Dato: 23. januar 1859
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

145 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 23 Januar 1859.

Mein hoher, edler Großherzog!

Wir sind in das neue Jahr und bis jetzt habe ich versäumt bei dem edlen Fürsten, den ich mich mit innigsten Dankbarkeit anschließe, mich in gnädig, freundlich Erinnerung zu bringen, - und warum? In den letzten Monaten des vorigen Jahres war ich tief erschüttert. Eine liebe Freundinn von den Kindesjahre, Tochter des Admiralen Wulff (Uebersetzer von Shakespeare und Byron), ging in September mit dem Dampschiff Austria nach America. Das Schiksal dieses Schiffes und die damit verbundenen gräßlichen Ereigniße sind bekannt. Mehr als einen Monat war ich in Ungewißheit über das Sckicksal meiner Freundinn; damals und nachdem die Bestätigung ein traf, war ich lange nicht in der Stimmung, daß ich Briefe schreiben konnte.

Kurz vor Weihnachten erschien in Deutschland eine Ausgabe meiner sämmtlichen "Historien", auch derjenigen neuen, welche ich im selbigen Jahre hier in Dänemark geschrieben hatte, und welche ganz besonderes Glück machte, mehrere Auflage, in kurzer Zeit erlebte. Durch meinen / Buchhändler in Leipzig habe ich Ew. Konigl: Hoheit ein Exemplar, innigst ergeben, zu stellen laßen, ich darf hoffen das Sie es bekommen haben, und daß E. K: Hoheit die neuesten Historien, die letzten im Buche, bemerkt haben. "Des Schlammkönigs Tochter" und "der Flaschenhals" stelle ich am höchsten, im Publicum, wird sehr gesprochen von die beyden: "Etwas" - und "die

Nachtmütze des Hagestolzen",

d. letzte habe ich mich schon längst erlaubt, in Manuscript E. Konigl Hoheit zu übersenden. Darf ich noch hervor heben: "Der letzte Traum der alten Eiche."

Einige Tage vor Weihnachten ging ich aufs Land, nach Basnæs, Anfang Januar kam ich wieder zuruck und habe jetzt wieder fümf neue Mährchen und Historien geschrieben. Ein Mährchen: "Der Stein der Weisen" steht schon (15 Januar) in Lorcks Europa, ich habe heute an den Buchhandler geschrieben daß er einen Exemplar dieses Nummer nach Weimar, E. K. Hoheit zustellen sollen; eben dieses Mährchen zeigt meinen jetzig[en] Standpunkt im Schreiben dieser Dichtungen. Lesen Sie es hoher, theurer Herr! E. K. Hoheit werden bemerken auf welche[m] Stadium ich als Mahrchendichter mich befinde, oder richtiger, nach welcher Richtung sie diese Dichtungsart sich almählig in mir gestaltete.

Hartmanns Oper: "Klein Karin" ging hier in Kopenhagen mehrmals diesen Winter, und mit großem Erfolg; die klassische Mus[i]k gewinnt überhaupt mehr und mehr Terrain; bei Donizetti und Verdi ist immer leeres / Haus, bei "Fidelio", "Hans Heiling", "Don Juan", ein überfülltes. Hartmann hat ein großes Koncert-Tonstuck "die Dryade" vollendet, der junge Komponist Siboni ebenso eine Oper "Loreley," Gade arbeitet an einer Opera "Judith", kurz in der musikalischen Welt ist Leben und Frische.

Der Winter ist mild und schön, keinen Schnee, es ist noch immer wie in October bei uns. Ich bin, wie gesagt sehr fleißig, hat außerordenlich Anerkennung und theilnehmend[e] lieb[e] Freunde; jetz bin ich auch gesund. Jede freundliche Erinnerung von dem lieben Thüringerland, und an das Gute, was mir da gegeben worden, schwebt so oft vor meinen Gedanken, und wenn die Freude und der Dank eines Herzens auf den Strahlen der Sonne an den Geber getragen werden können, dann wird der Dank innig und wärmer an Sie, edler Großherzog, gelangen als es mittelst eines Briefes möglich ist. Ihr Konigl: Hoheit ergebenst dankbare[r] H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen