Dato: 18. maj 1845
Fra: Heinrich Zeise   Til: H.C. Andersen
Sprog: tysk.

Altona d. 18.5.45

Lieber Herr Andersen!

Vielen und herzliehen Dank für Ihren lieben und freundlichen Brief, und die ihn begleitenden Mährchen und Poesien. Sie fragen mich, welches von den Mährchen ich am schönsten halte? unstreitig Holger Danske, den ich durch und durch poetisch finde, ich las ihn mehrere Male, und übersetzte dann dies Mährchen mit wahrhafter Freude. Ich habe jetzt übersetzt: "Hyldermoer", "Grantræet" "Hyrdinden og Skorstensfeieren" "Springfyrene" "Holger Danske" "De røde Skoe". - Mit "Elverhoi" und "Sneedronningen" denke ich noch in diesem Monat fertig zu werden; und bitte ich Sie mir die übrigen Mährchen in Manuscript recht bald zukommen zu lassen. Herrn Kittler habe ich gewiß in 6 Wochen nicht gesehn, er reiste nach Leipzig, aber ich habe nicht erfahren, ob er schon wieder zurückgekommen ist; ich werde in diesen Tagen in seiner Wohnung anfragen.

Fast am Schlusse des Mährchens "Hyldemoer" steht in einem Satze: "det er mig (Pigen) der sidder i Træet, som voxer og voxer, ich bin hier in Zweifel, ob das Verbum auf "Pigen" oder" Træet" zurückgeht; ferner ist mir in dem Mährchen "Grantræet" das darin vorkommende Wortchen "ilter" nich bekannt (var saa ilter med at voxe) ich vermuthe, daß es von "at ile" abstammt, und ungefähr soviel wie "eilig" bedeutet. Ich möchte Sie bitten mir hierüber in Ihrem nächsten Briefe Aufschluß zu geben. Soll ich die jetzt übersetzten Mährchen an Kittler abgeben? oder wünschen Sie, daß ich Ihnen dieselben vorher noch einmal zur Durchsicht einsende? Mir ist beides recht.

Sie sollten, lieber Herr Andersen, Ihre, ins Deutsche übersetzten Gedichte dem Herrn Kittler in Verlag geben, wenn ihrer schon so viele übersetzt sein, daß sie einen Band bilden. Ich habe immer das schöne Gedicht "Hjemme" zu übersetzen gewünscht, versuchte es auch einigemal, da ich aber mit der Übersetzung nicht zufrieden war, so vernichtete ich sie wieder. Ich gab nun den deutschen Text einem Freunde in Hamburg, dem Dr. Lebrecht Dreves (Verfasser der "Lyrischen Anklange" "Vigilien" und "schlichten Lieder") der das Gedicht sehr gelungen wiedergegeben hat; ich habe Dreves nun versprochen ihm mehrere Ihrer Gedichte deutsch zu geben, und er will ihnen dann Rhytmus und Form ertheilen. Dreves hatte mir versprochen, daß ich heute das Gedicht "Heimweh" haben sollte, er hat es jedoch vergessen mir zu senden, ich werde es aber meinem nächsten Briefe beilegen.

Sie würden mir einen großen Gefallen erzeigen, wenn Sie mir einigen Aufschluß über das Gedicht Oehlenschlägers "De tvende Kirketaarne" (Det var sig Herr Asger Ryg) ertheilen konnten. - Ob Oehlenschläger dies aus sich geschöpft, oder vielleicht einer alten Kämpen- oder Volksweise nachgebildet hat. Ich habe nämlich dies Gedicht ins Deutsche übertragen, wußte jedoch nicht, daß es von Oehlenschläger sei, sondern hielt es für eine alte Volksweise. Ich bitte Sie nochmals mir in Ihrem nächsten Briefe zu schreiben, ob Oehlenschläger dies herrliche Gedicht aus sich geschöpft, oder ob vielleicht ein ähnlicher Text sich in einer alten Volksweise findet.

Sie schrieben in Ihrem letzten Briefe, daB, wenn es für die kritischen Blätter von Interesse sein könne, Sie gern einige literarische und Kunst-Neuheiten senden würden; wenn Sie sich dazu aufgelegt fühlen sollten, so würden Sie Dr. Wienbarg einen großen Gefallen erzeigen. Von meinem Vater und Dr. Wienbarg habe ich sowohl an Sie, wie an Herrn Konferenzrath Ørsted die herzlichsten Grüßsse zu entrichten. Ich bat in meinem letzten Briefe, auf den Wunsch Kittlers, den Herrn Konferenzrath Ørsted, ein kleines Vorwort zu der "Naturlehre des Schonen" zu schreiben; Sie haben wohl nicht erfahren, ob Ørsted dazu geneigt ist. Und nun leben Sie wohl, lieber Herr Andersen, einem baldigen Briefe sieht entgegen

Ihr ergebener H. Zeise.

Sie haben wohl die Gute, den einliegenden Brief, dem Herrn Prof. Otto zukommen zu lassen.

Aufschrift:

Herrn H. C. Andersen cand. philos.

i Kjøbenhavn

"Hotel du Nord" paa Kongens Nytorv

Tekst fra: H.C. Andersens Hus