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Dato: 4. oktober 1860
Fra: H.C. Andersen   Til: Klaus Groth
Sprog: dansk, tysk.

Kiel, 27. Juni 1860

Lieber Freund!

Vergeben Sie mir, dass Sie nicht früher von mir gehört haben; eigentlich wollte ich Ihnen aus der Schweiz schreiben, aber die Tage vergingen wie im Flug mit Wanderungen und Arbeit, auch wollte ich alle meine Briefe in den Norden aus Italien abschicken, aber dahin bin ich nicht gekommen; drei Monate war ich in der Schweiz und hoffte, daß die Lage in Italien sich entspannen würde und ich in Ruhe und Frieden in Rom überwintern könnte, aber es wurde don immer schlimmer und ich dachte mir, dass der Aufenthalt dort für mich ungemütlich werden könnte, also beschloss ich, nach einem langen Kampf mit mir, heim zu fahren und den Winter in Kopenhagen zu verbringen und darauf zu Warten, in einem etwas friedlicheren Jahr Rom und Neapel zu besuchen. Deshalb bin ich auf dem Heimweg und zur Zeit in München, wo ich ein paar höchst interessante Wochen mit Kaulbach und mehreren Freunden zubrachte; von hier aus besuchte ich die Passionsspiele in Oberammergau, die mich sehr interessierten und über die ich in der dänischen Zeitschrift &Tidende' geschrieben habe, wie Sie vielleicht gesehen haben. Vierzehn Tage war ich in Brunnen, am Vierwaldstättersee, aber hier, wie auch in der Schweiz, verfolgen mich Regen und Kälte, am schlimmsten war es im Juragebirge in Lode, wo es morgens nur 4 Grad warm war; der Aufenthalt dort war jedoch angenehm, ich wohnte bei einem wohlhabenden Freund, einem Landsmann, und besuchte alle Orte, an denen ich seit 27 Jahren nicht mehr gewesen war; wie verändert! Lode war damals abgebrannt und ist nun neu und größer wiederaufgebaut, Hindernisse wurden weggesprengt, so dass man nun in wenigen Minuten über die französische Grenze gehen kann. Früher brauchte ich mit der Postkutsche vier Stunden hier herauf, nun mit dem Zug nur noch etwas mehr als eine Stunde, immer aufwärts, 3000 Fuß über dem Meeresspiegel, durch Tunnel, Wovon einer so lang ist, dass man während der Fahrt 7 Minuten im Berg bleibt. Alle meine alten Freunde in Locle sind tot, ich mußte sie auf dem Friedhof suchen, aber die neue Generation nahm mich herzlich auf, und ich verließ mit Wehmut diese lieben Menschen. Schnee fiel dort schon, aber am gleichen Abend erreichte ich den Genfer Sec, da war Sonnenschein und Sommer. Ich blieb ein paar Tage in Ouchy, wo Byron seine &Gefangenen in Chillon' schrieb, Wohnte gerade an derselben Stelle; später war ich 14 Tage in Montreux, einem kleinen Ort mit italienischem Charakter, großen Feigenbäumen und blÜhenden GranatbÜschen vor den Häusern. Maisfelder und Weinberge erstreckten sich herunter bis an den blau-grünen See, hoch bis zu den schönen Walnußbaumwäldern. Direkt darüber erhoben sich Savoyens schneebedeckte Berge, hier war alles schön. In Genf wohnte ich in einer Pension, um mich im Französischen zu üben, weil ich damit in Italien am besten zurechtkam, aber wie gesagt, die Nachrichten aus Neapel und dem Vatikan klangen immer weniger friedlich und ich wandte mich heimwärts über Basel und Stuttgart, wo ich im Familienkreis guter Freunde ein paar schöne Tage verbrachte; nächste Woche verlasse ich München und fahre nach Dresden, wo ich auf dem Land bei netten Menschen einige Zeit verbringen werde; würden Sie mir freundlicherweise einen Brief postlagernd nach Dresden schicken; dann erfahre ich, wie es mit der dänischen Ausgabe der plattdeutschen Gedichte ging und wie Sie und Ihre Frau den Sommer verbracht haben. Eventuell fahre ich über Kiel nach Hause, dann würden wir uns sehen. Meine letzten Märchen und Geschichten werden Sie wohl im Laufe des Sommers gelesen haben, die englische Ausgabe hat ein großes Publikum gefunden, mein Buchhändler hat mir mehrere Kritiken zugesandt, die alle Erwartungen übertreffen und mich glücklich machen. Er denkt, zu Weihnachten eine neue und illustrierte Ausgabe herauszugeben. In Frankreich kommen meine Schriften nun auch heraus, sie stehen unter einem guten Stern. - Hier in München ist es so kalt wie im Dezember, kälter ist es um diese Zeit zuhause auch nicht. Dorthin fliegen nun meine Gedanken und auf diesem Flug eilen sie auch in Ihre Arme, lieber vortrefflicher Freund und Dichter. Überbringen Sie Ihrer Frau meine ehrwürdigen herzlichen Grüße und unseren gemeinsamen Freunden in Kiel ebenso.

Ihr innerlich hingebungsvoller

H. C. Andersen

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