Dato: 20. februar 1850
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

[Oldenburg,20.2.1850]

»Sind Sie krank, sind Sie todt« so fingen Sie vor mehreren Jahren einen Brief für mich an, lieber Andersen, nur weil ich einmal in zwei Monaten nicht geschrieben, und jetz habe ich seit 1 1/4 Jahr kein Wörtchen von Ihnen vernommen, wie soll ich mir das erklären? Wären Sie nicht ein berühmter Mann, von dem die Zeitungen mitunter erzählen, so könnte man ja glauben Sie seien längst in einer andern Welt. Unterdeßen erfuhr ich daß Sie in Schweden neue Lorbeern zu den alten fügten, daß Sie eine Trauerkantate auf Adam Oelenschlägers Tod dichteten, daß es Ihnen überhaupt gut geht, und doch erfährt keiner Ihrer Freunde ein Wort von Ihnen. Sollten Sie ein so guter Däne sein, daß Sie allen Deutschen feindlich gesinnt? ich kann das nicht denken, was hat denn Krieg und Frieden mit Ihren Beziehungen zu Deutschland zu schaffen? /

Es ist eigentlich meine Sache nicht zu schreiben, wenn ich denke daß man nichts mehr von mir wissen will, aber bei Ihnen mache ich eine Ausnahme, denn ich muß wissen wie es mit Ihnen steht. Haben Sie also nicht besondere Gründe zum Stillschweigen, so geben Sie uns allen bald ein Lebenszeichen. Selbst Jenny Lind die am Montag hier sang wußte nichts von Ihnen, ich weiß das nicht von ihr selbst, sondern durch Alexander, der in Göttingen drei himmlische Tage mit ihr verlebte, eine ihrer ersten Fragen ist nach Ihnen gewesen. Aber wie singt die Lind, man sucht wirklich vergeblich nach Worten, um den Eindruck zu schildern, den sie selbst und ihr Gesang machen. Alexanders junges Herz ist ganz hin, hoffentlich bringen die Studien ihn etwas wieder zur Vernunft. Die armen Beaulieus sind jetz recht in Sorge um die Mutter, sie ist sehr krank, und bei ihrem Alter recht gefährlich. Ihr Tod wäre ein unersetzlicher Verlust für die ganze Familie. /

Außer einigen politischen Wirrsalen, ist übrigens hier Alles wie Sie es kennen. Der Sommer war recht interessant durch einen langen Besuch der schönen Königin von Griechenland, später war bis Weihnachten der frühere Palatin von Ungarn, Erzherzog Stephan hier. Der Bildhauer Mayer aus Rom den Sie ja auch kennen war längere Zeit hier, er hat eine allerliebste Statuette gemacht von der Königin, dann meine Büste die sehr gut geworden sein soll. Mayer ist ein gescheuter, talentvoller Mann, der sich hier alle Herzen zu gewinnen gewußt hat. Er geht wohl bald wieder nach Rom, wo ihn nur die Unruhen vertrieben, die Künstler welche einmal in Italien heimisch waren finden sich schwer wieder in Deutschland, wo namentlich jetz die Politik, Kunst und Wissenschaft ganz verdrängt haben. Was soll aus dem Allen werden? /

Bricht in Frankreich der längst erwartete Sturm los, so bleibt es auch in Deutschland nicht ruhig. Und wie es am Ende mit der Schleswig Holsteinsehen Angelegenheit werden soll, das begreift Niemand. Wir hatten hier neu1ig einen dänischen Gesandten, Herrn von Dirking Hohenfeld der auch Sie kannte, er schien auch kein Mittel zum Frieden zu wissen. Dänemark trauert wohl um Öhlenschläger, der Tod eines großen' Mannes kommt immer zu früh. Der Erbgroßherzogvon Weimar war auf einige Zeit hier, er ist ein feiner gebildeter Herr, nur ein bischen manierirt. Für heute bekommen Sie nur diese kurze Epistel, lieber Andersen, aber geben Sie bald ein Lebenszeichen, und ich schreibe Ihnen so viel, so lang Sie wollen.

Stets mit Herzlichkeit

Lina von Eisendecher.

Oldenburg den 20 Februar 50

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