Dato: 16. oktober 1848
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

66 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 16 October 1848

Mein lieber, theurer Erbgroßherzog! Ich bin wieder in Kopenhagen! - Die Prinzessin Juliane hat mir durch den Prinzen Ernst einen Gruß gebracht von dem lieben Weimar, von Ihnen, mein hoher Freund und von der koniglichen, liebenswürdigen Gemalinn. Mein bester Dank dafür, daß ich so in Ihren Gedanken bin; wie fest und innig Sie, mein theurer hoher Freund, in den meinigen sind, wissen Sie. Ob wir uns ferner wiedersehen werden, wann und wo - das weiß nur Gott! tiefe, blutige Wellen gehen über die Länder hin in diesem Jahre des Entsetzens! ach, ich habe Sie so lieb! und wir sollen uns nie wiedersehen hier auf Erden! nein! nein, nein, es kann nicht so sein!

Hier in Kopenhagen ist, Gott sei gelobt, Alles ruhig und gut. Graf Thun aus Wien, welcher auf seiner Durchreise als Gesandter nach Stockholm hier ist, und mich besucht hat, sagte, es wäre ihm, als ob er in einen Hafen des Friedens gekommen sei; das hat auch der Landgraf Wilhelm bemerkt. In der That, es geht auch Alles hier in dem guten, alten Geleise, nur das die Welt der Kunst und der Poesie im Hintergrunde stehen muß. / Und doch wird für diese redlich und treu gearbeitet. Øehlenschläger hat uns eine neue Tragedie geschenckt, ein höchst interessantes und mit großem Beifald aufgenommenes Stück, der Dichter ist jetzt beinahe 68 oder 69 Jahre. Er glüht und blüht immer jugendlich. Die neue Tragedie heis : "Kjartan und Gudrun"; die Scene ist auf Island; Thorvaldsens Stammvater, Oluf Paa kommt darinn vor. Mein neuer Roman: Die zwei Baronninnen wird nächstens erscheinen in der Deutschen Ausgabe bei Lorck in Leipzig; ich habe an meinen Buchhändler geschrieben, er muß gleich - ich hoffe in drei oder vier Wochen - Ihrer koniglichen Hoheit ein Exemplar zustellen. Lorck hat die Herausgabe einer Zeitung angefangen, welche die Bewegungen in Kunst, Litteratur und Politik in Norden /: auch in dem anverwandten Holland :/ mit Wahrheit und Unpartheilichkeit behandlen soll; er hat gute Mitarbeiter, ich wünsche ihm viele Leser. In diesen Tagen erwarte ich hier die schwedische Dichterinn, Freulein Frederieka Bremer, ich hoffe dieser Besuch wird ein geistiges Resultat bringen. Die Schweden sind, nachdem ich in Fühnen mit ihnen viel interessante Tage zugebracht habe, fester in mein Herz gewachsen. Der alte Graf Moltke auf Glorup hatte da schwedische Einqvartierung von einem Obersten, 8 Officiren, einen Prediger, einen Artze und 40 Spielleuten, außer einer großen Anzahl von Soldaten. Da ist viel Disciplin in der schwedischen Armee; die Officire sind alle gebildete und meisten talentvolle Leute. (Ich begegnete ei(nem) Pjaniste, ei(n) Freund von Lißt). Jeden Mittag Taffelmusik, in den langen Aleen des Gartens Promenade für die ganze Um/gegend, am Sontag, nach schwedischer Sitte, Gottes Dienst unter freien Himmel für die Soldaten, nach d(em) Gebrauch von Gustav Adolphs Zeiten; in dem groß Burghofe auf Glorup, sangen sie ihre Psalmen mit Orchester; von der hohen Steintreppe redete der Prediger. Das erbaulichste war doch die Verrichtung ihrer Andacht Morgens und Abends auf offener Landstraße. Das Regiment paradirte, ein Unterofficier las das Gebet vor, und dann sangen Alle die Psalme ohne Begleitung. Ihre Königliche Hoheit erinnern wie rührend Jenny Lind diese Psalme gesungen hat, als, wir einen Vormittag bei der Gräfin Redern zusammen waren; von einer nicht geringeren Wirkung war es, diesen Gesang auf offener Straße in Gottes Sonnenschein zu hören. Alte Bauern mit entblößten Köpfen und gefalteten Hände standen, als andachtsvolle Zuhörer hinter die Hecken.

Nun sind die Schweden fort; ich habe sie bis nach ihrer Einschiffung in Nyborg begleitet. Der General Dalström hat mich eingeladen; ja ich habe viele Einladungen bekommen, und werde wohl auch einige annehmen, wenn ich lebe und die Welt noch steht. Ich habe große Lust im Frühjahr bis nach Torneaa in Finland zu gehen, und die Mitternachts-Sonne zu sehen. Gegen Süden komme ich schwerlich selbst, dahin muß meine Brieftaube fliegen mit Grüßen an meine Lieben; wenn nur der Winter nicht solche Schranken setzt, die nicht überflogen werden können; wenn die Dampfschiffahrt aufhört, ist an keinen Verkehr zu denken. Während Dänemark gewißenhaft und treu alle Bedingungen des Waffenstilstandes erfüllt, ist in den Herzogthumern dies gar nicht der Fall; geht das ferner so, was ich doch nicht glauben kann, dann werden wir im Winter gar keine Postverbindung haben. Doch ich will mich selbst nicht ängstigen; die Begebenheiten sind wie der / Wind, sie drehen sich dahin, wo man sie am wenigsten erwartet. In jeder deutschen Zeitung suche ich nach Weimar, wie nach einer zweiten Heimath. Gott bewahre und segne Sie, mein geliebter (aus: lieber) hoher Freund. Etwas Gutes wird doch wohl von diesen blutschweren Zeiten herauskommen, aber wann?

Lißt ist, nach den Zeitungen, mit der Fürstinn Wittgenstein in Weimar verlobt worden; ist das so, dann sende ich meinen Gluckwünsch.

Erhalten Sie mich in der Erinnerung Ihrer Koniglichen Frau Gemalinn und der hohen Aeltern. Grüßen Sie d(en) Graf Beust, die Frau Gräfinn, Frau von Groß, Eckermann, Freulein von Kloß (soll heißen: Kloch), Allen, Allen. Beaullieu ist nicht mehr in Weimar höre ich, aber ich weiß nicht wo er ist! - Sobald die Mährchen, illustrirt, kommen heraus schicke ich dem kleinen Prinz Carl August die Samlung.

In Gedanken bin ich fast täglich auf Ettersburg und in Weimar, und dann steht alles in Sommergrün; die Sonne scheint und milde Augen blicken auf mich hin. Gott laß es so werden da in der Wirklichkeit. Ihr Konigliche Hoheits

treu, ergebener

H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen