Dato: 10. december 1860
Fra: H.C. Andersen   Til: Klaus Groth
Sprog: dansk, tysk.

Kopenhagen, 10. Dezember 1860

Lieber, liebenswürdiger Freund! Danke, dass Sie schrieben, danke für jedes Wort, es war so gut und freundlich; ich war mit mir etwas unzufrieden, weil ich Ihnen noch nicht geschrieben habe, aber in diesen 14 Tagen, die ich nun in der Stadt bin, ist die Zeit so schnell verflogen, nicht nur mit Besuchen, sondern auch mit Arbeit; in der dänischen Illustrierten &Tidende' können Sie einen Artikel lesen, den ich über des Komponisten Hartmanns Bilder schrieb, danach habe ich ein neu es Märchen geliefert; genug, die Zeit hat mir nicht erlaubt früher zu schreiben. Ihren Brief nach Dresden bekam ich an dem Tag vor meiner Abreise, deshalb konnte ich nicht antworten, hatte aber die Absicht über Kiel zu reisen, um ein paar Tage mit Ihnen und Ihrer Frau zu verbringen; das geschah nicht und das lag allein an meiner Stimmung. Ich will es Ihnen gestehen. In der Mitte des Sommers, als ich in der Schweiz war und schwankte, ob ich nun auf Grund der Unruhen Rom und Neapel besuchen sollte oder nicht, überfiel mich ab und dann eine traurige Stimmung, die mich in jüngeren Jahren häufiger heimsuchte. Meine Gedanken waren schwer, sie wurden etwas leichter, als ich entschied, in Kopenhagen zu überwintern, aber als ich das gemütliche Familienleben in Dresden verließ, geriet ich wieder in eine Stimmungslage, in der ich Sie nicht besuchen und Ihre Frau nicht kennen lernen wollte, ich fühlte eine Unruhe, eine Verstimmtheit - und so fuhr ich geradewegs nach Rendsburg und von dort mit der Postkutsche über Fünen, eine nicht gerade erfreuliche Fahrt. In Odense, meiner Geburtsstadt, bin ich achtzehn Jahre nicht gewesen. Ich kannte keinen, es ist 41 Jahre her seit ich als Kind die Stadt verließ, nun saß ich im Wirtshaus, ich ging in den Straßen umher, wo die alten Häuser gegen langweilige Kästen ausgetauscht worden waren. Mein Geburtshaus hatte eine Etage mehr und große Fenster, es sah vornehm aus; ich wurde noch schwermütiger. "Heimkommen ist das Schönste an der ganzen Reise!" schrieb ich einmal, und die Wahrheit, die darin liegt, fand ich jetzt bei Freunden in Kopenhagen; hier habe ich bis heute im ,Hotel d'Angleterre' gewohnt, da ich keine Wohnung finden konnte; erst heute fand ich eine ziemlich teure Wohnung; ich habe Lust etwas zu unternehmen und bleibe wahrscheinlich bis Mai hier und, so Gott will, werde ich dann in die Welt hinausziehen, über Kiel und, nicht wahr, diesmal wirklich und in einer guten Stimmung! Grüßen Sie herzlichst Ihre Frau und die eventuell gemeinsamen Freunde in Kiel. In Hinblick darauf, was Sie über Dickens schrieben: ich habe so gut wie keinen Briefverkehr mehr, er ist so beschäftigt mit seiner Schriftstellertätigkeit, dass er mir fast nie schreibt, ich habe über zwei Jahre nichts von ihm gehört, dabei habe ich ihm zuletzt und zweimal geschrieben. Ich weiß, dass er mir freundlich gesonnen ist und ein warmes Herz für mich hat, aber da er nicht antwortet, bin ich auch, bis sich mir eine Gelegenheit bietet, der Nichtschreibende. Doch seien Sie versichert, vortrefflicher Freund, dass ich mich beglückt und herzlich für Ihre Dichtung interessiere; es liegt so nahe und ich erweise der Welt einen Dienst, indem ich noch mehr als bisher Ihre Werke kennenlerne. Es muß ein wirklicher Dichter sein, um Ihre frische, naturnahe Dichtung wiederzugeben; könnte man einen Burns finden, so würde sich der Name Klaus Groth in in England und Schottland einer großen Beliebtheit erfreuen. Wann kommt nun die dänische Ausgabe? - Im kommenden Jahr hoffe ich, dass meine gesammelten Werke neu aufgelegt werden, wenn das geschieht, freue ich mich, Ihnen das gesamte Werk zu schicken, das Sie bestimmt noch nicht besitzen. Weihnachten verbringe ich, so Gott will, auf dem schönen Basnaes in der Ostsee (das liegt zwischen Korsör und Wordingborg), aus meinen Fenstern sehe ich über das Meer nach Kiel, denke an den Freund und Dichter dort, stelle mir vor wie er und seine Frau die Festtage verbringen!

"Wo Kinder sind, dort ist ewig Weihnachten!" sagt Oehlenschläger; Sie haben also den Beginn für die ewige Weihnachtsfreude! Möge das Fest gelingen und möge es gesegnet sein! Danke für Ihr freundliches Gemüt und die damit verbundenen Gedanken an mich! Ein neues und frohes Jahr rolle auf!

Ihr hingebungsvoller

H. C. Andersen

PS: Briefe an mich senden Sie bitte an Seine Excellenz Geheimrat Hans Collin, Amaliegade No 9 in Kopenhagen.

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