Dato: 24. juli 1860
Fra: H.C. Andersen   Til: Carl Alexander
Sprog: tysk.

158 Andersen an Carl Alexander

Brunnen 24 Juli 1860.

Mein hoher, edler Großherzog!

Am Ende Mai ging ich aus Kopenhagen nach dem Herzogthümern, wo ich einige Zeit verweilte und kam von dort nach Eisenach; ich hatte mich so gefreut Eurer Königlichen Hoheit wieder zusehen, mein Herz klopfte in Freude dabei, ich wurde nach Weimar gegangen sein wenn Sie dort wären aber ich hörte in Eisenach, Eurer Koniglichen Hoheit wäre eben des Tages vorher nach der Schweitz abgereist; gewiß sollte ich Ihnen dort begegnen hoffte ich, aber da ich nach München kam laß ich in der Zeitung: "der Großherzog von Sachsen-Weimar ist in Baden-Baden;" und kurz nachher bekamm ich die Nachricht, Sie wären schon wieder nach Weimar gegangen; ich wurde ganz traurig dabey, wann und wo soll ich jetzt das Glück, die wahre Freude haben, Sie, mein edler, theurer Herr wiederzu sehen. Es ist meine Absicht im Spätherbst nach Rom zu gehen und dort den Winter zu verweilen, aber so wie die Sachen noch stehen, habe ich keine Freude daran, ich mag nur dort seyn wo Friede und Ruhe lebt.

Schon bin ich, wie gesagt, zwey Monathe vom Hause und habe schönen, glucklichen Tagen verlebt; ich kenne die Theilnahme Eurer Konigliche Hoheit für mich und ich erzähle dann, ohne Umstande Ihnen Alles, so wie denen die ich recht lieb habe es erzählen muß. / In den Herzogthümern bin ich auserordenlich liebevoll aufgenommen worden, verlebte eine ganze Woche in Rendsburg, und da man mich dringend und herzlich bat, dort auch einmal, so wie im Winter in Kopenhagen, für den Handwerker, hier in Rendsburg für die dänischen Soldaten ein Paar von meinen Märchen vorzulesen, versprach ich es. "Die Tonhalle" wurde mit Blumen und Flagge geschmückt, Officire mit ihren Frauen, Unterofficiren, Soldaten und auch deutschredende, die dänisch verstanden, kamen zusammen, beinahe 1500; ich wurde mit Hoch und Blumen empfangen, und hatte große Freude davon. In die Nacht wurde vor meinen Fenstern Deutsch gesungen, Gruß von Deutschen; des Morgens spielten für mich die Regiments Musik, und bei der Abreise wehten auf der Eisenbahn dänische Flaggen; es wurde gesungen und mir einen dreimaligen Hoch gebracht; ich mußte dabei weinen; gar zu vieles Herliches und Gutes in der Welt wird mir vergönnt. Durchdrungen davon flog ich nach Eisenach; wenn Sie dort gewesen wäre, mein edler Fürst, wie fortwährend hatte dann meine Freude seyn können!

In München habe ich schönen Tagen mit Kaulbach verlebt; er hat ein wunderschönes Bild zu meinem Märchen: "der Engel" gemacht, und denkt daran, sagte er, noch einige andere zu behandlen. Der König von Bayern war nicht in München aber die Königin. Ihre Majestät hat mich sehr gnädig empfangen und verschenkte mich die Photographien von Ihr, dem König und die beyden Prinzen.

Besonders hat mich das Passions Schauspiel in / Oberammergau erfüllt, welches dort alle zehn Jahre wiederholt wird. Es übertraf alle Erwartung; ich hatte immer gefürchtet daß Christus auf der Bühne vorgestellt, mußte Etwas Entheilligendes sein, aber wie es hier gegeben wurde, war es erhebend und schön. Das ganße hatte etwas verwantes mit den indischen Schauspiele im Freien, wo, zum Beispiele, "Sacuntala" wurde aufgeführt; die Chöre erinnerten an die griechische Tragedie, Musik und Gesang wurde mit Geschmak und Sicherheit gegeben. Die Vorstellung dauerte von Morgens acht Uhr bis Nachmittag um fümfe, und keiner ist weggegangen, so reich, so ergreifend war das Ganze; reisen Sie doch dahi(n,) mein hoher Herr! es lohnt sich! noch werden Vorstellungen gegeben; 6ten, 12ten, 19ten und 26 August, so auch 9ten und 16 September. Man wird ambesten aufgehoben sein (eingefügt: sein) bei der Pfarrer. Ach gehen Sie doch dahin!

Jetzt bin ich schon 12 Tagen in Brunnen am Vierwaldstädtersee, wo ich wohne im Pension bei Oberst Aufdermaur (soll heißen: auf der Maur); hier sind mehrere Fremden, auch der Graf Harrach und von Schlicht aus Weimar, welche sich beide, Eurer Koniglichen Hoheit dringen empfehlend.

Künftige Woche gehe ich nach Locle auf Juragebirge, wo ich verweile bis den 14 August; glücklich wollte ich seyn, wenn ich dort, oder auch einen Woche später, in Genf einen Brief, "poste restante" erhalten möchten. Mein neues Buch / "Aus Herz und Welt" d.h. Märchen, Historien und Reisebilder, habe ich durch meinen Buchhändler längst an Eurer Koniglichen Hoheit geschickt, aber adressirt an Kammerherrn Beaulieu, und er ist, wie ich jetzt höre, abgereist. Lesen Sie "Anne Lisbeth", "die Geschichte aus den Sanddünen" und "Feder und Dintenfaß", ich darf hoffen diese werden Eurer Königlichen Hoheit entsprechen!

Und nun Gott segne Sie mein hoher, theurer Großherzog! Ihr konigliche Hoheits innig ergebener, treuer

H.C. Andersen

Tekst fra: Ivy York Möller-Christensen