Dato: 2. april 1850
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

79 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 2ter April 1850.

Mein lieber, theurer ErbgroßHerzog!

Es ist mein Geburtstag! ich will den Tag damit beschließen, an meinen hohen Freunde zu schreiben. Wunderschöne Frühlingsblumen, selbst Rosen schmucken meine kleine Stube; sie sind mir alle heute gebracht als das Bild eines neuen Lebenjahres mit seinen Blumen. Ich bin 45 Jahre alt! - wie schrecklich alt, und doch wie bin ich so jung! ich fühle mich nur zwanzig Jahren! Mein Leben war reich und nich beschwerend, möge das kommende dem früheren ähnlich werden. Möchte ich Sie wiedersehen, mein edler, hoher Freund! in diesem Jahre besuche ich Sie nur in meinen Gedanken, allein da bin ich ein täglicher Gast.

Meine neue dramatische Mährchen "Ole Lukoie", ist nun gegeben und hat große Anerkennung gefunden. Bei der ersten Aufführung erlebte ich was nur wenige Verfasser an einem Abend erlebt haben. Das Poetische in meiner Arbeit wurde von dem Publicum gar nicht verstanden, und während des ersten und zweiten Acts betrug es sich wild, gar rauh - allein auf einmal im dritten Act klärte es sich auf vor ihnen, allmälig wurde die ungeheure Masse (2500 Menschen) still, aufmerksam und endlich druckte sich die Anerkennung in ungetheiltem, stürmischen Beifall und tiefer Bewegung; dieselbe Anerkennung haben die späteren Vorstellungen in hohem Grade gefunden.

Daß der Reichtum nicht gleichbedeutend mit dem Glücke ist, sondern daß das wahre Glück in einem gemeinsamen, muntern Sinne und einer gesunden Seele besteht, "das ist" - sagt ein Kritikker / über Ole Lukoie, - "die große Lehre welche der Dichter hier in ein reiches poetisches Gewand gekleidet hat, eine Lehre, die ihre Anwendung wohl schwerlich in einem passendern Zeitpunkt als dem jetzigen finden könnte, wo die falsche Vorstellung von einer vollkommen Gleichheit für Alle in den äußeren Verhältnissen sich der großen Masse bemächtigt hat." - Ein junger Schornsteinfegergeselle der bisher glücklich und zufrieden mit seiner alten Großmutter und seinem geliebten Mädchen gelebt hat, kommt am Abend seines 20sten Geburtstages voll von al der Herlichkeit nach Hause, die er in einem vornehmen Hause, wo er die Essen gekehrt, gesehen hat. Einer der Nachbarn, ein Krämer, Repräsentant der großen Menge, welche Geld für das Höchste hält, greift zerstörend in dieses stille, idyllische Leben ein und erfüllt das Herz des jungen Mannes mit einer mächtigen Sehnsucht nach Reichthum und allen Gütern der Welt. In seinen Grübeleien wird er von Ole Lukoie, (d. h. der Sandmann d. h. der Traumgott) überrascht, - (der kleine Ole Lukoie ist wie ein Kind, im Hemd, Schlafmütze und geht auf Socken) - welcher den Schirm der Traume über seinem Haupte ausspannt, und in der Traumwelt gehen unsere kühnste Wünsche in Erfüllung. Er traumt, daß ein Feuer ausbricht, und springt auf, um löschen zu helfen, als er zurückkehrt, begegnet ihm der Geist "eines gestorbenen Tagediebes (d. h. Stutzer,) der während er lebte", die Perle des Lebens im Rinnstein verloren hat, "und nun dazu verdammt ist, sie zu suchen. Diesem, wie allen Geistern ist es ein leichtes, Wunderwerke zu thun, und er gewährt unserm Schornsteinfeger drei Wünsche, die alle in Erfüllung gehen sollen. Erst wünscht sich dieser nur ein Paar von seinen Leibgerichten, da er sie aber erst finden kann wenn er (gestr.: zu) nach Hause kommt, so will er auch Etwas haben was er gleich haben kann und wünscht sich viel Geld. Er bekommt es, aber unter der Bedingung, das er sich seinen dritten Wunsch aufsparen soll, bis es verbraucht ist, und unter dem Vorbehalte der Zustimmung des Geistes. Das Geld ist bald in Saus und / Braus aufgegangen, und nun wendet er sich wieder um mehr Geld an den todten Tagedieb; dieser will ihn aber nicht erhören. Es wird ihm jedoch auf andere Weise geholfen, und er erreicht das Glück stets Geld genug (doppelt unterstrichen) zu haben; der Dämon aber, der es ihm verschafft, und der sich in der Gestalt des alten Krämers zeigt, hat die Bedingung gestellt, daß er zum Ersatz dafür nie mehr singen und jubeln darf. Er sieht die Munterkeit seiner Jugend begraben werden, (ein blühender Rosenbaum im Sarge); - er stürzt sich in den betaubenden Strom des Genusses, doch je tiefer er darein versinkt, desto ernster und trauriger wird er. Alle Qvälgeister des Reichthums lagern sich um seine Seele, und zeigen ihm, statt des Gluckes, die Schrecken, welche einem ruchlosen Leben auf den Füßen folgen. Die Pflegemutter der Krankheiten, selbst der Tod erschein(en). Der arme Schornsteinfeger, in Sammt und Seide! seine Verzweiflung nährt sich dem höchsten Punkte; schon drohen ihn die Wolken des Miszmuths zu vernichten, da plötzlich gedenkt er Gott, sein Jugendsinn, und frohes Glück, als "Schattenspiel an der Wand" sieht er es noch

"die Jugendlieder klingen im Ferne, - da gedenkt er seines dritten Wunsches. Die Nebel schwinden, und er steht wieder vor dem Geiste, dem er seinen letzten Wunsch ausspricht, nähmlich die Wiedererlangung seiner frühern Zufriedenheit und Munterkeit im Armen seiner Lieben. Kaum hat er geendiget, so sproszt ein Rosenbusch aus der Erde auf, und der Geist pflückt eine Rose nach der andern, die Rosen der Zufriedenheit, der Munterkeit, der Liebe, und bewirft den Trauernden damit, der ermattet auf einer Treppe hingesunken ist. Aber die Treppe verschwindet, und er sitzt wieder in seinem kleinen Zimmer, in dem alten Lehnstuhl, in welchem er eingeschlummert ist, und im Arme seiner Lieben, die ihn an Morgen seines Geburtstages unter einem Blumenregen von Rosen, mit Liebkosungen wecken, erwacht er zu einem neuen Leben. Der Traum, und der kleine Ole Lukoie, ist verschwunden."

Die deutsche Uebersetzung (aus: Ueberzetsung) des Stücks wird bald erscheinen, / und dann will ich Eure Konigl: Hoheit es ueberreichen; ich glaube es wurde auf der Weimarsche Bühne gefallen können; es würde mich erfreuen wenn es mich bei den Vielen da, deren Andenken ich mit Liebe und Dankbarkeit bewahre, in freundliche Erinnerung bringen konnte. - Ich hoffe auch daß es bei den meisten deutsch(en) Bühnen aufgenommen werden wird.

Der Winter in Kopenhagen gab uns hier eine bunte Abwechselung, sowohl auf der Bühne, wie in privaten Kreisen; der prächtigste Ball war bei den Prinzen Friedrich. Unsere Konzerte spendeten den Genuß Mendelsohnscher Töne in reicher Fülle, jetzt lockt die Gemälde Ausstellung mit ihrer Farben Welt. Mittlerweile kommt der Sommer auf des Storches Rücken heranfliegend, Die Dampschiffe arbeiten sich stöhnend hinaus, hinaus! - Wer da mitfliegen konnte! Gott segne Sie, mein theurer hoher Freund. Ein herzliches Lebe wohl! -

Bei Ihre Konigl: Hoheit die Erbgroßherzoginn und die hohen Aeltern bitte ich Sie mich in gnädige Erinnerung zu bringen. Morgen acht Tage kommt der Kronprinz von Schweden nach Kopenhagen, verweilt hier zwei Tage, und zieht dann nach Holland; vielleich gehen auch Eure Konigliche Hoheit nach Haag? - Wenn sehen wir uns? Vielleich künftiges Jahre in Stockholm?

Ihr Konigl: Hoheits

innig ergebener H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen