Dato: 30. oktober 1857
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

131 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 30 October 1857

Theurer, edler Großherzog!

Vor einigen Tagen kam ich endlich nach Kopenhagen; mit der Cholera sind wir zwar nicht ganz fertig, doch kommen nur einzelne Fälle, 5 u 6 wöchentlich vor. Bei meiner Ankunf fand ich auf meinem Tisch den Brief von Ew: Koniglichen Hoheit, den frischen Strauß von Wartburg, diesem Ort, von welchem ich jetzt eben so vieles gelesen habe, und nach welchem meine Gedanken so oft hinfliegen, als suchten sie einen Hintergrund für eine künftige Dichtung. Der Brief war so herzlich gut, ganz und gar Sie selbst, mein hoher innig geliebter Herr! meinen innigsten Dank dafür, jeder Zeile athmete Herzlichkeit und aufrichtige Theilnahme.

Die drei letzten Wochen habe ich auf dem schönen Basnæs, am großen Belt, zu gebracht; Sie kennen aus meiner früheren Beschreibung dieses Schloß im mittelalterlichen Styl, am Meere, von waldigen Hügeln umgeben. Das Wetter war sommerschön und es war mir da so behaglich, wie es überhaupt sein kann unter lieben wohlwollenden / und auch mit Reichthum gesegneten Freunden. Und doch sehnte ich mich nach meiner heimathlichen Stube und meinen Freunden; in der Umgebung von Basnæs grassirte die Cholera mehr als in Kopenhagen; ich reiste also, und habe mich, bis jetzt, wohl befunden, und es wird, mit Gottes Wille, so fortfahren.

Unsere alte Bühne, vielleicht die älteste in Europa, ist heruntergerissen, und hat für einer besseren og (soll heißen: und) größere Platz geben müßen; am ersten December werden die Vorstellungen wieder anfangen, bis dahin spielen wir auf dem kleinen Hoftheater. Wir bekommen also eine neue Bühne, das heißt die Schale, denn der Kern ist wurmstichig; die Bühnen welt hat sich zerspaltet, unsere beste, Ew: konigl: Hoheit gewiß auch bekannte, Künstlerinn die Etatsrathinn Frau Heiberg; verläßt die Bühne aus Misvergnügen mit den Verhältnissen dort. In der That es ist eine Begebenheit. Die Heiberg kan einer Ristori einer Rachel, ja selbst einer Mars füglich zur Seite gestellt werden; in Jahrhunderten wird unsere Scene keine solche Schauspielerinn vorzeigen können.

Vor einigen Tagen auf einer Koncert hörte das hiesige Publicum zum ersten Mal die Tannheuser-Ouvertüre, welche sehr gefiel, wie auch Lizts Præludium; mit der Zeit wird wohl Tannheuser hier ganz aufgeführt werden; diese Oper ist für mich doch die interessanteste von den Wagnerschen Kompositionen.

Dickens Romane: Little Dorrit hat, wie ich sehe, in England heftige Angriffe erleiden müßen; er hat sich aber tapfer und gut vertheidiget. Bei meinem Aufenthalt / in seinem Hause sah ich wie liebevoll und eifrig er für die Herbeibringung einer Summe von einigen tausend Pfund für D(o)uglas Jerrolds Wittwe wirkte; er arrangirte Vorlesungen, dramatische Vorstellungen und dergleichen; aber er hat schlechten Dank dafür bekommen. Der Sohn des verstorbenen Jerrold, wie ich höre, läßt bekannt machen, man brauchte nicht den Klingbeutel herumtragen zu laßen um Geld für seine Mutter ein zu sammeln, nachdem diese nicht in dringenden Umständen hinterlaßen sei. Das schreibt man nach dem Alles geschehen, und nachdem all diese Mühe darauf verwendet worden. Wie undankbar!

Von der Majorin, Frau Serre habe ich heute Brief; sie ist entzückt über die Gnade und Freundlichkeit mit welcher Ew: Koniglichen Hoheit ihr Mann empfangen haben. Das sind noble wohlthätige Menschen der Herrn Major Serre und die gnädige Frau; ihre Wohlthaten breiten sich über einen ganzen Kreis, ihre Gastfreiheit ist wohl bekannt.

Doch - ich schreibe und schreibe ohne daran zu denken, ob Sie, hoher Herr, nicht ermüde; es ist mir als säße ich neben meinen hohen, edlen Großherzog und schaute in sein ehrliches treues Auge. Möchte ich Sie doch freudig wiedersehen, möchte es bald sein! leider erst nach längere Zeit; schon habe ich Sehnsuch!

Ich empfehle mich in der Erinnerung der edlen Gemalinn und hohen Mutter. Wie schön muß es doch sein, im glucklichen Familienleben auf Wartburg wohnen zu können, besonders in diesen schönen Herbsttagen. Komme ich wieder, wie ich sehne mich nach, und / hoffe, nach Deutschland, fliege ich gleich auf Wartburg hinauf.

Von Kammerherrn Beaulieu habe ich nichts erfahren, ob er nach Italien geht oder in Weimar diesen Winter bleibt? Sein schmerzlicher Verlust einer seltenen Frau hat mich tief betrübt, oft dencke ich an sie.

Leben Sie glücklich mein theuer innig geliebter Großherzog! Gott erhalte Ihnen, Gesundheit und Freude. Herzlichst treu ergeben

H.C. Andersen.

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen