Dato: 21. marts 1859
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

147 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 21 März 1859

Edler, theurer Großherzog!

Eurer Königlichen Hoheit sind immer so herzlich gut gegen mich, indem Sie mich mit Ihren Briefen beehren und innig erfreuen; meinen Dank für den letzten. Hoffentlich werden Sie, Königl: Hoheit, schon das Exemplar von "Europa" haben, in welchem mein Märchen: der Stein der Weisen, steht, und es wird Ihnen gefallen haben; es ist aber mein letztes nicht mehr, ich habe nach diesem nicht weniger als sechs neue Märchen geschrieben, welche in dieser Woche in einem Bändchen erscheinen, könnten nur die deutschen Freunde meiner Muse sie ebenso schnell bekommen, sie gehören zu meiner besseren Arbeiten. Eine von diesen Dichtungen: Der Wind erzählt von Waldemar Daae und deßen Töchtern, ist vielleicht, rücksichtig der Form, von Besonderer Bedeutung, ich habe versucht, und hoffe es erreicht zu haben, der ganzen Erzählungsweise den Ton zu geben, als ob man den Wind selbst hörte. Eine andere Historie: Anna Lisbeth, rechne ich zu den besten in psychologischer Beziehung; ich habe versucht in derselben / zu zeigen, welche kleine Keimen zum Guten und zum Bösen das Herz verbirgt, und wie sie, nachdem sie von "einen Sonnenstrahl oder von einer bösen Hand" berührt werden, ins Leben treten. Im Januar war ich also sehr productiv, von Mitte Februar aber, und noch immer, habe ich eine Influenza mit Fieberkälte, und ich muß mehr als gwöhnlich zu Hause bleiben; doch habe ich Koncertmeister Singers vortrefliches Spiel öfters gehört und mich recht darüber gefreut. Ew: Koniglich Hoheit wissen daß Hr Singer aus Weimar hier ist; er trat zum erstenmal auf im "Musikverein" bei dem großen Koncert, wo gewiß über 2000 Zuhörer waren, und erntete vielen Beifall, später spielte er in einen kleineren Koncert und viermal in Volkstheater. Alle Zeitungen loben ihn und selbst ist er mit seinem Aufenthalt und der Aufnahme sehr zufrieden. Vorgestern hörte ich ihn bei Sei(n)er Majestät der Königin Wittwe vo(r) einer ausgewählten Gesellschaft - (den Erbprinzen nebst Gemalin, dem Prinzen Christian und der landgräflichen Familie) - spielen; auch hier trat er mit vielem Beifall auf. Ich war auch in engeren Privatkreisen mit ihm zusammen, er ist gern gesehen und er befindet sich wohl. Ich schreibe so viel von Ihm, weil ich nicht / weiß, ob man in Weimar schon weiß, wie es ihm geht; auch schreibe ich gern davon, weil ich den herlichen Klang, den der Name "Weimar" in künstlerischer Beziehung habe, auch gern hier gewürdiget sehe.

Nach wenigen Tagen, den 2te April, bin ich 54 Jahre alt; so alt, denn es sind viele, viele Jahre, und doch wie jung! und an diesem Tage vor allen erkenne ich demüthig wie viel Segen mir gegeben worden; die glücklichen und guten Ereignisse wandeln wie eine Karavane durch meine Gedanken, so viele treue und milde Augen begrüßen mich, ich sehe hier und dort einen Ort der mir eine freundliche Heimath angeboten hat, und unter diesen ist Weimar mir vielleicht der liebste. Sie werden also verstehen warum Sie, edler hoher Herr, eben an diesem Tage besonders in meinen Gedanken sind. Bewahren Sie, Konigl: Hoheit, Ihre Güte und Theilnahme für mich; Gott erhalte Sie, edler theurer Großherzog, er erhalte Sie gesund und froh. Eur: Konigl: Hoheits treuer, dankbarer H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen