Dato: 14. september 1846
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

Leipzig 14 September 1846

Mein lieber, theurer Erbgroßherzog! So sind wir wieder geschieden, weit von einander! Ich weis nicht, aber es ist mir dies Mal, als ob wir nur auf Eisenbahnen einander vorbei geflogen sind. Mein Körper ist mehr leidend gewesen als Eurer Konigliche Hoheit, vielleicht glaubten, ich konnte deswegen, bei Ihnen nicht der Heitere, Seelengesunde sein, wie ich es gern möchte; dies Gefühl trug ich immer in mir, selbst kam ich mich dum, und langweilig vor. Ach Sie sind mir so liebevoll gewesen! Unsere Gespräche bei der schlancke Buche in Ettersburg, und auf der Bank in Belvedere, will immer ich behalten, ja mein theurer, hoher Freund, wir bleiben Freunde für das Leben; ich will alle meine Kräfte aufbieten um Ihnen würdig zu sein, denn ich weis es, die Seele die lebt und bewegt sich in Ihnen, will neue Sonnenstrahlen ueber das Land werfen, das ich liebe wie ein zweites Vaterland. Auch ich will Alles thun um Liebe und Interesse für die Stelle zu erregen wo ich bin wie ein Kind des Landes vom Fürste und den Besten aufgenommen; ich will so gern daß Alle lieben müßen was ich liebe. Sie mein edler, theurer Erbgroßherzog sind mir ein erneuerten Beweis für das Edle der Menschheit die ich immer mehr und mehr lieben, und an die ich immer mehr glauben muß! Durch Sie liebe und verstehe ich das Edle in Fürsten, die in unsere Zeit gar zu streng beurtheilt werden. Ach wenn wir uns doch Alle kennten wie wir uns selbst verstehen, wie viele Liebe wäre dann mehr in der Welt. Ich glaube so an E: K: Hoheit, sollte es auch gescheen, daß ich bisweilen, im Leben, seltenern Brief von Ihnen bekomme, sollte es sein, bei öfteres Begegnen, daß Sie mich mehr gewönlich empfang als jetzt, ich zweifle doch nicht an Ihrer Innigkeit für mich. Mehrere Monate hörte ich gar nichts von Jenny Lind, aber ich bin ruhig und uberzeugt sie ist mir unverändert die nähmliche geblieben, ich habe / einen sichreren Platz in ihren Herzen, so auch glaube ich an Sie mein hoher Freund; mit al meinen Gedanken umfasse ich Sie, verstehen Sie auch mich so! Sie wollen es, und noch mehr wenn Sie meine Biographie gelesen habe, da liege ich Ihnen wie ein aufgeschlage[schlage]nes Buche! - Ich

kann Sie nicht mehr entberen! Ich weis [gestr.: auch] wie gut, wie herzlich Sie von mir gesprochen haben,es hat mich tief gerührt.

Der nehmliche Tag an dem Ihre Konigl: Hoheit von Weimar abreiste, ging auch ich davon; in Jena verweilte ich fünf Tagen und habe mit Wolff eine Menge von meine Gedichte in Deutsch uebertragen, er hat eine erstaunliche Fertigkeit in der deutschen Sprache. Die Uebersetzung ist treu und schön; zwei Bände Gedichte kommen heraus; Eurer Konigliche Hoheit kennt nicht meine Fähigkeit als Lyriker, darum schreibe ich hier drei (aus: zwei) sehr verschiedene Gedichte ab für Sie, sagen Sie mir welche Sie am meisten anspricht. Ich bin hier in Leipzig sehr mit der gesammt Ausgabe meiner Schriften beschäftiget.

Den gute Kanzler Müller habe ich hier getroffen, wir sind einem Mittag gewesen bei die Frege; er hat mich Vieles und Schönes ueber der Erzherzog Stephan erzählt, es freute mich innig, da ich weis wie lieb Sie haben der Erzherzog, wie befreundet Sie beide sind; so einen Freund wünsche ich Ihnen, vieles Gutes kann davon kommen. Zwei edle Menschen, die ein ander verstehen, sind ein Glück, eine Freude! muß er doch Ihnen sein was ich wünsche daß ich es könnte! und nun -ich darf jo [soll heißen: ja] Alles frei aussprechen - schonen Sie sich mehr als in die letzten Jahren! ich fürchte das Ihr Körperliches nicht diese ewige Anstrengung aushalten kann, wie Ball, dann Parforce Jagd, dann wieder neue Anstrengungen! schonen Sie sich mehr! bleiben Sie gesund für die welche Sie liebe! Alles was Eurer Konigliche Hoheits Person antrift berührt auch mich! Ihr Glück ist das / meinige! - Diensttag gehe ich fort, ueber Oldenburg nach Kopenhagen, dahin komme ich Anfang October. Schreiben Eurer K. Hoheit noch in dieser Monat, da geht der Brief nach Oldenburg post restante, (NB Oldenburg in Großherzogthum Oldenburg) sonst nach Kopenhagen, an Konferenzrath, Großkreutz Collin. Bringen Sie der guten, vortreflichen Frau Erbgroßherzoginn meine innigsten, tiefgefühltesten Danck for [soll heißen: für] Ihre gnädige - nein herzliche, muß ich sagen - Gesinnung gegen mich während der kurzen Tagen auf Ettersburg. Wollen E. K. Hoheit mich auch in gnädigste Erinnerung bringen bei S. M, der Konig von Holland.

Mein Gruß an die Frau Gräffinn von Redern und Graf Beust! die beide waren mir so freundlich und gut. Graf Beust hat ein Stück meines Herz gewonnen, und doch, daß wissen wir, Sie haben es doch ganz und gar, mein theurer, hoher Freund.

Gott segne und geleite Sie! Alles Glück und Freude ueber Sie und das liebe Weimar. Ihr K. Hoheit

treuer ergebener H.C. Andersen

/

1.

Kleiner Viggo.

#

Kleiner Viggo, willst Du Pferdchen reiten?

Setz Dich auf mein Knie, Du meiner Lust!

Kind bin ich, wie Du, mit Leib und Seele,

Laß uns spielen, bis zu Bett Du mußt.

#

Hier bei Dir find ich den Kinderhimmel

Und vergesse, wie mir weh gescheh’n; -

Laß mich deine rothen Wangen küssen,

Laß mich ich die braune Auglein sehn;

#

Zeige mir, wie groß Du bist, mein Herzchen,

O wie lieb dein Händchen ist, wie rund!

Lächeln sitzt in deinen zarten Grübchen,

Gar zu hübsch ist doch dein kleiner Mund.

#

Jedes Blümchen liebst Du wie ein Bruder,

Kosest mit ihm freundlich das und dies;

Hast die ganze Welt in deiner Mutter

Und ihr Schooß ist Dir ein Paradies.

#

Will ein hübsch Geschichtchen dir erzählen,

Bis Du in dein weiches Bettchen mußt;

Will ein Lied dir singen bis du schlummerst,

Kleiner Viggo, Deiner Mutter Lust!

#

Bist du älter, wirst vielleicht Du singen

Mir auf meinem letzten Erdengang; /

Wenn die Schollen meinen Sarg bedecken,

Singst Du mit den dumpfen Wiegensang!

#

Denke seiner, der Dich oft geschaukelt

Auf dem Arm, nach treuem, altem Brauch.

Mich vergißt die Welt und meine Lieder,

Meine Lieb’! Vergissest Du sie auch?

2.

An Thorwaldsen

bei seiner Aufnahme im Studentenverein.

NB Die Mitglieder dieses Vereins im Kopenhagen sind ältere und jüngere Männer der Wissenschaft; nur Solche, die studiren oder studirt haben, können demselben beitreten; allein mit Thorwaldsen wurde eine Ausnahme gemacht. Nur im October findet auf der Kopenhagener Universitet die Immatriculation Statte.

#

#

Im Weinmond da wird man Student,

Das heißt, wenn treflich man bestanden;

Kan Griechisch, Römisch excellent,

Und was bei Archimed wir fanden;

Wenn weise man bei Klio schwur; /

Wir thaten’s leidlich allerwegen;

Dir ward die herrlichste Censur;

Du sprachst mit Meißelschlägen.

#

Du ward’st Student, o glaube mir,

October just muß das bescheeren;

Du hast Dich durchgehauen, hier

Bringst Du die Redensart zu Ehren.

Was ist Dein Pensum im Homeer,

Wie wandelst Du auf seinem Pfade?

Da stelltest Du in Thon uns her

Die ganze Iliade.

#

Wie Phidias geredet hat,

Sprachst herlich Du in unsern Landen,

Und was Horaz geschildert hat,

Gabst plastisch Du; Du hast’s verstanden.

Der Schönheit Kreise zogest Du,

Triebst Götterform aus Erdenschooße,

Und in Geschichte stelltest Du

Selbst Klio dar, die Große.

#

Man fragt Dich aus dem Christenthum:

In Marmor lässest Du’s erblicken.

Sieh! Christus kam in’s Heiligthum

Mit Kraft und Mild’ uns zu erquicken.

Du triebst so Astronomie

Das uns Kopernicus geblieben;

Du machst den Stein zur Poesie.

Den Styl hast Du geschrieben. /

#

Dänisch, Latein, mit Marmorwort

Sprachst Du, daß wieder Todtes lebte;

Vernommen ward’s im Süd, im Nord,

Daß Dännmarks Mutterherz erbebte.

Der jüngste Kreis steht um Dich her,

Die Augen glühn wie Freudenkerzen.

Wer lieb(t) wohl und bewundert mehr

Als frische, junge Herzen?

3.

Thränen.

Mein Herz, ein graues Himmelreich,

Die Sorgen, drin den Welten gleich;

Es ist so wunderlich ihr Lauf,

Drum nimmt die Brust so schwer sie auf:

Weinst Du, sich Ruhe dir gesellt,

Denn jede Thrän’ ist eine Welt,

Ist eine Welt voll Sorg’ und Lust. -

Sie rollt herab von deiner Brust.

#

Und weintest Du Dich müd im Schmerz,

Wird von den Thränen leicht dein Herz;

Die Sorge, sei sie noch so groß,

Wohnt in der Thränen-Welten Schooß.

Glaubst Du, daß er, der Alles schaut,

Das Tröpfchen, das im Graße thaut,

Der was nur zu ihm strebt, erhält,

Daß er vergäße einer Welt?

H.C. Andersen

(In deutsch von Wolff.)

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen