Dato: 22. maj 1858
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

141 Andersen an Carl Alexander

Basnæs bei Skjelkjör, d. 22 Mai 1858.

Mein edler, theurer Großherzog! Pfingsten ist da, die Baume sind belaubt, ich bin endlich wieder auf dem Lande im Waldesgrün am Meeres Ufer auf dem heimischen Basnæs. Sehr fleißig und productiv bin ich wieder den letzten Monath gewesen; ein neuer Band Mährchen ist wieder erschienen, dieses Mal 4000 Exemplare, und es scheint das ich eben so viel Freude, im Vaterlande, von diesen als von den vorigen bekommen werde. Jetzt mein hoher Herr haben Sie wohl das, Eurer Königlichen Hoheit, zugesandten Manuscript: "die Nachtmütze des Hagestolzen" durchgelesen und sind zufrieden damit hoffe ich. Eben habe ich wieder eine gute Uebersetzung im Manuscript von einem der neusten Mährchen für Eurer Koniglichen Hoheit erhalten, ich muß es aber wieder abschreiben, darum kommt es nicht heute, aber mit der nachsten Brief-Taube; es dauert mir gar zu lange, bis die deutsche gedruchte Ausgabe, Eurer Koniglich(en) Hoheit in die Hände kommen kann. Die dänische Kritik hat sich nie so warm und innig über mich ausgesprochen als dieses / Mal, und da ich Euren Koniglichen Hoheits Theilnahme für mich kenne lege ich hier ein Bruchstück bei, vom einem der am meisten bei uns geachteten Urtheile:

"" -- Alles was das Volksmährchen als romantische Poesie characterisirt finden wir bei H.C. Andersen, und hierauf ruht ohne Zweifel seine große Bedeutung und der Grund der Popularitet seiner Mährchen und kleinen Erzählungen; denn - möge man sich von Allem was Romantik heißt ganz entfernt haben, möge man gelernt haben in der Poesie eine Erklärung der natürlichen Weltordnung zu suchen, so wie diese ist, nämlich eine Welt der Schuld und der Buße, des Werdens und der Vernichtung, ein Spiel mächtiger aber vergänglicher Kräfte, möge wenn sich endlich das Christenthum als eine praktische lebensmacht dazu bestimmt den Menschen siegreich durch den Labyrinth der Versuchung zu führen, indem sie den Willen Kraft und den Herzen Entsagung verleiht, ganz angeeignet haben - man wird doch diese Dichtungen in welchen das wirkliche Leben in der Beleuchtung der erfüllten Verheißungen erscheint nicht lesen können ohne sich zugleich ergriffen und gehoben zu fühlen, als könnte man für einen Augenblick leichter athmen und von der Arbeit ausruhen, als hätte man eine Vorempfindung der Glückseligkeit, die wir jenseits hoffen. Dergleichen hat bei Andersens früheren Mährchen ein Jeder gewiß gefühlt. Die neuern sind ganz in demselben Geiste geschrieben, und eines derselben, wird vielleicht von keiner bekannten romantischen Dichtung übertroffen, namlich: "der letzte Traum des alten Eichenbaumes". Daß die Pflanzenwellt - nicht ein zartes luftiges Geschopf, sondern der gewaltige an den Erdboden fest gebundene Baum die Sehnsucht nach einem beßeren ewigen Dasein in sich bewahrt, daß dieser Sehnsucht sich eine alles Erschaffene gleicher Art umfassende Liebe anschließt und daß ein solches Bild so lebendig und wahr hervortritt als poetische Wirklichkeit, nicht als willkürliche Allegorie - daß ist eine Gedanke, den nur der wirkliche / Dichter der sich der Romantik völlig zugewendet hat, faßen und ausführen konnte. Sollten wir einer einzelnen der sechs kleinen Erzählungen den Vorzug geben, mußte diese es sein. Doch auch in den anderen treten die oben bezeichneten Eigenthümlichkeiten des echten Mährchens mehr oder weniger deutlich hervor. Namentlich ist die Erzählung: "Etwas", sowohl ihrem Bau wie ihrem Ton nach eine vorzügliche Legende, indem in der kindlichen Erfindung, das Leben und Treiben der Menschen in unmittelbare Verbindung mit dem Jenseitz zu setzen und durch St: Peters Mund das Urtheil über Bös und Gut auszusprechen, eine tiefe und ernste Lehre liegt. In der Erzählung: "Suppe paa en Pölsepind" und das "A.B.C. Buch" spielt die Phantasie des Dichters mit den menschlichen Lächerlichkeiten humoristisch und doch nicht ohne tiefen Sinn. Ueber die beiden Erzählungen: "der Flaschenhals" und "die Nachtmütze eines Junggesellen", breitet sich eine tiefe Wehmuth, indem der Dichter uns der Unsicherheit aller irdischen Hoffnungen ermahnt, und auf die Entsagung als den Balsam hinzeigt, der es uns allein möglich macht das Leben zu vertragen und die Idealitet der Jugend nicht aufzugeben. Vergleicht man dieses Heftchen mit H.C. Andersens früheren Arbeiten ähnlicher Art, bemerkt man mit freudiger Ueberzeugung, daß er noch in voller Kraft da steht, nicht nur weil dieselbe warme Menschenliebe, welche die Seel seiner früheren Dichtungen ist, uns wieder hier entgegen tritt, sondern auch mit Rücksicht auf die Fülle und Klarheit der erschaffenden Phantasie. Nicht viele von seinen früheren Mährchen sind so reich an bunten Bildern wie ":Suppe paa en Pölsepind." Wer einen Begriff davon haben will wie Andersen die Natur mit wenigen Zügen so zu schildern vermag, daß man die Situation der ganzen derselben innewohnende Stimmung selbst erlebt, der sehe nur die auf dem Meere einsam schwimmende Flasche oder lese die wunderschöne Beschreibung des Weinachtsmorgens nach dem Sturme, welcher den alten Eichenbaum zerschlug. Hat der Verfaßer zwar auch in diese(m) Heftchen seine weniger freundliche Gesinnung gegen die Kritik geaüßert, wir können doch - trotz seine Vermuthung in "Suppe paa en Pölsepind", - nicht umhin ihm für Alles was er in diesem / Buche gegeben, unseren Dank zu bringen; denn er bringt seinen Landsleuten neue Nachrichten von der Gegend der Dichterwelt, zu welcher er allein den Schlüssel hat."" -

Ich bin sehr glücklich und zufrieden! Der Born der Mährchen quillt immer fort. Viel Freude habe ich in der letzten Zeit gehabt; auf der Bühne sind mehrere von meinen Arbeiten mit bestem Erfolge gegeben; mein König hat mich auch neulich mit dem Ehrenzeichen der Dannebrogsmänner geschmückt; die Welt ist (eingefügt: ist) schön, die Menschen sind gut und die Freunde bleiben mir treu. Mit dem nächsten Schreiben übersende ich, wie gesagt, Eurer Koniglichen Hoheit eins der Mährchen im Manuscript. ("Der letzte Traum der alten Eiche.") Mein Portrait hoffe ich ist endlich, wie ich hoffe, nach Weimar gekommen. Mitten Juni gehe ich, möglicher weise mit einem jungen Freund den Rhein entlang nach der Schweiz, um dort ganz stille einige Wochen zu verleben.

Ich hoffe Sie, mein edler theurer Großherzog und die ganze hohe Familie Alle gesund und glücklich sind! Gottes Segen uber Sie und die Hohen Ihrigen. Eure Koniglichen Hoheit innig ergebener H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen