Dato: 24. august 1835
Fra: H.C. Andersen   Til: Karl Gottlieb Theodor Winkler
Sprog: tysk.

Copenhagen 24. Aug. 1835

Nachdem Ihr verehrtes Schreiben lieber Hrr: Hofrath, schon längst hier einge­troffen, hat mein langes Schweigen Sie allerdings befremden müssen. Allein erst nach Beendigung einer kleine Reise in den dänischen Provinzen hat icb das Brief in diesen Tagen empfangen, nachdem meinen Hauswirthin es, unerlaubter Weise die ganze Zeit hindurch bei sich behalten. Hertz' Lustspiel: "der einzige Fehler", werden Sie im nächsten Monath erhalten, nachdem es auf der Buhne erscheinen ist, was am 1sten September geschieht; erst nach der Beobachtung seiner Wirkung, will er mir das Stück zum Despusition überlassen. "Socrates" ubersetzt Oehlenschlæger selbst; ich werde Ihnen dafür das Stuck nicht übermachen konnen, zumal es noch nicht gedruckt ist. Die fahrende Post wird Ihnen unverzüglich meine Kinder-Aben­theuer mitbringen. Was die Uebersetzung meines Romans betrifft, da hat Kruse in der letzten Zeit mir kein Wort geschrieben; allerdings muss die Uebersetzung fertig sein, allein der gute Mann kurz weilt in Paris, ohne mir von sich oder dem Buch ein Wort zukommen zu lassen. Das Original gewinnt fortwährend mehr und mehr Publicum, der Verleger denkt schon daran, eine neue Auflage zu beschaffen. Die bisher vortheilhafte Anerkennung meines Buches kann mich nur freuen. Doch nun zu den Correspondenz-Nachrichten; von meinen privaten Sachen habe ich genug geschwatzt. ­

----

- - Unser schönen, aber eng begrenzte Sommer ist nun bald vorüber, wie Jephtas Tochter zieht die Natur ihr schönster Brautschmuck an, wenn sie dem Tode entgegengeht, und in der Stunde der Trennung fühlen wir doppelt was wir verlieren. Doch das Andenken des Schönen hat sich in unsere Herzen befestiget, es lebt im Gcsang des Dichters und in der Darstellungen der bildenden Künstlers, und eifrig greifen Alle nach der reichen Beute. Mit belebten Gefühle sieht man das Neue, und nachher wählt man. Von dem Wahl kann noch nicht die Rede seyn, nur von den Neuigkeiten, und diese bringe ich dar. Oehlenschlæger, der nach geschehener Einladung dem Prinzen Christian auf einer Reise in den Provinzen begleitetet, hat in einer Samlung lyrischer Gedichte diese Reise heschrieben. Das Buch wird kurzlich erscheinen. Der talentvolle Lustspieldichter Overskou hat eine neue Waudewille geschrieben, das Motiv ist aus der Kopenhagener Belustigung im "Charlottenlund", einem Lustgarten,- genommen; der Namen ist: "Die Nächtermädchen in Charlottenlund". - Unter seinem Aufenthalt in Odense, seinem Geburtsort, hat H C. Andersen eine neue dramatische Arbeit voilendet; das Motiv ist dem geschichtlich bekanten dortigeu Aufenthalt der Spanier im Jahre 18o8 entnommen. Die erste Abtheilung heisst: "die Spanier in Odense", die Letzte: „fünf und zwanzig Jahre später". Die Hauptcharactere der ersten Abtheilung begegnen sich in der letztere unter neuen Verhältnissen; die ersten Vorstellung des erneuen Theatersaisons sind: Hertzes Lustspiel: der einzige Fehler und Ouerskous: Die Duellanten, ein Singspiel, die Musik die erste Arbeit einer Studenten Muth-Rasmussen. Ferner nennt man Socrates von Øehlenschl: und „Ds Fest auf Kenilworth" von H: C. Andersen mit Musik von Professor Weyse. Der anonyme Verfasser der „Hverdagshistorie" lässt in diesen Tagen eine Novelle Die Contrasten", und Hauch eine ähnliche Arbeit, erscheinen: in der letzten spielt die Goldmachermanie eine wichtige Rolle. Zum Andenken der verstorbenen Concertmeister, professor Schall, wie bekannt ein vormals beliebter Ton-Componist der Gelleotischen Balletten - wird gleich bei der Oeffnung der Bühne ein Trauerfest gegeben; denn sinnreichen Text dazu hatt Øehlenschlager geschrieben; da bemerkt man die Hauptmomente der Schallschen Ballet-Compositionen, durch das Ohr berühren seine Melodien die herzen, die in der Unruhe des Weltlebens die Verdienste dieses Mannes zu schätzen nicht recht verstehen. Unter ausgezeichnete Balletdirector Bournonville hat das BalletRepertoire mit eine dänischen Original-Composition" „Waldemar" vermehrt, und die französische „La Sylphide" für unsere Bühne arrangirt. In dem deutschen Schauspielhaus hat Nestroys Posse: Lumpacivagabundus das Volk fast enthusiasmirt; zehnmal gleich nach einander gab es volles Haus. jeden Tag erwarten wir die Fregatte Bellona, und die damit zu erwartenden Thorvaldischen Arbeiten; nicht ohne Unruhe haben wir in den letzten stürmischen Tage gelebt. Etwa 50 verschiedene Sculpturarbeiten dieser Meisterhand tråagt das Schiff, darunter 20 Apostel in Marmor, eine ruhende Löwe auch in Marmor, und 5 Abtheilungen des Alexanderszugs, 4 Statuen des Pabstlichen (: Pius VII) Monuments, die Monument von von Poniatowsky und Kopernicus, mehr als 28 Basreliefs, theils in Gips, theils in Marmor. Ferner von Bissen mehrere Statuen und Basreliefs, und von den dänischen Künstlern in Rom etwa 28 Oehlgemälde

Mit den versprochenen Büchern werden Sie eine weitläufigter Abhandlung bekommen.

Mit inniger Hochachtung und Freundschaft

Ihr ergebenster

H. C. Andersen

Tekst fra: Solveig Brunholm