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Dato: 5. oktober 1833
Fra: Ludolph Schley   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Mein Andersen!

Wo schwärmst du jetzt mit dem Leben und seinen Genüssen, wo erreicht dich dieser Brief? - in der französischen Weltstadt, in den Thälern der Schweiz, oder auf Italiens classischen Fluren, wo dein Geist sich laben wird an dem der Alten und dein Herz und dein Gefühl täglich angeregt werden von dem höchsten was die Erde sah. - du glücklicher Mensch! Wer dir folgen könnte, dich aufsuchen dürfte auf den lichten Höhen, wer dir nachzufliegen vermöchte, mit weiten ausgebreiteten Flügeln, und schaffend und genießend neben dir Stände, wenn du das Leben von seiner Spitze siehst, und da handelnd auftreten kannst, wo wir Armen in den Thälern zurückgeblieben spärlich empfinden müssen! Doch nein, ich neide dir diese Ausflucht in das Leben nicht. Finden nur möchte ich sie, um jener zeiten Bewegungen nahe zu seyn, die nun die Welt erschüttern und neue Systeme, neue Ordnungen einführen wollen; - wahrlich, - es ist eine interessante Zeit, und dem, welcher so wie du, sich in ihren Strom werfen kann, ohne von ihm willenlos fortgerissen zu werden, glücklich zu nennen, und erwählt. - Nun da bewährt sich ja mein altes Wort von dir, denn glücklich und erwählt habe ich dich immer genannt, obgleich du nie es hast hören wollen, sondern immer dich sträubtest und widersprachst, aber auch du wirst zur Erkenntnis kommen, auch du wirst dankbar werden, und dann wird deinem Glücke nichts fehlen, und deinem Herzen, das durch eine traurige Angewohnheit nur darben will wo andere schwelgen, wird befriedigt seyn und still. Ich habe lange nichts von dir gehört, seit den wenigen Zeilen, die du mir am 20. April sandtest und in denen du mir deine Abreise anzeigtest , - kein Wort; - aber ich habe es auch nicht gefordert, obschon ich mich sehr darnach sehnte. Die Stunde, welche du zu einem Briefe an mich verwenden würdest, müßtest du irgend einem wissenschaftlichen Genusse, irgendeiner geistigen Erhebung entziehen, und das will ich nicht, im Gegentheil mein dringender Wunsch ist, daß du mit deiner Zeit aber auch mit / deiner Kraft mein Christian, - nach Möglichkeit geizest und wie die Biene summst, - wie die Biene mein Freund, die auch aus Giftblumen den Honig herauszufinden weiß, und diesen zum Nutzen und Frommen für sich verwendet. Es wird manches in dem Treiben der großen Welt deinen Sinn, dessen allzugroße Regsam- keit dir nicht durchaus zum Nutzen seyn kann, erfüllen, und ihn mit sich fortführen, manche Gewalt des Augenblickes ihn besiegen, oder irre führen, - möge das seyn, bewahre dir mir in deinem Herzen eine Stelle wohin alles ausser dir wogende nicht reicht, - eine auf der du immer der bist, der du seyn sollst. Ohne Zweifel führst du Tagebücher in denen du deine Erfahrun- gen, deine Ansichten niederlegst und die wechselvollen Ereignisse deiner Gegenwart mit den Bemerkungen, die sich dir dabei aufdrängen niederlegst, auch bewahrst dein Schriftstellertalent, das vorzüglich in diesem Genre anziehend ist, du hast dies bei deiner Reise auf den Harz bewiesen, findest also ein weites Feld zur Ausbeute, benutze es recht; - damit dein Vaterland dir den Platz in der Gunst deiner Königinn nicht beneide, sondern dich für den Würdigen halte(n), der diese Gnade vor allen andern verdiente. Laß deine Feinde dabei reden was sie wollen, kehre dich nicht daran, ein großes Talent hat sie immer aber suche sie durch jene liebenswürdige Bescheidenheit zu entwaffnen die der poetische Dichter so treffend mit jenem Fruchtbaum verglich, dessen Zweige so mit Früchten belastet waren, daß sie sich alle zu Boden neigten, - - du lächelst bei diesen Worten, vielleiht auch über meine alte üble Gewohnheit dir Rath ertheilen zu wollen, obschon du in deinem Alter, in deiner Stellung, in deinem Verhältnisse ihm längst entwachsen bist; - ich denke aber immer und unfreiwillig an die Zeit in der du mich als deinen ältern Bruder betrachtetest, und mir vergönntest, dir die Welt zu zeigen, wie sie ist; - und nicht an das wahrscheinlich schon Eingetroffene, dass du mir jetzt besseren Unterricht darin würdest geben können, wie ich jemals dir. Nun nun, es wäre nicht das erstemal, daß der Lehrer zum Schüler seines Schülers / würde, und von ihm lernte, was er selbst ihm nicht zu lehren vermochte. Ich kann dir nicht Neues sagen von mir, mein Leben und Treiben ist das alte, und geht ununterbrochen so fort wie es angefangen, meine Beschäftigungen sind Jahr aus, Jahr ein dieselben, je älter ich werde, je ernster werden sie, und mehr und mehr richtet sich mein Geist nach ihnen, ich dichte noch immer viel, meistens aber nur für mich selbst, öffentlich erscheint wenig davon, doch habe ich einen zweiten Band meiner Dichtungen herausgegeben seitdem du fort bist; und ihn, deiner Anweisung zufolge, an Collin gesendet. Du wirst ihn aber schwerlich eher erhalten, wie nach deiner Zurückkunft, denn mit der Post wird man dir kaum das Buch zustellen wollen. Geschieht es dennoch so wünsche ich, daß du in einer ruhigen Stunde es vornähmst, damit du ungestört dabei verweilen kannst; dann würdest du einige der darin enthaltenen Lieder vielleicht lieb gewinnen, und den Ton finden in dem sie gesungen sind. Es würde dir klar werden, daß ein Bild, ein Gedanke ihnen allen zum Grunde liegt, und wie der Sonne Licht im Regenbogen und im Prisma tausend Farben wirft, dies eine Bild dieser eine Gedanke sich tausendfältig aus ihnen zurück spiegelt. Gieb ihnen aber, ich bitte dich sehr darum, in deinen Briefen an mich, keinen Namen; du weißt, mein Andersen, daß nach einer früheren Übereinkunft zwischen uns, diese Seite meines Herzens, dieser Theil meines geistigen Lebens, in unsern gegenseitigen Austauschungen unberührt bleiben soll, und nicht in Erwähnung gebracht werden darf. - - - Aber warum das?. - Warum dein schönes Vertrauen nicht erwidern? - Die Seele des Freundes soll ein Spiegel seinm worin sich der, welcher hinein schaut, wiederfinden muss, so sieh daran hinein Andersen, sieh hinein, und sieh, - daß ich liebe, und daß mein ganzes Seyn, mein Leben, und Dichten in ein Fühlen und mein Handeln, mein Fürchten und mein Hoffen, sich um dies eine einzige Gefühl dreht, und schon Jahrelang gedreht hat; - Liebe, so sagte der größte Mann Deutschlands, Liebe fühlt der allein, der ohne Hoffnung liebt; und ich fürchte fast, - er sagte auch für mich diese traurige Wahrheit / denn wenn auch die Seele in einzelnen Momenten der Vermuthung Raum giebt, daß sie verstanden werde, und dann von jener Seligkeit durchdrungen wird, die ewig namenlos war, und es bleiben wird, so sind es doch nur Momente, die schnell vorüberrauschen, und immer der gehässigsten aller Empfindungen, der des Zweifels Raum machen. - Verlange nichts weiter zu wissen, - Namen darf ich dir nicht nennen, wozu auch? Der Name würde dir fremd klingen, die Sache selbst ist dir vertraut, das sey dir genug, - genug um alles das zu verstehen, was dir in mir und meinen Liedern noch etwa fremd geblieben seyn könnte.

Ich wollte reisen im nächsten Jahre, Deutschland besuchen, Schweden und Dänemark, kurz die Fahrt unternehmen von der mich der traurige Todeshall im vorigen Jahre zurückrief, aber zu den Genüssen dieser Reise gehört vor allen auch dich in Copenhagen zu finden, und da du im nächsten Jahre noch nicht zurück seyn kannst, will ichs lieber verschieben, und ein Jahr später mich auf den Weg machen. Hoffentlich finde ich dich dann. -

Neulich fiel mir durch Zufall No. 91 der Zeitung für die elegante Welt v. 10. Mai 1833 in die Hand, und nicht wenig war ich überrascht, - dort ein Capriccio zu finden, das Bröders lateinische Grammattik überschrieben, und fast Wort für Wort, deiner Arbeit Badens Grammattika Latina nachgebildet ist, doch war dein Name als Verfasser nicht angegeben, und ich wollte schon an deynen Redakteur schreiben, und ihn auf diesen litterarischen Diebstahl aufmerksam machen, doch dachte ich, daß es sich der Mühe nicht lohne, und daher unterließ ich es, willst du aber, daß es geschehe, so ist es noch keinesweges zu spät.

Das Blatt geht zu Ende, ich muß also schließen, lebe dann wohl für Diesmal, denke meiner zuweilen in deinem Gewissen und sey überall so glücklich wie der gute Mensch es zu seyn verdient.

Wo du bist, bin ich bei dir.

dein Freund Ludolph

Im schwedischen Consulate

zu Liebau am 5. Octob. 1833.

Tekst fra: Markus Wagner (KB affoto 5830-33)