Dato: 19. august 1860
Fra: Carolina, Lina von Eisendecher   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Frankfurt den 19 August 1860

Sehr herzlichen Dank, sage ich Ihnen lieber Andersen, für Ihr sehr hübsches neues Buch, daß mich nach einer sehr langen Abwesenheit, vor wenigen Tagen bei meiner Rückehr, hier empfing; wie immer habe ich große Freude daran gehabt, und erkenne Sie, und Ihr eigenthümliches Wesen in jedem Geschichtchen. Alles konnte ich noch nicht lesen, da ich entsetzlich in Anspruch genommen war, doch machte mir die letzte Geschichte ganz besondere Freude, das arme kleine spanische Kind an der jütländischen Küste! Es ist so unendlich viel Poesie darin, trotz der kleinen einfachen Zustände, das verstehen Sie wie Niemand, diesen eigenen Zauber und Duft, selbst in die gewöhnlichsten Verhältnisse zu bringen. Dann ergriff mich sehr, das todte Kind, der hoffnungslose Schmerz der armen Mutter! und wie wahr ist das, ueber das Verlorene vergißt man ja gewöhnlich alles was man noch hat, in solchen Momenten scheint alles werthlos, bis auf das Hergegebene. -

Der Besuch bei Dickens war mir eine lebendige Erzählung von Ihnen, Sie hatten mir hier bei Ihrem letzten Besuch so viel davon mitgetheilt. Wie schade daß Dickens schöne Häuslich. keit später so gestört wurde. - Noch einmal danke ich Ihnen so recht von Herzen für das Buch, lieber Freund, und vor allem danke ich Ihnen, daß Sie überall an mich dachten, in Ihrem vielfach bewegten Leben, könnte wohl Jemand vergeßen werden, wenn man nicht wie Sie, eine so große Treue des Herzens hat. Das ist eine seltene und unendlich schöne Eigenschafft, die Ihnen Gott erhalten möge. Wenn ich jetzt Ihre Schriften übersehe, so ist es doch schon eine große Anzahl von Bänden, und Sie müßen tüchtig fleißig gewesen sein, um das alles zu schaffen, in einem doch nicht langen Zeitraum.

Seit dem Sie zulezt von uns gehört, sind meine Kinder wieder tüchtig herangewachsen, Karl macht auf der Preußischen Flotte die Expedition nach Japan mit, und schreibt glückseelige Briefe von allen fernen Punkten, die [er] bis jetzt erreicht; uns sind diese langen Trennungen unendlich schwer, wer darf aber an sich denken, wenn es sich um das Glück der Kinder handelt. Gustave ist schon seit mehreren Monathen Braut, und wird trotz ihrer 17 Jahre in einigen Monathen, so Gott will! verheirathet sein, sie heirathet einen Herrn von Köller aus Pommern, ein hübscher liebenswürdiger junger Mann von 26 Jahren. Es war eine sehr romantische und innige Liebesgeschichte, die sogar allerlei Kämpfe durchzumachen gehabt hat, er wünscht die Kleine nehmlich schon vor I Jahrwo sie kaum 16 war, da mußte denn doch noch gewartet werden, und eine kleine Prüfungs zeit schadet den jungen Herrn auch garnicht, aber einem Liebenden kommt es natürlich sehr schrecklich vor, und so hielt er sich für den Unglücklichsten aller Sterblichen, als er nicht gleich sein blondes Lieb heimführen durfte. Jetzt ist aber alles gut, und selbst das Leid vergeßen.

Die kleinste Christa ist jetzt 8 Jahre, und groß und klug für ihre Jahre, sie grüßt Sie sehr herzlich, und erwartet immer noch die Geschichte, die für sie geschrieben werden soll. - Haben Sie denn in Ihrem Vaterlande auch solch einen entsetzlichen Sommer? Hier ist das Wetter schauderhaft, und auf unserer 3monathlichen Abwesenheit in den verschiedensten Gegenden war es nicht besser. Ob mein Brief Sie in Dänemark trifft ist wohl sehr zweifelhaft, doch denke ich man wird Sie wohl schon finden, wenn Sie auch nicht dort sind.

Mein Mann läßt Sie sehr herzlich grüßen, und wir beide bitten nicht vergeßen zu werden. Leben Sie wohl, lieber Andersen, und wenn Sie viel Zeit und Lust haben, so würde es mich unendlich freuen einmal wieder von Ihnen direkt zu hören.

Stets mit alter Herzlichkeit

Lina von Eisendecher.

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