gestellt werden als sein vielbesprochene Hercules und Hebe; er hat schon von einem rusischen Fürst Bestellung darauf bekommen, und ist mit Frau, auch eine ausgezeichnete Künstlerinn, sein Gesundheits wegen nach Dänemark abgereist, und vieleich in diesem Augenblick in unserem lieben Weimar, wo er sich innig freute mit Eurer königliche Hoheit zu sprechen. Jerichau ist aus Fühnen, meinem Geburtsort.

Ich war sehr freundlich aufgenommen in Rom; der hanoweranißche Botschafter Kästner ist ein forträflicher Mann, ich war öfter bei ihm, und er hat zwei ähnliche Portraits von mir gemacht. Der dänische Bildhauer Kolberg, in Dänemark sehr geschätzt, hat meine Büste gemacht, die geht diesen Sommer zur See nach Kopenhagen, von da ab ueber Stettin, hoffe ich, will ein Abguß nach Weimar kommen für Eer: Konigliche Hoheit, Sie wollen ihr wohl eine kleine Ecke in der Stube verleihen, doch es kann lange dauern bis sie kommt, ich hoffe das Original selbst fliegt Ihnen, mein lieber Erbgroßherzog, früher entgegen.

Ungefähr die letzten acht Tagen in Rom bin ich krank gewesen, lag ein Paar Tage zu Bette, und nachher, den die Scirocco weht ewig und immer, fühle ich mich so sonderbar mat und angegriffen; die Hitze hier in Neapel ist mich unerträglich bei solcher Witterung; man kan schon nicht gut, am Tage, ueber die sonnen beleuchteten Plätze und Straßen gehen, die Hitze fält wie Hercules Giftkleidung ueber die Glieder, es ist als ob das Marck aus die Beine gebrannt wurde, man lernt langsam gehen, und jeden kleinen Schlagschatten von die Nachbarhauser auszusuchen; am Tag muß man fahren, nur des Abends gehen.

Den ersten Mai reiste ich mit Graf Paar (Bruder d: Prinz. Paar in Wien) mit wer E. K. Hoheit wissen ich wohnte in Rom; im Wagen war auch die Comtesse Brockdorff, (Schwester der Frau Professorinn Michelsen in Jena); wir flogen ueber die Campagne, dieser großer Kanewas für die Weltgeschichte, ueber die blühende Sümpfe, dessen Grün ohne Abwexlung zuletzt aussieht wie Kattun der von Ellen abgemist wird; immer schönes Gras, Wasser und Aleen! - Es war schön bei Terrazina! das ewige schwellende Mare, die ich liebe, sah / ich wieder; in Mola verweilten wir eine Nacht und einen Vormittag, gingen unter den Citronen-Bäume und Laurbeeren; hier fängt eigentlich Italien an, "das Land wo die Orangen glüht". Bei Göthes Lied muß ich an seinen Enkel dencken, den ich in Rom gar nicht gesehen, und doch ging er täglich aus, aber konnte sich nicht bestimmen mich zu sehen. der Bruder in Wien kam mir mit voller Seele entgegen er war mir zu gut, ja beim Abschied hat er mir (gestr.: sogar einen sehr schönen Reiseschreibz(e)ug geschenckt; ich glaube auch, daß die Mutter mir gut gestimt ist, aber des Dichters Göthes, neue Ausgabe, letzter Hand, wollte mich gar nicht kennen; nun, er muß krank sein, ich fühle es, und bin im gut, aber warum sollen wir uns nicht schon auf dieser Erde einander freundlich die Hände reichen. Mutter und Sohn, höre ich, sind gestern hieher nach Neapel gekommen.

Ich wohne mit ein wundervollen Aussicht ueber dem Golf gegen Vesuv; mein Wohnung liegt auf St Luzia, wo alles Leben ist aus Land und Meer. Welche Licht-Efect ist hier des Abends! im Norden streut der Mond Silber auf die Wellen, hier ist es Gold! ein Duzend Fischerkähne fliegen vorbei, alle mit Peckfaklen, welche einen obelischenartigen Glanz auf die Meeresfläcke werfen; die drehende Lanterne auf dem Leuchthurm, das Licht wird immer stärker und dann wieder unsichtbar; die tausende Lichter auf der Strase vor alle Boutikken, und die Kinderprocession mit Lichtern; Wagen [gestr.: rollen] mit Lanternen, wie rollenden Feuerkugeln raszlen vorbei und ueber Alles giebt Vesuv seine ewige Girandola.

St Carlo ist geschloßen, doch hier sind auch weder Sänger

noch Sängerinn; ich bin in del fondo gewesen, habe die (eingefügt: die) Brombilla gehört als Luzia, ich bin eiskalt gewesen, ich fühlte Langweile; eigenlich sollte man nie die Jenny Lind hören, so konnte man mehr zufrieden sein; ich denke hier wie bei mehrere Sachen, an die bibelsche Worte "- wenn man das himlische Brod gekostet hat, will das irdische nicht länger schmecken!" -

In Rom und täglich und fleißig hier in Neapel, habe ich an meiner Biographie geschrieben vor die deutsche Gesamtausgabe meiner Schriften; ich denke in Sorrent es zu beendigen; Sie mein hoher, lieber Freund kommen auch in das Lebens Mährchen hinein; wie konnte ich das schreiben, ohne meine Herz und Sinn für Sie auszusprechen, Sie haben so viel Sonnenschein hineingeworfen, aber für die Welt denke ich immer an den Fürst; E: K: Hoheit könn auch das ueber Sie erst lesen; doch Sie wissen es, für Gott und für uns sind wir Freunde, für die Menschen soll ich nie vergessen welche hohe Stelle Sie haben.

Von die Vielen in Neapel die mich freundlich aufgenommen habe, ist mir der preusische Gesandte Baron Brockhausen ambesten; er ist ein sehr interessanter Mann, giebt ein schönes Haus, und hat sich gleich angeboten mir bei mehreren von die Diplomaten einzuführen, ich gehe aber bald weg, uebermorgen vieleich nach Sorrent und dann nach Capri, Amalfi und Ischia; - Ende [über gestr.: Mitte[ Juni hoffe ich in / Marseille zu sein und da bitte ich Eur: Konigl: Hoheit den nächsten Brief wo mit Sie mich erfreuen wollen hinzuschicken post restante [doppelt unterstr.]; von Marseille gehe ich nach Spanien; wie weit und wie lange ich da verweile, hängt ammeisten davon ab, wie ich die Hitze vertragen kan; schon hier in Neapel, wie gesagt, und dennoch sind wir in Mai, fühle ich mich sehr angegriffen, aber die Scirocco weht immer, und ich bin früher noch nicht im Sommer (eingefügt: im Sommer) in Italien gewesen, -

Die jungen Prinzen von Glücksburg sind hier und wir haben uns gegenseitig besucht; sie sind sehr liebenswürdige junge (eingefügt: junge) Leute, beyde in preusische Dienst. Mit verschiedenen Menschen habe ich ueber Eurer Königl: Hoheit und Weimar gesprochen, und es freut mich wenn sie Lust fühlen beyde zusehen und kennen; ich bin glücklich wenn ich solche treffe, die Eurer Konigl: Hoheit und die edle Streben der rührt sich in Ihnen, verstehen. Ja, Weimar soll wieder blühen und neben Carl August, soll die Wellt Carl Alexander sagen; ich will stolz auf Sie werden, min lieber, guter, hoher Freund!

Die vortrefliche, kluge Erbgroßherzoginn mein ehrfurchtsvollen, herzlichen Gruß! auch die hohen Eltern! bei die Hofdamen, so wie die Frau von Groß, Gräfinn Beust, Kansler Müller, Schöll, bitte ich in Errinnerung geruffen zu werden, und wenn Eur: Konigl: Hoheit schreiben an die konigliche Schwester, die Prinzessin von Preusen, so sagen Sie dann daß Sie und der herzlichen guten Prinz, der Sohn, sind mir unvergeslich in Gedanken; und nun um italienisch zu sprechen filisischima Vita! - In Marseille darf ich Brief post restante erwarten. Diesen Sommer liest Eur: Konigl: Hoheit nur ein Geiger, Sie haben mir es versprochen, die Kaiserliche Hoheit hat ein Exemplar, nicht wahr? Machen Sie mir die Freude! Werden Euer Konigl: Hoheit müde am Ende den ersten Theils, bitte ich nicht daß Sie mehr lesen. Ihr innig ergebener treuer H.C. Andersen.

N.S. Briefe für mich, gehen nach Neapel adressirt an "Le chevalier Fleischer Consul général de S.M. le Roi de Danemarc", accredité pres la Cour de deux Siècles. Strada fiorentini 29.

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen