Dato: 3. maj 1860
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

157 Andersen an Carl Alexander

Kopenhagen 3 Mai 1860.

Edler theurer Großherzog!

Ich hatte gehofft schon in den erstenTagen von April mein neueste Schrift an Ew: Königliche Hoheit einsenden zu können; sie enthält eine reiche Sammlung von Märchen, Historien und Reiseskizzen, welche in Dänemark mit der größten Anerkennung aufgenommen und in mehreren Auflagen erschienen sind bevor die deutsche Ausgabe gedruckt werden konnte. April ist nun auch vorüber, und da ich erst Ende Juni das Buch erhalten kann, so darf ich es nicht länger aufsetzen an meinen theuren Großherzog zu schreiben, den(n) ich muß Ihnen, Konigliche Hoheit, erzählen wie ich lebe und wirke, um mich in Ihren freundlichen Andenken zu erhalten.

Ich war den ganzen Winter durch recht fleißig und außerdem in einer ganz neuen Richtung thätig. Mehrere Universitets Professoren und andere tuchtige Männer hielten allerwöchenlich belehrende Vorträge in Versamlungen der arbeitenden Klasse; man ersuchte mich die / Poesie, die Dichtkunst, zu repräsentiren, und nahmentlich einige Mährchen vorzutragen; es ist geschehen und es hat mir viel Freude verschafft. Handwerker mit ihren Frauen und Kindern füllten den großen Saal und es war von psychologischen Interesse den Eindruck des Vortrages zu bemerken.

Ein Paar Mal hatte ich bei dem Erbprinzen und dem Prinzen von Dänemark, die Ehre die Prinzessin Anna zu sprechen, und immer sprachen wir von Ihnen, theurer Großherzog; bei einer solchen Gelegenheit hat der Preussische Kammerherr über das von mir aufgegebene Thema: "Das liebe Weimar", sehr hübsch improvisirt.

Die Brüder Müller aus Meiningen sind hier zufolge Engagements des Musikvereins, sie gefallen außerordenlich und auch ihnen scheint der Aufenthalt hier zu gefallen; auch in Aarhuus haben sie ein Koncert gegeben. Eine Partie von Lohengrin wurde auch hier gegeben und mit Beifall aufgenommen.

Im Juni Monat hoffe ich in Deutschland zu sein; wenn ich erfahren könnte daß Eur: Konigliche Hoheit in Eisenach wären wurde ich meine Reiseroute darüber hinlegen. Im Sommer beabsichtige ich in Schweitz zu verweilen und im Winter, wenn Gott Friede und Ruhe giebt, in Rom. Erst im Sommer / 1861 wollte ich wieder nach der Heimath zurück. Ich möchte doch so gern noch einmal einen Winter in dem schönen Italien zu bringen, es wird wohl das letzte Mal sein; den 2ten April d. Jahr hatte ich mein 54stes Jahr erreicht.

Für Schillers Album habe ich ein neues Märchen geschrieben und an Major Serre gesandt. Es heißt: "die alte Kirchenglocke". Als Schiller geboren wird hört seine Mutter den Klang der alten Kirchenglocke in Marbach; am Ende wird aus diese Glocke der Kopf und die Brust von Thorwaldsens Schiller-Statue in Stuttgart. Schillers Leben klingt hier im "Lied von der Glocke", und vermittelst Thorwaldsen bringe ich ein Element aus meinem eigenen Vaterland hierein; ich hoffe, daß diese kleine Dichtung Ihnen, theurer Großherzog, gefallen werde.

Meine ehrfurchtvollsten Gruß an die Konigliche Gemalinn bitte ich zu überbringen. Bewahren Sie mich in huldreichen Andenken. Ew koniglichen Hoheit

treu ergebener

H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen