Dato: 17. juli 1846
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Oldenburg den 17 Juli 1846

Lieber Andersen! Ihr Brief aus Neapel war schon recht sehnsüchtig erwartet, dafür machte er uns aber auch nun doppelte Freude. Aber wo ist mein Brief nach Wien? ich begreife es nicht, und denken Sie nur wie merkwürdig daß fast in derselben Zeit auf demselben Wege zwei Briefe verloren gingen, einer der Königin von Griechenland an den Großherzog, und ein anderer von hieraus nach Griechenland geschickte sind' gleichfalls auf dem Wege von hier bis Wien abhanden gekommen. Es scheint da doch einige Unordnung zu herrschen. Es thut mir leid in jeder Beziehung daß der Brief nicht zu Ihnen gelangt da er manches für Sie Interessante über hiesige Zustände enthielt, so viel ich mich erinnere, will ich heute nachholen. /

Nun aber zuerst noch wieder zu Ihrem Brief zurück, worin mich die Nachricht daß Sie sich so unwohl fühlen doch fast etwas erschreckt hat, ich hoffe von ganzem Herzen daß nachdem Sie Neapels Hitze hinter sich hatten Alles besser wurde. Ihre Reisegesellschaft nach Rom mit wohl verschloßenen geladenen Pistolen hat mich sehr amüsirt. Vollkommen begreife ich daß Rom in seiner ganzen Erscheinung Ihnen seitdem Sie es nicht sahen verändert erscheint, die nüchterne praktische Werktagsrichtung unserer Zeit kann auch an dieser großen Weltstadt nicht ohne Folgen vorübergehn. Auch der Nichtreligiöse dort kann sich nicht ganz frei von dem Einfluß der verschiedenen religiösen Vereine halten.

An Ihrem Geburtstag habe ich Sie in Gedanken in Rom aufgesucht, und meine Gedanken irrten nicht wenn sie Sie im Freundeskreise fanden. Ihr Bild wurde an dem Tage mit einem frischen Kranz geziert, habe ich die verheißene Büste erst soll sie an jedem 2. Aprill ein Kranz schmücken. Ihre Nachrichten über Jerichaus eminentes Talent stimmen mit denen von Stahr vollkommen überein, er muß wunderbar begabt sein. Von dem Jäger hörte ich zuerst von Ihnen, dagegen ist der Ruhm von Herkules und Hebe längst zu uns gedrungen. Haben Sie denn meinen kleinen Landsmann den Bildhauer Steinhäuser wohl in Rom gesehn? erlst ein großes Talent, Sie erinnern sich vielleicht seine beide Fischer Knaben hier im Schloß gesehn zu haben, auch die Büsten des Großherzogs und der Großherzogin sind von ihm. /

Von Stahr habe ich mir von Ihnen erzählen lassen, der arme Mann kann sich hier im Norden garnicht zurecht finden, er hat schreckliches Heimweh nach dem schönen Italien und wie man behaupten will nach einer gewißen schönen Schriftstellerin Fanny Lewald, deren Bild er Stundenlang in sprachloser Seeligkeit betrachtet, ich finde das für einen Ehemann und Vater von 5 schrecklichen Kindern ein ziemlich unpassendes Vergnügen. Gewiß ist daß seine arme Frau immer in Thränen schwimmt, und sich über .den zurückgekehrten Mann nicht freuen kann. Stahr ist jetz fleißig an seinem Buch über Italien, und da kann man gewiß etwas recht Tüchtiges erwarten. /

Ihre Arbeits Berichte, lieber Andersen haben mich recht gefreut, aber daß ist gewiß eine schwere Aufgabe, da ja fast noch alle Personen leben mit denen Sie in Berührung gekommen, und da giebt es doch manche Verhältniße die man geschickt umgehn muß. Ob Sie wohl nach Spanien kommen, ich bin doch wirklich recht begierig, aber im Herbst erwarte ich Sie jedenfalls, und dann können Sie uns gar viel Schönes erzählen. /

Hier werden Sie manches verändert finden, vor allem fehlt das Lützowsche und Gallsche Haus ganz, da Sie nun meinen Brief nicht haben wissen Sie von alle detn nichts und ich muß Ihnen schon noch einmal berichten: der Baron Gall bekam im Januar einen sehr ehrenvollen Ruf als Theater Intendant nach Stuttgard den er natürlich annahm, da erstens dort die Verhältniße sehr viel großartiger wie hier und zweitens er sich auch in pekuniärer Beziehung sehr verbeßerte. Dazu ist er ein Südländer, und zog sein Sinn eigentlich stets nach dem Süden. /

Einige Wochen nachdem dies alles in Ordnung, und Gall im Aprill sein Amt in Stuttgard antreten wollte, erschien in einem hiesigen Blatte, ein sehr hämischer, boshafter, ja offenbar schlechter Artikel gegen ihn und seine hiesige Thätigkeit, (auch Mosen bekam eine wirklich abscheuliche Bemerkungen ab). Natürlich wollte Gall den Schreiber heraus haben, da der Artikel anonym war. Alle Vermuthungen und Spuren führten auf H.von Lützow der mit Gall eng befreundet und nah verwandt war. Lützow den das Gerücht als Schreiber bezeichnete war krank, schickte aber da sein erwachsener Sohn und Neffe ihn fragten ob er den Artikel geschrieben, durch diese sein Ehrenwort auf die Parade, daß er es nicht geschrieben. Darüber gingen einige Tage hin, man glaubte, glaubte nicht, wie das denn so geht. Da aber gesteht Lützow von den fürchterlichsten Gewißensbißen gefoltert Gall selbst ein daß er der Schreiber sei, natürlich folgte ein Duell, welches aber ohne erhebliche Folgen blieb. /

Lützow war aber durch sein falsch gegebenes Ehrenwort dermaßen compromittirt, (dazu kam noch ein öffentlicher Schmäh Artikel gegen [ihn] der unter dem Titel: »Sendschreiben an einen vornehmen Mann« ihm fürchterliche Dinge sagte), daß er augenblicklich seinen Abschied als Hoff Kavalier und Reisemarschall bekam, und nun natürlich da seine Stellung hier vernichtet war, mit der ganzen Familie von hier fort zog. Es ist jedenfalls ein großer Verlust für Oldenburg. Frau und Tochter waren sehr liebenswürdig, und auch er war ein angenehmer Gesellschafter, dieser schlechten Handlung hätte ihn wohl Niemand fähig gehalten. /

Die Familie Lützow ist jetz noch auf Reisen um sich einen Wohnort zu suchen, sie haben die Idee den künftigen Winter in Dresden zuzubringen. Galls sind nun seit Aprill auch alle fort, es gefällt ihnen aber allen sehr gut in Stuttgard. Für uns ist der Verlust dieser Familie hier sehr groß, da wir sie eigentlich täglich sahen und das ersetz sich nicht so leicht. Selbst eine noch so eifrige Correspondenz gewährt gegen einen täglichen Verkehr nur einen sehr dürftigen Ersatz. /

Den 19. So weit kam ich gestern lieber Andersen, als ein Besuch mich am längeren Schreiben hinderte. Darüber kommt nun mein Brief erst heute fort. Von Mosen soll ich Ihnen die herzlichsten Grüße sagen, er ist seit einigen Wochen fort, erst nach Bedin um dort einen berühmten Artz zu consultiren, über sein leider immer zunehmendes Fuß Leiden, und von dort hat man ihn in ein süddeutsches Bad, Wildbad geschickt. Er war in der letzten Zeit recht leidend, und wie ich den Zustand beurtheile, scheint mir leider wenig Hoffnung zu einer gänzlichen Heilung.

Mayers habe ich auch garnicht gesehn, da beide Kinder von Scharlachfieber krank waren, und [da 1 das eine bösartige sehr ansteckende Krankheit ist, waren sie Monate lang von allem Verkehr abgeschnitten; jetzt ist aber Alles wieder gut. Mit unserm Theater siehts gar nicht gut aus, es gerieth sehr in Verfall. Mosen und der Intendant können sich garnicht vertragen, natürlich zum Nachtheil des Ganzen. Die Fräulein Sänger hat sich als durchaus unbrauchbar bewiesen, sie geht auch zum Frühjahr fort. Rötseher ist in allen deutschen Zeitungen den boshaftesten Angriffen ausgesetz, theilweis gewiß gut verdient. Mosen ist lahmer wie je, wir kommen wenig mit ihm in Berührung, denn da wir in de_ Theaterangelegenheiten ganz auf Seiten des Intendanten sind, so ist ein Zusammensein mit ihm nicht erfreulich. Mir ist auch der weibliche Theil der Familie zu unangenehm. Von Beaulieus schreibe ich nichts, da sie Ihnen selbst berichten werden. /

Aus Bremen habe ich die herzlichsten Grüße von allen Seiten für Sie, eine junge Dame schwärmt nachdem sie Ihr Bekanntschaft gemacht hat, dort gar sehr für Sie. Und nun Adieu lieber theurer Andersen, bitte bitte lassen Sie mich nicht so lange wieder auf Nachricht von Ihnen warten; Sie glauben nicht wie ich mich geängstigt. Die Kinder grüßen Sie sehr schön.

Immer mit herzlichster Freundschaft

Lina v. E.

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