Dato: 5. februar 1847
Fra: Heinrich Zeise   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Altona d. 5/2.47

Lieber Herr Andersen!

Ihnen sage ich meinen herzlichsten Dank flir das Vergnligen, welches mir das Lesen Ihres Romanes "O. T." gewahrte, es war dies der einzige Ihrer Romane, den ich noch nicht gelesen hatte, und derselbe zog mich so an, daB ich ihn in einer Tour durchlief; jetzt werde ich denselben noch einmal, aber mit groBerer Ruhe durchlesen. lch habe mit Wilhelm gejauchzt und mit Otto geweint, und den niedlichen Mädchen auf dem Landgute Fühnens meine Huldigung dargebracht. - Sie sind ein glücklicher Mann!

Vor zwei Jahren sandten Sie mir dann und wann eine Brieftaube, und ich freute mich jedes Mal, wenn eine aus lhrer Hand zu mir über's Meer flog; aber jetzt habe ich seit langer, langer Zeit keine Zeilen von lhnen gelesen. Habe ich Sie beleidigt? ich glaube es nicht, aber Sie haben eine so groBe Menge Freunde und Bekannte, und ich weiß wohl, daB ich nicht oben auf dem Strome schwimme, und wenn ich auch nie die Oberflache erreichen sollte, ringen will ich doch wenigstens darnach. -

Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von Lorck,der mich aufforderte, daß ich mich bei der Herausgabe lhrer Schriften betheiligen möchte, ich sollte dann vorläufig einen Theil der Gedichte übersetzen; auch wollte er aus der bei Naeck erschienenen Sammlung einen Bogen herausnehmen, ich kann noch nichts darüber bestimmen, weil ich erst mit Naeck Rücksprache nehmen muß; und dann müßte Lorck mir auch die Gedichte bezeichnen, da es mir nicht möglich ist ein jedes zu übersetzen, ohne daß die Übertragung den Reiz des Originals verstöre. -

1m December sandte ich an H. P. Holst einen Brief und ein Packet Bücher, es enthielt meine Gedichte, von welchen Sie, Oersted und Winther, ein Exemplar haben sollten; ich erhielt aber keine Antwort von Herrn Holst, und nun befürchte ich, das die Adresse vielleicht nicht richtig gewesen, und Holst garnicht das Packet empfangen hat. Ich habe "Gioacchino" übersetzt, und wünschte von ihm die Partitur zu erhalten, da ich das Drama an die Hamburger Direktion übergeben will. - Nun bitte ich Sie, lieber Herr Andersen, den einliegenden Brief besorgen und mir recht bald einige Zeilen senden zu wollen, denn wenn ich keine Nachricht von lhnen erhalte, so will ich Sie wie einen lieben Todten betrachten, und dies soll der letzte Brief sein, den Sie von mir empfangen haben. Grüßen Sie meinen lieben Lehrer, den Herrn Konferenzrath Oersted recht herzlich von lhrem ergebenen

H. Zeise.

7/2 So eben war Naeck bei mir, der mir sagte, daB er höchst wahrscheinlich eine zweite Auflage meiner Übersetzung Ihrer Gedichte bringen werde, und dann ziehe ich es natürlich vor, die Gedichte, welche ich noch übersetzen werde, in die zweite Ausgabe aufzunehmen. - Lassen Sie mich doch auch wissen ob P. L. Møller noch in Kopenhagen ist, er versprach es, mich auf seiner Durchreise zu besuchen, und ich antwortete ihm schon im December, er wollte mir ein, von Oehlenschläger deutsch geschriebenes Gedicht mitbringen, welches ich in eine Anthologie dänischer Dichter, welche ich in diesem Jahre mit Thomsen herausgeben werde, aufnehmen wollte. - Den einliegenden Brief haben Sie mir die Güte recht bald zu besorgen

Ihr ergebener H. Zeise.

Aufschrift:

Herrn H. C. Andersen Wgbr. p. Addr. H. Konferenzrath Oersted in

Kopenhagen

Tekst fra: H.C. Andersens Hus