Dato: 12. juli 1850
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

83 Andersen an Carl Alexander

Glorup in Fühnen. den 12 Juli 1850.

Mein lieber theurer Erbgroßherzog! Friede! - Friede mit Deutschland! so klingt es durch das Land, so durch mein Herz. Es ist wahrlich wie ein Sonnenschein, wie ein festlicher Sonntag. An so Viele die mir lieb sind in Deutschland, und mit denen ich in langer Zeit keinen einzigen Brief gewechselt habe, hätte ich eben in diesem Augenblick schreiben mögen, denn meine Gedanken fliegen jetzt so weit umher; doch kann ich nur an Einen schreiben, und dieser Eine sind Sie, mein hoher, edler Freund! Empfangen Sie durch diesen Brief mein ganzes Gefühl, mein ganze Freude!

Also kann ich wieder daran denken, meine Nachbaren zu besuchen, meine Brüder jenseits der Elbe, das Land wo Goethe gesungen, wo Luther gepredigt, wo Kunst und Wissenschaft so viele Strahlen über die Welt ausgebreitet haben - das Land, wo ich so viele Güte, so viele Freunde erworben habe. Friede! Friede mit Deutschland, und daß es da anerkannt wird, daß Dänemark nur sein Recht wollte - das macht mein Herz so leicht. Möchte nur kein Blut mehr fließen, möchte das begonnene Friedenswerk in Gott gedeihen. -

/ Lange, lange habe ich nichts von Ihnen gehört! den Tag vor dem Pfingst verließ ich Kopenhagen, und vor meiner Abreise schrieb ich an Ew: Konigliche Hoheit, mithin jetzt vor 7 Wochen. In dänischen und Deutschen Zeitungen suche ich immer nach "Weimar"; ich habe nicht gesehen, daß Sie fortgereist oder krank sind. Ich weiß, das Sie meiner gedenken; ich baue fest auf meinen hohen Freund.

Eine Oper von meinem Landsmann Saloman, hat, wie ich höre in Weimar Glück gemaht; das freut mich; kannte man nur in Deutschland mehrere der dänischen Opern, sowie Kuhlaus: Lulu, Weyses: Der Schlaftrunk, und Hartmanns "Die kleine Kirsten" (Christine) und "der Rabe", sie würden gewiß auch Glück machen. Von Overskous Lustspielen sind einige bei deutschen Bühnen sehr gut aufgenommen, aber man kennt nicht Schauspiele wie: Die Sparkasse von Herz, "Nein" von Heiberg und andere solche gediegene Arbeiten. Ich schreibe diesen Brief auf dem stillen heimathlichen Glorup in Fühnen, bei dem alten Grafen Gebhardt Moltke, wo ich jetzt 4 Wochen mich aufgehalten habe, in einer Heimath wo ich gern gesehen bin; den ganzen Tag kann ich da, entweder in der Waldeinsamkeit herumgehen, oder ungestört lesen und dichten. Hier habe ich die Friedensbothschaft empfangen und zwar früher als ich hoffen dürfte; im Thiergarten des Grafen wurde ich von einem Jäger (eingefügt: Jäger) / eingeholt, man hatte mich überall gesucht, sagte er, um mir etwas Erfreuliches mitzutheilen, namlich die verbürgte Nachricht von dem Frieden. Ich eilte nach dem Schloße sah das gedruckte Document - ach, mein hoher Freund, hatte ich in diesem Augenblich Sie umarmen können. Ich mußte weinen vor Freude und wieder in den Wald hinaus gehe(n); da sang ich aus vollem Herzen deutsche und dänische Lieder. Das war ein wahrer Festtag! - Nun bekomme ich bald einen Brief aus Weimar addressirt nach Kopenhagen (Amalienstrase No. 155.)

Die Pfingstwoche war ich in Sorö bei dem Dichter Ingemann, der einige neue Nowellen geschrieben hat. Schöne Frühlingstage, mit frisch ausgesprungenen Buchen, wo von den duftenden Baumen die Nachtigalen sangen an den mondhellen Abenden. Davon ging ich nach Jütland, nach dem malerischen Silkeborg, das mit schottischen Gegend zwischen Stirling und Lommond-See eine auffallende Aehnlichkeit hat, nur ist die dänische Natur reicher an großen und stolzen Wäldern; Hier sah’ ich zum ersten Mal pechschwarze Störke im grünen Moore herumstolziren, mächtige Adler ihre Beute in den fischreichen Auen erhaschen. Im vorigen Jahre, erzählte man mir, wurde hier ein großer Hecht gefangen mit dem ganzen Gerippe eines Adlers auf dem Rücken; mit den tief hineingedrungenen Klauen mußte der Adler mit dem Hecht in die Tiefe hinuntergehen und da verfaulen.

Ueber Fredericia ging ich nach Fühnen; hier arbeite / an meine Reisebilder von Schweden; von hier gehe ich über die Inseln nach Kopenhagen.

Eine kleine Geschichte - einen neuen Beweis dafür, wie viel Poesie in dem sogenannten Zufälligen liegt - muß ich Ihnen doch erzählen - . Beim Aufhängen frischer Kränze auf Øehlenschlägers Grab, fand man einen welken Kranz, in welchem ein kleiner Sangvogel sein Nest gebaut und Eier gelegt hatte; das hätte Øehlenschläger rühren und erfreuen konnen. Seine Lebensbeschreibung werden Ew: Konigl: Hoheit vielleicht bald lesen; aber schon vor dieser Zeit werde ich wohl einen Brief haben, und dann auch erfahren, wie es dem kleinen Prinzen Carl August geht; lange hörte ich nichts von ihm; jetzt ist er wohl ein kräftiger junger Mann - Wenn wir uns sehen, bin ich ihm wahrscheinlich ein Fremder. Bringen Sie meine herzlichsten, ehrfurchtvollsten Grüße an die edle Gemahlin und die Konigl: hohen Eltern. Beaulieu hat mich ganz und gar vergessen! Wie geht’s ihm? Auch der gute Eckermann, Marschall (soll heißen: Marshall) & &?

Leben Sie wohl mein theurer, lieber Freund! Eur: K: Hoheit innig ergebener H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen